May verliert – kommt nun der weiche Brexit?
„Mit dieser Wahl sollte Theresa Mays Führung ihrer Partei und des Landes zementiert werden und der Europäische Union sollte versichert werden, dass sie es bei den bevorstehenden Brexit-Verhandlungen mit einem starken und stabilen Partner zu tun hat. Doch nichts dergleichen wurde erreicht. Nun steht eine Periode des Durcheinanders bevor. Die Märkte werden entsprechend negativ reagieren. Europa wird mit Bestürzung zuschauen“, berichtet die britische Tageszeitung The Times, und weiter: „Die Folgen für die politische Stabilität, die Großbritannien dringend bräuchte, und für die Brexit-Verhandlungen, die in zehn Tagen starten sollen, können kaum überschätzt werden.“

„Mit dieser Wahl sollte Theresa Mays Führung ihrer Partei und des Landes zementiert werden und der Europäische Union sollte versichert werden, dass sie es bei den bevorstehenden Brexit-Verhandlungen mit einem starken und stabilen Partner zu tun hat. Doch nichts dergleichen wurde erreicht. Nun steht eine Periode des Durcheinanders bevor. Die Märkte werden entsprechend negativ reagieren. Europa wird mit Bestürzung zuschauen“, berichtet die britische Tageszeitung The Times, und weiter: „Die Folgen für die politische Stabilität, die Großbritannien dringend bräuchte, und für die Brexit-Verhandlungen, die in zehn Tagen starten sollen, können kaum überschätzt werden.“
Mit ihrer Ausrufung von Neuwahlen hat Theresa May hoch gepokert und am Ende hoch verloren. Die sicher geglaubte Mehrheit für ihre Partei im Parlament ist plötzlich weg. Damit steht nicht nur May selbst sondern ganz Großbritannien vor einem mittelschweren Scherbenhaufen.
Wird es ein harter Brexit? Oder wird Theresa May auf Druck des neuen Koalitionspartners aus Norsirland die harte Linie nicht mehr leisten können? Und wie verlässlich steht ihre eigene Partei zu ihr? Das Handelsblatt kommentiert: „May kann sich keineswegs darauf verlassen, dass ihre eigene Partei immer zu 100 Prozent hinter ihr steht. Die kompromisslose Linie der Politikerin war bereits vor der Wahl umstritten, nun hat die Kritik zugenommen. Und sie wird lauter werden. Viele enttäuschte Parteikollegen machen May für das schlechte Abschneiden ihrer Partei verantwortlich und fordern Konsequenzen. Davor kann sie auch nicht die Unterstützung der DUP schützen.“
May stand bislang für einen Kurs, der mit dem Austritt des Vereinigen Königreichs aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion erhebliche Härten für die Wirtschaft bedeuten würde. Die Premierministerin war bereit, diesen Preis zu zahlen, um die Zuwanderung aus EU-Staaten zu senken und eigenständig Freihandelsabkommen mit Ländern wie den USA abschließen zu können. Ben Kottler, Portfolio Manager bei MFS Investment Management, hält fest: „Der Standpunkt der EU ist, dass Diskussionen über den künftigen Handel mit Dienstleistungen erst beginnen, wenn es Fortschritte gibt: beim britischen Finanzierungsbeitrag an die EU, an der Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland sowie bei den Rechten von EU-Bürgern, die in Großbritannien leben, und den britischen Staatsbürgern, die in der EU sesshaft sind.“
Der Preis für den Brexit
Das britische Pfund allerdings wertete zwischenzeitlich um mehr als zwei Prozent ab, ehe es sich im Anschluss wieder etwas erholte. Derzeit ist ein Pfund Sterling rund 1,27 US-Dollar wert. Im Vergleich zum Acht-Prozent-Einbruch im Zuge der Brexit-Entscheidung im Juni sind die Verluste aber als moderat anzusehen. Ebenfalls nach unten um je drei Prozent ging es für die Aktien von Lloyds und der Royal Bank of Scotland. Auch Bayclas-Papiere verloren mit 1,5 Prozent leicht an Wert. Diese Verluste dürften hauptsächlich daher rühren, dass jene Titel stark von einer Konjunkturabkühlung betroffen wären. Wenig verwunderlich waren im Allgemeinen Aktien mit Fokus auf den britischen Markt kurz nach Bekanntwerden des Wahlausgangs nicht die beliebtesten Titel.
„Großbritannien wird einen hohen wirtschaftlichen Preis für die Brexit-Entscheidung zahlen, der sich durch die Wahlen weiter vergrößern wird“, erklärte Michael Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, bereits vor der Wahl. Fürwahr, eine gute Prognose! Ein wirtschaftlicher Preis in unbestimmter Höhe dürfte auch auf die deutschen Unternehmen zukommen. Denn die Unsicherheiten nehmen zu, die Rezessionsgefahr auf der britischen Insel ist nicht von der Hand zu weisen. Für Deutschland ist Großbritannien immerhin der drittgrößte Exportmarkt, womit das Ausscheiden aus dem Binnenmarkt mit möglichen Zollschranken, die errichtet werden könnten, ein Schreckgespenst darstellte – vor der Wahl. Nach der Wahl erscheint es sogar möglich, das am Ende der Brexit ganz abgeblasen wird.
Finanzmärkte: der Wahlausgang schockt niemanden
Zunächst und zugleich hoffen die Akteure am Handelsplatz Frankfurt aber auf Vorteile durch den Brexit. Ben Kottler bestätigt: „Dublin, Luxemburg und Frankfurt würden wahrscheinlich einige der Arbeitsplätze anziehen, die aus der britischen Hauptstadt abziehen könnten. Aber wir fragen uns, ob überhaupt irgendeine Stadt oder ein Land Londons Rolle als Finanzhauptstadt übernehmen möchte, angesichts der enormen Regulierungsinfrastruktur – ganz zu schweigen von den systemischen Risiken – die damit einhergehen würden.“ Eine berechtigte Frage! Und die Antwort könnte die europäischen Konkurrenten Ironischerweise könnte am Ende New York profitieren – mehr als jede der europäischen Alternativen – weil die US-Investmentbanken Jobs aus London zurück in ihr Hauptquartier holen könnten.“
Die Märkte blieben hinsichtlich dieses unvorhergesehenen Wahlausgangs überraschend ruhig, zeigten sich mehrheitlich unbeeindruckt. Der deutsche Leitindex DAX, wie auch die Börsen in Asien und den USA lagen sogar recht schnell im Plus. Genauso der britische FTSE-Index. Es scheint, als wäre man nach einem Jahr mit Brexit-Entscheidung und Trump-Wahl abgehärtet. Wechselbäder gehören inzwischen zum Börsenalltag. Die Wahlen in den Niederlanden: quasi schon vergessen. Die Wahlen in Frankreich: dank Macron wird's schon gutgehen. Der islamische Terror: fast schon ein Hintergrundgeräusch. Die Bundestagswahl: Hoffen auf Merkel. Der Brexit steht erst nächstes Jahr an. Die Unterhauswahl, die Niederlage von Theresa May: am Tag danach schon eingepreist.
Die britischen Aktienmärkte sind ebenfalls robust, der FTSE-Index gewann am Nachwahltag gut ein Prozent. Es klingt fast zynisch: um die Märkte zu erschüttern, bedarf es einer größeren Sache als einer solchen Unterhauswahl in Großbritannien. Der frühere Finanzminister George Osborne fasste sarkastisch zusammen, was die Finanzmärkte so ruhig bleiben lässt: „Der harte Brexit ist heute Nacht in den Mülleimer gewandert.“ sig / OG