Neujahrscrash in China – und in Frankfurt?
Bis zum chinesischen Neujahrsfest ist es noch ein Weilchen hin, und deswegen ist das, was am heutigen Handelstag an den Börsen zwischen Peking und Shanghai passierte, kein Neujahrscrash in unserem Sinne. Dennoch sind die Anleger geschockt: vorzeitiger Handelsstopp. Auch der DAX ist tief im Minus, über vier Prozent Verlust stehen zu Buche. Ist die 10.000er-Marke nun in Gefahr?
Bis zum chinesischen Neujahrsfest ist es noch ein Weilchen hin, und deswegen ist das, was am heutigen Handelstag an den Börsen zwischen Peking und Shanghai passierte, kein Neujahrscrash in unserem Sinne. Dennoch sind die Anleger geschockt: vorzeitiger Handelsstopp. DAX tief im Minus? Ist die 10.000er-Marke schon in Gefahr?
Um bis zu 3,7 Prozent schoss die Frankfurter Börse zum Handelsauftakt ins Minus. Damit hagelt es zum Jahresbeginn heftige Verluste in die Kurse der größten deutschen Konzerne. Der Dax büßte fast 400 Punkte ein und stand zuletzt bei nur noch 10.349 Punkten. Von den Kursrutschen waren alle Werte betroffen, am schlimmsten aber BMW (-4,4 Prozent), die Deutsche Bank (-4,2 Prozent) und Fresenius (-4,1 Prozent). Der Grund: Die chinesische Börse hat mit einem Paukenschlag das Handelsjahr eröffnet. Mit einem deutlichen Kursrutsch und einem zeitweise ausgesetzten Handel schockt Shanghai die Weltmärkte.
In welche Richtung der Dax im ganzen Jahr 2016 tendiert, darüber sind sich schon die Börsenexperten uneinig. Die Prognose-Streuung reicht von Rekordwerten – die Helaba traut dem deutschen Leitindex einen Rekordwert von 12.400 Punkten zu – über Stagnation bei knapp 11.000 Punkten (DZ Bank) bis hin zu neuen Tiefständen bei nur 8.500 Punkten (Bankhaus Lampe).
Die anhaltenden Krisen in der Welt treiben die Prognosewerte auseinander. Sorgen bereitete schon 2015 die Konjunktur Chinas – für viele deutsche Unternehmen ein wichtiger Handelspartner. Wenn die Wachstumsrate in Fernost erneut sinkt oder stagniert, dürften das auch Dax-Unternehmen und ihre Börsenkurse zu spüren bekommen. Ein erstes Zeichen in diese Richtung setzt die asiatische Börse am Montag bereits. Der Index der 300 größten festlandchinesischen Unternehmen ist um sieben Prozent gefallen. Bei dem Stopp handelt es sich um einen automatischen Mechanismus, der bei der Sieben-Prozent-Schwelle greift. Der wurde 2016 gerade erst eingeführt – und erhielt gleich zum Auftakt seinen ersten Einsatz.
Sorgen um chinesische Industrieproduktion
Ausgelöst wurden die hohen Verluste unter anderem durch einen schwächer als erwarteten Bericht über die Lage der Unternehmen in China. Die Industrieproduktion schrumpfte im Dezember den zehnten Monat in Folge. Die Kurse belastete zudem der verschärfte Konflikt im Nahen Osten zwischen Saudi Arabien und Iran. Der wichtige Hang-Seng-Index in Hong Kong verlor am Montag 3,1 Prozent.
Die Angst vor einer deutlich geringeren Nachfrage des Top-Rohstoff-Konsumenten China hat auch dem Kupferpreis zugesetzt. Das Industriemetall verbilligte sich am Montag in der Spitze um 1,5 Prozent auf 4635 Dollar je Tonne. Im vergangenen Jahr ist der Preis um gut 25 Prozent eingebrochen.
Doch auch Sorgen um die europäische Konjunktur sowie die Folgen der US-Zinswende sind Zeichen für ein eher turbulentes Börsenjahr in Frankfurt. Der gestiegene US-Leitzins dürfte generell zwar mehr Anleger in den US-Raum ziehen. Dennoch liegt auch hier eine Chance: Der Dollar ist gegenüber dem Euro so stark wie schon lange nicht mehr. Für exportintensive deutsche Unternehmen wie Bayer oder Beiersdorf sind das durchaus gute Nachrichten: Dank vieler Geschäfte im Dollar-Raum erwirtschaften sie allein durch den Wechselkurs satte Gewinne. Bei Bayer etwa betrug etwa das Umsatzplus im dritten Quartal 2015 elf Prozent – währungsbereinigt allerdings nur zwei Prozent.
Um Anleger stärker in Aktien zu halten, beteiligen Dax-Konzerne 2016 ihre Anteilsinhaber so stark wie nie zuvor. Mit 30 Milliarden Euro zahlen allein die Dax-Unternehmen zwischen Januar und Juni so viel Dividende wie nie zuvor. Insgesamt schütten deutsche Unternehmen rund 45 Milliarden Euro als Dividende aus.
Positiv stimmen dürfte den Dax-Kurs auch ein weiterer Ausblick: Im Gegensatz zur Notenbank der USA, wird die EZB im Euroraum wohl nicht so bald die Zinsen erhöhen. Die Renditechancen von festverzinsten Vermögenspapieren bleiben damit niedrig. Das macht Aktien umso attraktiver. Handelsblatt / Matthias Streit / rtr