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Vom Anleihe-Schaf zum Shorty

Die Finanzkrise hat den Derivatemarkt ordentlich durcheinander gewirbelt. Das äußert sich nicht zuletzt im Marketing. Die Änderung der Produktbezeichnungen ist jedoch nicht nur der Transparenz abträglich, sondern auch missverständlich. Selbst erfahrene Anleger müssen daher nun noch genauer hinsehen. 

BÖRSE am Sonntag

Weil die Bezeichnung „Zertifikat“ nach der Lehman-Pleite für Kapitalschutzprodukte zur Belastung wurde, verkauft mancher Emittent nicht mehr nur die beliebten Garantiepapiere als Anleihe, sondern auch viele weitere Zertifikatkonstruktionen.

Was ist eine Anleihe?

Juristisch betrachtet ist dieses Vorgehen nicht zu beanstanden, weil der Begriff Zertifikat ohnehin ein Kunstwort ist. Streng genommen handelt es sich sowohl bei Staatsanleihen als auch bei Aktienanleihen und Zertifikaten – gleichgültig, ob mit oder ohne Garantie – um Schuldverschreibungen. Der Begriff Anleihe wird hierfür synonym verwendet und macht deutlich, dass Geld verliehen wird. Es gibt also immer einen Emittenten, der eine Anleihe begibt, und einen Anleihenehmer, der dem Emittenten dafür sein Geld zur Verfügung stellt. Für das Überlassen des Geldbetrages bekommt der Käufer der Anleihe in der Regel Zinsen und hat gegenüber dem Emittenten einen Anspruch auf Rückzahlung des Geldbetrages zu einem vorab festgelegten Zeitpunkt. Darauf aufbauend hatte es sich im Universum der Zertifikate in den letzten Jahren eingebürgert, die Garantieprodukte unter der Bezeichnung Anleihe zu emittieren. Diese Anleihe-Zertifikate zeichneten sich in der Regel dadurch aus, dass - abgesehen von dem bis dahin nicht für möglich gehaltenen Fall einer Emittentenpleite - ein Totalverlust ausgeschlossen war. Demgegenüber bestanden und bestehen bei Produkten, die unter der Bezeichnung „Zertifikat“ firmieren, weitere Risiken in Bezug auf den Basiswert und den Gesamtmarkt (Marktrisiko), die im Extremfall dazu führen konnten, dass das Derivat am Ende wertlos wurde oder massive Verluste einbrachte.

Totalverlust auch bei Anleihen möglich

Doch die begriffliche Trennung wurde in den letzten Monaten seitens der Emittenten immer weiter aufgeweicht. Weil Produkte unter dem Titel Zertifikat im letzten Jahr nur noch schwer an die Frau und den Mann zu bringen waren, wurde aus Papieren, die bislang als Zertifikat vermarktet wurden, kurzerhand Anleihen. Beispiele für diese Praxis sind unter anderem die Reverse-Index-Outperformance-Anleihe mit Cap auf den DAX der BHF Bank (WKN: BHF7FB), die Hamster Express Anleihe (WKN CB89TC) der Commerzbank oder die Anfang Januar emittierte Constant Outperformance Anleihe auf den DJ EURO STOXX 50 von Merrill Lynch. In allen drei Fällen besteht am Laufzeitende keine 100%ige Kapitalgarantie! Dieser Umstand, der im schlimmsten Fall den Totalverlust bedeuten kann, ist vielen Anlegern – im Gegensatz zu dem ausgiebig erörterten Emittentenrisiko - jedoch nicht bewusst.

Aktienanleihe klingt harmlos, …

Dass die Bezeichnung Anleihe tatsächlich ein besonderes Vertrauen genießt, lässt sich am Beispiel der Aktienanleihen belegen. Parallel zu der Vertrauenskrise auf dem Zertifikatemarkt kam diesen Produkten nämlich ihre Namensgebung in den vergangenen 12 Monaten sehr zugute: Laut der aktuellen Statistik (März) des Deutschen Derivate Verbands liegt ihr Marktanteil inzwischen bei über 4% aller Zertifikate und hat sich damit im Vergleich zum Oktober 2008 – dem Monat der Lehman-Pleite- nahezu verzehnfacht. Auch im März des laufenden Jahres hat sich dieser Trend fortgesetzt: „Bemerkenswert war die Umsatzsteigerung bei den Aktienanleihen um 26,8% auf 186 Mio. Euro“, so der Deutsche Derivate Verband in einer aktuellen Pressemitteilung. Zur Freude der Emittenten, die die gestiegene Nachfrage nach Aktienanleihen nur zu gern bedienen: Gab es im Dezember 2008 „nur“ rund 8.500 Aktienanleihen, so hat sich das Angebot heute auf 18.700 mehr als verdoppelt! Als Grund für den Boom haben Experten die konservative Anlegerseele der Deutschen ausgemacht. Die Aussicht auf einen fixen Zinskupon in Verbindung mit der Bezeichnung als Anleihe erscheint vielen Menschen attraktiver als die vermeintlich komplexeren und risikoreicheren Strukturen im Zertifikatbereich: „Seit Ausbruch der Finanzkrise ist das Thema Sicherheit bei Anlegern gefragt. Und der Namensbestandteil ,Anleihe’ suggeriert auf den ersten Blick, dass es sich bei Aktienanleihen um Rentenpapiere handelt - vergleichbar mit Bundes- oder Unternehmensanleihen“, so Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

… ist es aber nicht

Doch Anleger sollten sich von den clever gewählten Produktbezeichnungen nicht täuschen lassen. Schließlich gehören Aktienanleihen, wie eingangs erwähnt, ebenfalls zur Gruppe der derivativen Wertpapiere und damit zur Familie der Zertifikate. Im Fall einer Insolvenz des Emittenten ist daher mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit das eingesetzte Kapital verloren, wie bei Garantie-Zertifikaten der US-Bank Lehman Brothers. Doch so weit muss es gar nicht kommen. Wie bei den drei vorgenannten, als Anleihe deklarierten, Zertifikaten gibt es auch bei Aktienanleihen keine 100%ige Kapitalgarantie. Schließlich besitzt der Emittenten ein Wahlrecht, in welcher Form die Rückzahlung am Ende der Laufzeit vorgenommen wird: Entweder zahlt die Bank dem Anleger den Nominalwert der Anleihe zurück oder der Anleger erhält eine zu Beginn der Laufzeit fixierte Anzahl von Aktien des betreffenden Basiswertes. Für Letzteren wird zu Beginn ein Basispreis festgelegt. Notiert der Aktienkurs am Ende der Laufzeit unter diesem Wert, erhalten die Anleger das Aktienpaket oder den aktuellen Kurswert ausbezahlt. Das bedeutet, dass der Käufer der Aktienanleihe neben dem Emittentenrisiko auch hier ein weiteres Verlustrisiko - das Marktpreisrisiko - trägt, das theoretisch bis zu 100% (abzüglich der erhaltenen Zinsen) beträgt.

Zertifikate auf Staatsanleihen

Abgesehen von einer fehlenden Richtlinie hinsichtlich der Verwendung des Terminus Anleihe im Zertifikateuniversum gibt es aber noch eine weitere Verknüpfung zwischen Staats- und Unternehmensanleihen auf der einen und Zertifikaten auf der anderen Seite. Neben Aktien und Aktienindizes können nämlich auch Staatsanleihen – oder deren Futures – als Basiswert eines Zertifikats dienen. Besonders mutigen Anlegern erlaubt diese Variante beispielsweise, auf sinkende Anleihekurse zu spekulieren. Dass sich dies lohnen kann, ist im Zusammenhang mit der sogenannten PIIGS-Krise eindrucksvoll vorgeführt worden. Unter dem Kürzel PIIGS werden seit einigen Wochen die fünf Staaten Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien zusammengefasst, bei denen die Marktteilnehmer auf die Möglichkeit eines Staatsbankrotts spekulieren. Ob eine solche Spekulation einer Prüfung nach moralischen und ethischen Grundsätzen standhält, soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden, Short-Zertifikate auf griechische Staatsanleihen gibt es in jedem Fall nicht. Dass die enorme Staatsverschuldung der westlichen Länder aufgrund der damit einhergehenden Risiken und Belastungen über kurz oder lang zu höheren Renditen bei den zugehörigen Staatsanleihen führen dürfte, gehört hingegen zu den wahrscheinlichen Szenarien.  

So spekulieren Sie auf steigende Renditen

Wer von einer solchen Entwicklung profitieren möchte, sollte sich die Knock-out-Zertifikate ohne feste Laufzeit (Mini-Shorts) auf die Indizes des deutschen (Bund-Future) und US-amerikanischen Anleihemarkts (T-Note-Future) genauer ansehen. Mit diesen Papieren haben Investoren die Möglichkeit, gehebelt auf fallende Anleihekurse, also steigende Renditen, zu setzen.