ZEW-Konjunkturerwartungen: Wie gewonnen, so zerronnen
Die Wachstumsaussichten der Deutschen Wirtschaft trüben sich nach dem kräftigen Anstieg in den Herbst- und Wintermonaten bereits wieder ein. Die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW befragten Finanzmarktanalysten sind hinsichtlich des weiteren Konjunkturverlaufs skeptisch.
Die Wachstumsaussichten der Deutschen Wirtschaft trüben sich nach dem kräftigen Anstieg in den Herbst- und Wintermonaten bereits wieder ein. Die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW befragten Finanzmarktanalysten sind hinsichtlich des weiteren Konjunkturverlaufs skeptisch.
Von Dr. Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank
Das Rezessionsszenario ist noch nicht vom Tisch. Die Industrie profitiert zwar von den wieder besser funktionierenden Lieferketten und von der Öffnung der chinesischen Wirtschaft. China wuchs im ersten Quartal kräftig und wird vorerst aufgrund von Corona-Nachholeffekten auch auf der Überholspur bleiben, wovon auch die exportstarke deutsche Industrie profitiert. In Deutschland verbuchten die Auftragseingänge, die Exporte und die Industrieproduktion zuletzt robuste Zuwachsraten. Doch die positiven Nachrichten könnten sich als Strohfeuer erweisen.
Gegen ein kräftiges Anziehen der Wachstumsraten spricht der angeschlagene private Konsum, der unter hohen Inflationsraten leidet. Die Einzelhandelsumsätze sind nun bereits seit einem Jahr auch in realer Betrachtung gegenüber dem Vorjahr rückläufig. Dies zeigt schon, wie stark die hohen Teuerungsraten auf der Wirtschaft lasten. Und auch die schwache Bauwirtschaft wird noch geraume Zeit auf der konjunkturellen Entwicklung lasten. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, lagen die Baugenehmigungen im Februar 20 % unter dem Vorjahresniveau.
Da der private Konsum aufgrund von fortgesetzten Realeinbussen und auch die Bauwirtschaft angeschlagen bleiben, ähnelt das Wachstum in Deutschland vorerst dem berühmten Ritt auf der Rasierklinge. Die Rezessionsgefahren mögen kurzfristig nicht akut sein, doch ebben die Produktionsnachholeffekte aufgrund der besser funktionierenden Lieferketten ab, und so könnte im weiteren Jahresverlauf noch Ungemach drohen. Noch etwas sollte bedacht werden: Die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) werden ihre Wirkung erst noch entfalten. Die tieferen ZEW-Konjunkturerwartungen passen also durchaus ins Bild.