Megafusion: Pfizer kaschiert Forschungskrise
Fusionseuphorie in der Pharmabranche: Für bis zu 160 Milliarden Dollar will der US-Gigant Pfizer den irischen Konkurrenten Allergan übernehmen. Damit soll nicht nur wieder der Sprung an die Weltspitze der Medikamentenhersteller geschafft werden, sondern auch die Flucht vor den amerikanischen Steuern. Doch die Rettung ist das für Pfizer nicht. Die Produktschmieden der Amerikaner sind eingerostet.
Fusionseuphorie in der Pharmabranche: Für bis zu 160 Milliarden Dollar will der US-Gigant Pfizer den irischen Konkurrenten Allergan übernehmen. Damit soll nicht nur wieder der Sprung an die Weltspitze der Medikamentenhersteller geschafft werden, sondern auch die Flucht vor den amerikanischen Steuern. Doch die Rettung ist das für Pfizer nicht. Die Produktschmieden der Amerikaner sind eingerostet.
Es steht die nächste Fusion an, und wieder ist es eine von gigantischem finanziellen Volumen. Wie die beiden Konzerne am Donnerstag bestätigten, führen der amerikanische Pharmariese Pfizer und sein irischer Konkurrent Allergan Gespräche über eine neue Megafusion in der Pharmabranche. Insgesamt soll der Deal die Amerikaner wohl 160 Milliarden Dollar kosten. Käme der Deal zustande, reihte er sich ein in die Riege der größten Übernahmen, die jemals getätigt wurden. In diesem Jahr war die bisher größte Fusion die der beiden Bierhersteller Anheuser Busch Inbev und SAB Miller für 108 Milliarden Dollar.
Flucht vor dem amerikanischen Finanzamt
Die bisherigen Anteilseigner von Allergan sollen je Aktie 11,3 Papiere des neuen Unternehmens erhalten. Das entspricht in etwa einem Aufschlag von 30 Prozent im Vergleich zum Allergan-Kurs, bevor die ersten Übernahme-Gerüchte aufkamen. Pfizer-Aktionäre hingegen können unter bestimmten Bedingungen ganz aussteigen und dafür in Bar ausbezahlt werden. Alle anderen bekommen je Aktie einen Anteilsschein des neuen Unternehmens, das auch Pfizer heißen soll. Mit der geplanten Übernahme würde Pfizer das Schweizer Unternehmen Novartis von der Weltspitze verdrängen. So kamen die Amerikaner zuletzt auf eine Marktkapitalisierung von über 200 Milliarden Dollar, das kleinere Allergan auf etwa 119 Milliarden. Mit einem kombinierten Wert von über 300 Milliarden Dollar und einem Umsatz von zusammen 60 Milliarden Dollar wäre das neue Pfizer wieder der weltweite Marktführer in der Pharmabranche.
Für die Amerikaner ist der Deal vor allem steuerlich interessant. Denn formal soll der Kauf so abgewickelt werden, dass das kleinere Allergan mit Sitz in Irland den größeren Konkurrenten Pfizer übernimmt. Somit würde Pfizer dem Griff der amerikanischen Finanzbehörden entgehen und damit kräftig Steuern sparen. Während auf der europäischen Insel nur 12,5 Prozent Unternehmenssteuer fällig werden, sind es in den USA 35 Prozent. Am operativen Ablauf wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach für Pfizer aber nichts ändern. Zwar hatte die Regierung unter US-Präsident Obama erst zuletzt versucht, solche Manöver der Steuerflucht zu unterbinden. Experten glauben aber nicht, dass diese Bemühungen der geplanten Übernahme im Wege stehen werden. Stimmen die Behörden zu, könnte der Deal in der zweiten Jahreshälfte 2016 zum Abschluss gebracht werden.
Die geplante Übernahme ist der vorläufige Höhepunkt einer wahren Fusionsrally. So war Allergan selbst erst vor wenigen Monaten aus dem Zusammenschluss des gleichnamigen US-Pharmakonzerns mit dem irischen Unternehmen Actavis hervorgegangen. Das Volumen damals: 66 Milliarden Dollar. Und der Pillenriese Pfizer ist ohnehin bekannt für seine milliardenschweren Shoppingtouren. Im Jahr 2000 wurde Warner-Lambert für 93 Milliarden erworben, 2002 Pharmacia für 65 Milliarden und 2009 ebenfalls für 65 Milliarden das Unternehmen Wyeth. Für den US-Rivalen Hospira blätterte Pfizer zudem vor wenigen Wochen vergleichsweise bescheidene 15 Milliarden Dollar hin.
Pfizers Produktschmieden sind eingerostet
Die Übernahme von Konkurrenten hat bei Pfizer demnach bereits Tradition. Sie ist allerdings Ausdruck einer seit Jahren anhaltenden Schwäche von Pfizer: Die hauseigenen Produktschmieden scheinen eingerostet. Schon lange ist aus Pfizers Forschungslaboren kein wirklicher Kassenschlager mehr hervorgekommen. Dafür sind die Kosten für Forschung und Entwicklung in die Höhe geschossen und die hohen Hürden bei der Markteinführung belasten die Gewinne. Zusätzlich liefen in den letzten Jahren zahlreiche Patente für vormals umsatzstarke Medikamente aus. Das prominenteste Beispiel ist sicherlich das Potenzmittel Viagra, das seit dem Wegfall des Patents durch zahlreiche Nachahmerprodukte, sogenannte Generika, billige Konkurrenz bekommen hat. Für Pfizer ist das vor allem deswegen problematisch, da sich das Unternehmen der Erforschung und Entwicklung von innovativen Medikamenten verschrieben hat.
Nun muss man sich allerdings schon länger mit dem Zukauf von Konkurrenten behelfen. Im Falle von Allergan kommt insbesondere das Mittel Botox, das in der Schönheitschirurgie für die Glättung von Falten verwendet wird, in das Portfolio von Pfizer mit hinzu. Aber auch Mittel gegen Augenerkrankungen wie Grüner Star und Lidkrämpfe sowie Präparate zur Behandlung neurologischer Erkrankungen und gegen krankhaftes Übergewicht werden das Angebot Pfizers künftig erweitern. Langfristig muss sich das Unternehmen jedoch überlegen, wie zukunftsträchtig der stetige Neueinkauf ist. Ein kleinen Erfolg konnte man zuletzt aber immerhin verbuchen: Zusammen mit Merck aus Darmstadt kam Pfizer auf dem Weg zur Einführung ihres Krebsmittels Avelumab voran. Ohne neue „Blockbuster“ aus den eigenen Laboren könnte es aber selbst für den Branchenriesen in Zukunft eng werden. Selbst wenn man mit der neuen Stellung Synergieeffekte nutzen und Preisvorstellungen besser diktieren kann.
Die Anleger reagierten ob der Übernahmegespräche nervös. Beide Aktien wurden am Donnerstag wegen heftiger Schwankungen vom Handel ausgesetzt. Analysten sehen den Deal hingegen mehrheitlich positiv. Zwar senkte das Analysehaus Independent Research sein Kursziel für Pfizer von 36 auf 35 US-Dollar. Mit Blick auf eine verbesserte Steuerquote, das Synergiepotenzial und die Erweiterung des Produktportfolios und der Medikamenten-Entwicklung sei das Geschäft aber sinnvoll, so Analyst Bernhard Weininger in einer Studie vom Dienstag. Robin Schenkewitz