Zertifikatemarkt 2013
Auf dem gereiften Markt für Zertifikate haben sich die risikoarmen Produkte durchgesetzt. Trotzdem haben die Papiere bei zahlreichen Privatanlegern noch immer ein Zockerimage. Die Branche leidet damit nach wie vor unter der Lehman-Pleite. Zu Unrecht. Lesen Sie, wie es 2013 weitergeht und was die Produkte im aktuellen Umfeld alles leisten.
Niedrige Zinsen und Inflationssorgen sind zu einem stetigen Begleiter der Anleger geworden. Dass in einem solchen Umfeld höhere Risiken eingegangen werden müssen, um positive Renditen zu erzielen, hat sich bereits herumgesprochen. Doch wie die Mischung aus Rendite und Risiko aussehen sollte, ist je nach Person sehr unterschiedlich. Zertifikate haben gegenüber anderen Instrumenten vor allem den Vorteil, dass für nahezu jede Erwartungshaltung und jedes Szenario ein passendes Produkt zu bekommen ist.
Sicherheit geht vor
Neue Trends gibt es hingegen kaum – dafür unterscheidet sich das Verhalten je nach Kenntnisstand der Käufer deutlich: „Die Zertifikate-Branche ist nach wie vor in zwei Geschwindigkeiten unterwegs. Die Selbstentscheider zeigen sich tendenziell risikobereiter und entscheiden sich häufig für kurz laufende Papiere wie Optionsscheine. Beratungskunden orientieren sich mehr an der Frage des Kapitalerhalts und wählen entsprechende Kapitalschutzprodukte. Anleger mit etwas mehr Erfahrung greifen gerne bei den klassischen Bonus-, Discount- und Express-Zertifikaten zu“, so Lars Brandau, Geschäftsführer des Branchenverbandes Deutscher Derivate Verband (DDV). Dominiert wird der Markt von den risikoarmen Produkten. Laut der aktuellen „Trendbarometer Zertifikate“-Studie, die die DZ BANK und das Research Center for Financial Services der Steinbeis-Hochschule Berlin jährlich erstellen, teilen sich die in Zertifikate angelegten Mittel zu 79% in Garantie-Zertifikate und zu 21% in Produkte mit Teilschutz auf.
Klare Verhältnisse
Auch was das Marktvolumen insgesamt angeht, herrschen mittlerweile klare Verhältnisse: „Das Marktvolumen pendelte im vergangenen Jahr stets um die Marke von 100 Mrd. Euro und war damit stabil auf hohem Niveau“, so Brandau weiter. Die Zeiten des stürmischen Wachstums von vor der Krise sind aber ebenso vorbei: „Wir befinden uns in einem anhaltenden Konsolidierungsprozess“, so Brandau. Legt man die Zahlen der „Trendbarometer Zertifikate“-Studie zugrunde, hat die Zertifikatebranche in den Portfolios einen Anteil von 11% erreicht. Zum Vergleich: Den höchsten Anteil an den Portfolios machen nach wie vor Investmentfonds (ohne ETFs) mit einem Anteil von 37% aus. Für die Branche ist das ein Erfolg. Nach der Lehman-Pleite und dem Absturz der Aktienmärkte in Folge der Finanzkrise stand die Zertifikate-Industrie vor dem Abgrund – es drohte der große Absturz.
Zertifikate haben sich etabliert
Im Zuge der Finanzkrise und der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers war das Marktvolumen zwischenzeitlich bis auf rund 80 Mrd. Euro eingebrochen. Nach der Stabilisierung wird für die kommenden Jahre sogar mit einem moderaten Wachstum gerechnet: „Wir gehen davon aus, dass dieses Niveau auch 2013 gehalten und eventuell sogar übertroffen werden kann. Die Branchenvertreter haben sich in der Emittentenumfrage überwiegend positiv zu ihren Erwartungen 2013 geäußert“, so der DDV-Geschäftsführer. Noch besser klingt das in der Steinbeis-Studie: „Auf Sicht von drei Jahren steigt der Anteil von Zertifikaten in den Portfolios von 11% auf 12%.“
Die goldene Mitte
Geholfen hat den Zertifikaten in den letzten Jahren das Angebot an Produkten mit hoher Sicherheit und vergleichsweise hoher Rendite. Sie stellen für viele einen Mittelweg zwischen den vielfach ebenfalls skeptisch beurteilten Aktien und den beliebten Bankprodukten wie Tagesgeld & Co. dar: „Niedrige Zinsen sind kein neues Phänomen, sondern seit Jahren Standard. Deshalb suchen Kleinanleger schon länger Zinsersatzprodukte und stoßen dabei immer wieder auf klassische strukturierte Produkte, die mit etwas mehr Risiko auch mehr Rendite bringen können. Je nach Risikobereitschaft haben sich Zertifikate als Beimischung im Depot bewährt“, kommentiert Brandau. Das lässt sich auch an dem vom DDV veröffentlichten Kapitalschutzindex nachvollziehen. In den letzten zwölf Monaten stieg das Barometer immerhin um fast 5%. Die Benchmark, der EURO STOXX 50, legte mit rund 12,5% zwar stärker zu, im Gegensatz zum Kapitalschutzindex geriet er aber zwischenzeitlich auch deutlich in die Verlustzone (ca. –14%). Noch besser sieht es bei den Aktienanleihen aus. Sie bieten keine hundertprozentige Sicherheit, dafür aber höhere Renditechancen. Der zugehörige DDV-Index konnte in den letzten zwölf Monaten so auch mit dem EURO STOXX 50 mithalten (beide +12%), weist aber in den schlechten Monaten deutlich niedrigere Verluste aus.
Es darf wieder etwas mehr sein
Wie aus der oben genannten Steinbeis-Studie weiter hervorgeht, dürften Teilschutzprodukte insgesamt in den kommenden Jahren zulegen: „Der Anteil von Zertifikaten mit Teilschutz wird auf Sicht von drei Jahren um sechs Prozentpunkte auf 27% steigen.“ Dazu passt, dass Aktienanleihen, die zur Gattung der Teilschutzprodukte gehören, einer der Gewinner des Zertifikate-Jahres 2012 sind, während der Marktanteil der Kapitalschutzzertifikate gesunken ist. Tendenziell scheinen sich die Privatanleger damit eher weg von Produkten mit vollständigem Kapitalschutz und hin zu Teilschutzpapieren zu bewegen. Letztlich steht dies für eine ausgewogenere Mischung zwischen Risiko und Rendite. Die Anleger sind dementsprechend bereit, für eine mittlere Rendite auch wieder ein entsprechendes mittleres Verlustrisiko in Kauf zu nehmen.
Aktienanleihen auf dem Vormarsch
Weiteren Rückenwind könnten die Aktienmärkte liefern: „Aktien sind für uns derzeit die attraktivste Anlageklasse – trotz der volatilen Märkte. Vor allem in Japan und im übrigen Asien bieten sich attraktive Chancen. Dagegen steht Europa wegen der Schuldenkrise und der damit verbundenen Ungewissheit weniger in unserem Fokus“, so Dennis Stattman, Fondsmanager des BGF Global Allocation Fund bei BlackRock. Dementsprechend dürften auch Aktienanleihen weiter profitieren. Nicht zuletzt auch deshalb, weil diese die – laut Steinbeis-Studie – wichtigsten Anforderungen, nämlich Rendite-Risiko-Verhältnis und Sicherheit, unter einen Hut bringen: „Im Hinblick auf niedrige Zinsen und Sicherheit könnten Aktienanleihen eine gute Wahl sein“, so Mathias Schölzel, Director X-markets bei der Deutschen Bank. Wer allerdings angesichts der zuletzt gut gelaufenen Aktienmärkte und der nach wie vor ungelösten Staatsschuldenproblematik mit neuen Turbulenzen rechnet, für den könnten „im Hinblick auf möglicherweise fallende Kurse Reverse-Bonus-Zertifikate von Interesse sein“, so Schölzel salomonisch. Auch im Hinblick auf die anderen Aktienmärkte, die 2012 gut gelaufen sind, wie beispielsweise Mexiko, Indonesien, die Türkei und Südafrika, ist Schölzel vorsichtig: „Die sogenannten MIST-Staaten sind derzeit sicher im Fokus. Man muss aber auch im Hinterkopf haben, dass diese Märkte schon ziemlich gut gelaufen sind. Z. B. legte der ISE 30, der Leitindex in der Türkei, in den letzten 52 Wochen über 50% zu.“
Zertifikate vs. ETFs
Aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt könnte 2013 ein Jahr für Zertifikate werden: Denn die Analystenprognosen für die großen Indizes sind eher verhalten. Beispielsweise erwarten die Banken für den DAX in diesem Jahr durchschnittlich einen Anstieg auf 8.029 Punkte – also nur um gut 5%. Kommt es tatsächlich zu einer Seitwärtsbewegung, sind Anleger mit entsprechenden Zertifikaten gut aufgestellt. Auf die Frage, in welchen Bereichen Zertifikate den populären ETFs überlegen sind, hat Schölzel eine eindeutige Antwort: „Ganz klar in Seitwärtsmärkten. Mit Zertifikaten lässt sich sehr genau eine Markterwartung darstellen. ETFs sind typischerweise Long oder Short only.“
Fazit
Standard-Zertifikate haben sich am Markt etabliert. Es werden keine Innovationen in Form von komplexen Varianten benötigt: „In Zeiten der Konsolidierung ist eher davon auszugehen, dass Anleger auf Klassiker zurückgreifen. Der neue Trend ist die Vorliebe für das Altbewährte“, so Brandau. Die großen Vorteile der Produkte sind der Kostenvorteil gegenüber Investmentfonds, die größere Flexibilität im Vergleich zu ETFs und die interessanten Risiko-Ertrags-Profile bewährter Strukturen.