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Nun auch Daimler: Abgas-Ärger, Aktien-Sturz

Die US-Untersuchung wegen angeblich überhöhter Abgaswerte und ein Gewinnrückgang überschatten die Quartalsbilanz von Daimler. Hohe Anlaufkosten für die neue E-Klasse haben den Gewinn gedrückt. Die Aktie stürzt um fast sieben Prozent ab und nimmt die VW-Papiere, die gestern noch haussierten, mit auf die Verliererstraße. Um fünf Milliarden Euro sank der Börsenwert der Daimler-Papiere innerhalb weniger Stunden, die Marktkapitalisierung fiel auf etwas mehr als 66 Milliarden Euro. Was ist dran an den Vorwürfen gegen Daimler?

BÖRSE am Sonntag

Die US-Untersuchung wegen angeblich überhöhter Abgaswerte und ein Gewinnrückgang überschatten die Quartalsbilanz von Daimler. Hohe Anlaufkosten für die neue E-Klasse haben den Gewinn gedrückt. Die Aktie stürzt um knapp sieben Prozent ab.

Schwache Quartalszahlen und Ärger mit den US-Behörden: Der Autobauer Daimler gerät in der Abgasaffäre zunehmend in Erklärungsnot. Die Stuttgarter meldeten in der Nacht zum Freitag, dass sie nach Aufforderung des US-Justizministeriums eine „interne Untersuchung des Zertifizierungsprozesses“ in Bezug auf Abgasemissionen in den USA durchführen. „Wir kooperieren vollumfänglich mit den Behörden“ betonte Finanzvorstand Bodo Uebber am Morgen in einer Telefonkonferenz. Etwaigen Hinweisen auf Regelverstößen werde das Unternehmen konsequent nachgehen und die erforderlichen Maßnahmen treffen.

Daimler hat im ersten Quartal trotz eines Umsatzanstiegs deutlich weniger verdient als vor Jahresfrist. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) sei gegenüber dem Vorjahreszeitraum um neun Prozent auf 2,68 Milliarden Euro gesunken, teilte der Dax-Konzern am Freitag mit. Das unbereinigte Ebit ging noch stärker zurück um gut ein Viertel. Als Grund nannte Daimler Absatzrückgänge bei S- und E-Klasse. Der Konzernerlös kletterte von Januar bis März dagegen um zwei Prozent auf 35 Milliarden Euro.

Für den weiteren Geschäftsverlauf zeigte sich Vorstandschef Dieter Zetsche zuversichtlich: „Im Jahresverlauf werden wir uns kontinuierlich verbessern und 2016 zu einem weiteren Erfolgsjahr für Daimler machen“, erklärte er. Die Modelloffensive gehe mit unvermindertem Tempo weiter. Er hatte bereits auf Belastungen durch den Modellwechsel bei der Mercedes E-Klasse, Wechselkurseffekte und das schwächere Lkw-Geschäft hingewiesen.

Gewinneinbruch beim Vorzeige-Autobauer

Der Nettogewinn brach um knapp ein Drittel ein auf 1,4 Milliarden Euro, obwohl es das absatzstärkste erste Quartal für Daimler war. Das lag unter anderem an hohen Investitionen und Steuerzahlungen. Die Aktien von Daimler brachen am Freitagmorgen um 5,5 Prozent ein. Der Markt war bereits auf schwächere Ergebnisse zum Jahresauftakt eingestellt - zumal Daimler im vergangenen Jahr kräftig zweistellig gewachsen war und die Vergleichsbasis damit hoch ist. Von Reuters befragte Analysten prognostizierten im Schnitt ein bereinigtes Ebit von 2,6 Milliarden Euro und einen Nettogewinn von 1,6 Milliarden bei einem Umsatz von 36 Milliarden Euro.

Die Schwäche im Pkw-Geschäft riss das Quartalsergebnis herunter. Der bereinigte Vorsteuergewinn lag mit 1,4 Milliarden Euro ein Fünftel unter dem Vorjahresniveau. Die Rendite war mit 7,1 Prozent zwei Prozentpunkte niedriger und rangierte damit deutlich unter der von Zetsche angestrebten Marke von zehn Prozent, die Mercedes-Benz im vergangenen Jahr zwei Quartale lang geschafft hatte.

Neben dem Bremseffekt im Pkw-Geschäft macht Zetsche auch ein schwaches Nutzfahrzeuggeschäft zu schaffen. Der Absatz sank von Januar bis März, da der US-Markt nach starkem Wachstum den Rückwärtsgang einlegte und Brasilien in der Krise auf Talfahrt blieb. Die Jahresprognose von Daimler Trucks eines operativen Gewinns auf Vorjahresniveau wackelt.

Schlechte Nachrichten aus China

Zu kämpfen hat Mercedes auch auf seinem nach China zweitwichtigsten Einzelmarkt, den USA, wie Stuart Pearson von Exane BNP Paribas schreibt. Der Mercedes-Absatz lag dort im ersten Quartal drei Prozent unter Vorjahr, beim Erzrivalen BMW war das Minus mit fast elf Prozent noch heftiger. Daimler kann Pearson zufolge die hohe Nachfrage nach SUV wegen Engpässen in der Produktion des GLC noch nicht befriedigen, während die Limousinen der S-, E- und C-Klasse nur mit reichlich Rabatt verkauft werden können. Der Preiskampf mit Audi und BMW werde sich noch verstärken, da die Konkurrenten aus Bayern mit den Neuauflagen ihrer wichtigen Modelle A4 und 5er BMW punkten könnten.

Daimler bekräftigte die Jahresziele für den gesamten Konzern: Der Absatz soll erneut deutlich steigen, wenn auch etwas langsamer als im vergangenen Jahr. Das Ebit aus dem laufenden Geschäft will Daimler „leicht“ steigern, was in Zahlen 2,5 bis zehn Prozent bedeutet. Das zweite Halbjahr werde besser laufen, bekräftigte der Daimler-Chef erst kürzlich auf der Hauptversammlung. Dann rollt der Verkauf der neuen E-Klasse und einiger Varianten wie etwa des S-Klasse-Cabrios an. Die neuen Geländewagen von Mittel- bis Luxusklasse erleben ihr erstes vollständiges Verkaufsjahr. „Viele sagen, damit ist der Höhepunkt im Modellzyklus erreicht“, sagt Klaus Breitenbach, Analyst bei der Baader Bank. Wenn das erste Quartal ein Ausrutscher bleibe, werde Mercedes-Benz Cars in diesem Jahr zehn Prozent Rendite erreichen und zusammen mit einem Rekordabsatz auch das Ziel, erstmals seit 2005 wieder größter Premiumhersteller weltweit vor BMW und Audi zu werden. Doch schon im kommenden Jahr könnten die Münchner die Stuttgarter wieder vom Thron vertreiben. Branchenexperte Breitenbach ist sich sicher: „BMW wird vor allem mit dem neuen 7er aufholen.“

Und nun auch noch die USA

Belastungen drohen dem Autobauer auch durch die Untersuchung der US-Behörden. Die Anordnung aus Washington folgt auf Sammelklagen von US-Autobesitzern, die dem Hersteller illegal überhöhte Emissionswerte vorwerfen. Daimler hat die Anschuldigungen bislang stets entschieden zurückgewiesen. Nun räumte der Konzern ein, bereits am 15. April 2016 unter Hinweis auf strenge Vertraulichkeit von der US-Justiz aufgefordert worden zu sein, den Zertifizierungs- und Zulassungsprozess in Bezug auf Abgasemissionen in den USA durch eine interne Untersuchung in Abstimmung mit den US-Ermittlern überprüfen zu müssen.

Die Meldung der verschärften Untersuchung kam wenige Stunden, nachdem Konkurrent Volkswagen eine milliardenschwere Einigung wegen Abgasverstößen vor einem Gericht in San Francisco verkündete. Zwar ist Daimler anders als Volkswagen nicht wegen des Einsatzes illegaler Software überführt. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat zudem wiederholt betont, dass Daimler nicht manipuliert haben.Aber die US-Behörden haben offenbar genug Verdachtsmomente, um die Stuttgarter zu einer bedingungslosen Zusammenarbeit zu zwingen. Daimler sieht sich zudem Sammelklagen von US-Autobesitzern ausgesetzt, die bei ihren Dieselmotoren zu hohe Stickoxid-Emissionen vermuten. „Wir halten die Sammelklagen für unbegründet und werden uns mit allen juristischen Mitteln dagegen wehren“, betonte Uebber den Standpunkt des Konzerns.Wie gefährlich die Untersuchung für Daimler wird, ist noch offen, der Konzern will keine weiteren Details bekanntgeben. Anders als Volkswagen hat Daimler Erfahrungen mit Ermittlungen von US-Behörden, die Amerikaner haben Daimler 2010 wegen Schmiergeldzahlung. Handelsblatt / Markus Fasse