Zurück nach China
Der Boom der chinesischen Wirtschaft setzt sich auch im laufenden Jahr ungebrochen fort. Obendrein scheint die Gefahr einer Überhitzung gebannt und der Inflationsdruck lässt langsam nach. An den Börsen des Landes spiegelt sich dies jedoch nicht wider. Stattdessen grassiert die Angst vor einer Immobilienblase. Das eröffnet Chancen.
Chinas Wirtschaft befindet sich in guter Verfassung. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im laufenden Jahr um rund 9,6% wachsen. Für das kommende Jahr wird erwartet, dass die 9%-Marke unterschritten wird. Dies ist jedoch Ausdruck der Bemühungen der chinesischen Regierung, eine Überhitzung zu verhindern.
Regierung tritt auf die Bremse
Zu den ergriffenen Maßnahmen zählen neben einer restriktiveren Geldpolitik eine Reihe von Zinserhöhungen. Auch in dem im März verabschiedeten zwölften 5-Jahres-Programm für den Zeitraum bis 2015 spiegelt sich diese Haltung wider: Das jährlich anvisierte BIP-Wachstumsziel wurde dort auf 7% zurückgenommen. Im Vordergrund steht dabei weniger die absolute Höhe der Wachstumsraten, sondern vielmehr die Art und Weise, wie es zustande kommt. Während bisher vor allem Land, billige Arbeitskräfte und Investitionen einen hohen Beitrag zur Konjunkturentwicklung geleistet haben, sollen zukünftig eine nachhaltige Entwicklung, die Modernisierung der Industrie sowie der Binnenkonsum stärker in den Vordergrund rücken.
Schreckgespenst Inflation
Letzterer spielte bislang im Reich der Mitte eine eher untergeordnete Rolle. Wie so vieles andere verläuft aber auch diese Verschiebung um ein Vielfaches schneller als im Westen. Bereits im ersten Quartal des laufenden Jahres stieg der Konsumbeitrag zum BIP-Wachstum auf 5,9 Prozentpunkte. Dauert diese Entwicklung an, könnte der Konsum erstmals seit 2001 wieder einen höheren Beitrag zum Wachstum beisteuern als die Investitionstätigkeit. Die wachsende Binnennachfrage hat jedoch einen unschönen Nebeneffekt: steigende Preise. Im Juni kletterten die Verbraucherpreise um 6,4%, im Mai hatte die Teuerungsrate bei 5,5% gelegen. Zum Vergleich: Etwa zwei Jahre zuvor, im Juli 2009, lag die Inflation noch bei –1,8%. Haupttreiber sind neben steigenden Mieten vor allem die Preise für Nahrungsmittel.
Landwirtschaft im Fokus
Von dieser Seite kommen jedoch auch erste Signale einer Entspannung: Auf den internationalen Märkten sind die Preise für Lebensmittel in den letzten Monaten gesunken und der Modernisierung der chinesischen Landwirtschaft wird in dem neuen 5-Jahres-Programm eine hohe Priorität eingeräumt: „Der 5-Jahres-Plan wird in China eine wahre Revolution des Agrarsektors auslösen, der die gesamte landwirtschaftliche Wertschöpfungskette beeinflussen wird“, so Nicolas Fragneau, Manager des Amundi Funds Global Agriculture. Neben Agrartiteln gelten daher seit Längerem die Konsumwerte unter den China-Aktien als aussichtsreich: „Konsumaktien können sich sehr rentieren, denn Chinas Höhenflug wird weitergehen“, äußerte sich etwa die Robeco-Fondsmanagerin Victoria Mio Mitte April in einem Interview.
Aktienmärkte im Sinkflug
Trotz dieser wohlbegründeten Empfehlungen befanden sich die Notierungen im Reich der Mitte zuletzt ebenfalls im Sinkflug. So hat beispielsweise der Hang Seng China Enterprises Index in diesem Jahr bereits über 26% verloren und der Shanghai Shenzen CSI 300 Index gab allein in den letzten sechs Monaten über 21% ab. Zusätzliches Gewicht erhalten diese Zahlen vor dem Hintergrund, dass chinesische Aktien im internationalen Vergleich schon 2010 deutlich zurückgeblieben waren: Im vergangenen Jahr schaffte der MSCI China gerade einmal ein mageres Plus von 2,6%. Zum Vergleich: Der MSCI Emerging Markets erreichte im gleichen Zeitraum eine Rendite von 11,7%. Fundamental ist diese Entwicklung nur schwer zu erklären.
Chinesische Aktien attraktiv bewertet
Im laufenden Jahr dürfte der Gewinn je Aktie (EPS) gegenüber dem Vorjahr um rund 15% steigen. Die Gewinnentwicklung der chinesischen Konzerne verläuft mithin erfreulich, sodass die gängigen Kennziffern zwischenzeitlich eine deutliche Unterbewertung signalisieren: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (auf Basis der erwarteten Gewinne) im MSCI China liegt beispielsweise nur noch bei 8,5, das Kurs-Buchwert-Verhältnis bei 1,4. Die Bewertung chinesischer Aktien ist bezogen auf den langfristigen Durchschnitt derzeit so günstig wie schon lange nicht mehr. Aus Sicht der Analysten preisen die Notierungen chinesischer Aktien damit bereits die Auswirkungen einer möglichen Rezession in den USA ein. Wie sich die internationalen Turbulenzen in den nächsten Monaten auf die Gewinnentwicklung auswirken werden, ist nur schwer vorherzusagen. Dementsprechend gehen die Erwartungen die kurzfristige Kursentwicklung betreffend weit auseinander. Mittel- bis langfristig orientierten Anlegern bietet sich auf dem aktuellen Niveau jedoch eine attraktive Kaufgelegenheit. Gut gemanagte Fonds oder ETFs auf die großen Indizes sind hierbei erste Wahl.
Immobilien überteuert
Weniger rosig sieht die Lage dagegen am Immobilienmarkt des Riesenreichs aus. Beobachter sprechen in diesem Zusammenhang immer wieder von einer Immobilienblase. Kein Wunder: Laut Deutsche Bank Research sind die Hauspreise im Jahr 2010 im Durchschnitt um 18% und im Jahr 2009 um 25% gestiegen. In einigen Städten lag der Wert sogar bei 34% im Jahr. Auch hier hat die Regierung jedoch bereits reagiert und sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene Maßnahmen ergriffen, um die spekulative Nachfrage zu drosseln und mehr erschwinglichen Wohnraum zu schaffen,“ so die Analysten von Deutsche Bank Research. Diese Maßnahmen scheinen bereits zu greifen: Vor Kurzem nun stellte die Beratungsfirma Dragonomics fest, dass die Immobilienpreise in neun chinesischen Großstädten im April im Vergleich zum Vorjahr um 4,9% gefallen sind. Die Gefahr, dass sich die Konsolidierung zu einem Crash auswächst, besteht nach Auffassung der Analysten von Deutsche Bank Research jedoch nicht. Auch in einer aktuellen Analyse zu den Aussichten der Bauindustrie von Germany Trade & Invest heißt es: „Trotz Unsicherheiten durch Spekulationsblasen im Immobilienmarkt gehen Branchenkenner daher auch für 2011 von einem Produktionswachstum von um die 20% aus.“ Trotz hoher Kursverluste in den letzten Monaten ist daher bei Produkten, die gezielt auf den Immobilienmarkt des Landes setzen, weiter größte Vorsicht geboten.
Neue Reservewährung
Abseits der klassischen Anlagemöglichkeiten war ein direktes Investment in die Währung des Landes bislang kaum möglich. Gerade der Yuan ist aber hochattraktiv. Denn mit der Verschiebung der weltwirtschaftlichen Gewichte, die sich durch die aktuelle Krise nochmals beschleunigen dürfte, nimmt auch die Bedeutung des US-Dollar als Weltleitwährung ab. In diese Richtung äußerte sich beispielsweise die Investment-Legende Marc Faber. Er geht davon aus, dass der US-Dollar weiter gegenüber der chinesischen Leitwährung verlieren wird. Währungsexperten gehen davon aus, dass sich dieser Prozess über mehrere Jahre erstrecken wird, und halten eine Aufwertung von 5% bis 10% pro Jahr für realistisch. Anleger, die von einem Anstieg des Yuan ausgehen, können dies seit Kurzem mittels eines neuen Fonds (WKN: A1JGR4) umsetzen.
Fazit
Lange Jahre hoch gehandelt stehen bei vielen Anlegern derzeit mit Blick auf China die Risiken im Vordergrund. Doch die Inflation dürfte ihren Höhepunkt erreicht haben und das Wachstum stabil bleiben. Neben dem Aktienmarkt ist auch die Währung des Landes attraktiv. Für mutige Anleger ist dies eine interessante Kombination. Der Zeitpunkt für eine Wiederentdeckung des chinesischen Marktes scheint so günstig wie schon lange nicht mehr.