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Ölmarkt: Preisdruck bleibt unverändert hoch

Beim Treffen von Doha konnten sich die Erdölförderstaaten nicht auf eine Produktionsobergrenze verständigen. Den Aktien der Ölkonzerne macht das wenig aus. Ein Unternehmen gewinnt aktuell sogar deutlich. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es langfristig auf den internatrionalen Ölmärkten nur Verlierer gibt. Eine Analyse von Robin Schenkewitz.

BÖRSE am Sonntag

Beim Treffen von Doha konnten sich die Erdölförderstaaten nicht auf eine Produktionsobergrenze verständigen. Den Aktien der Ölkonzerne macht das wenig aus. Ein Unternehmen gewinnt aktuell sogar deutlich. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es langfristig auf den internatrionalen Ölmärkten nur Verlierer gibt.

Allmählich ist es klar: Aus dem andauernden Preiskrieg beim Öl werden alle Beteiligten als Verlierer hervorgehen. Vor allem die Öl-Macht Saudi-Arabien hat sich verspekuliert. Zwar haben die Amerikaner jüngst die weiße Fahne gehisst, doch die Scheichs stecken damit in einer Sackgasse. Dazu kommt: Der größte Feind eines steigenden Ölpreises ist über die Dauer des Konfliktes immer mächtiger geworden.
Es ist ein gefährliches Spiel, das die ölexportierenden Länder aktuell betreiben. Es geht um Macht, Einfluss und nicht zuletzt um Geld. Doch der Einsatz ist hoch: Es stehen nicht nur ganze Staatshaushalte, sondern auch die Weltwirtschaft auf dem Spiel.

In der Spieltheorie ist das Verhalten der Akteure als ein klassisches „Chicken Race“ oder auch „Feiglingsspiel“ bekannt: Vereinfacht geht man davon aus, dass zwei Sportwagen mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zufahren. Gewonnen hat derjenige, der kaltblütig weiterfährt, während der Gegner Angst bekommt und ausweicht. In diesem Szenario hat der Gewinner seine (Markt)-Macht bewiesen und den Gegner in seine Schranken verwiesen. Katastrophal wird das Ganze jedoch, wenn beide Akteure ungebremst aufeinander zufahren. Beide verlieren ihr Leben – das Spiel ist für beide verloren.

Im Falle des Preiskampfs um das Öl fahren nun aber nicht nur zwei Sportwagen aufeinander zu: Es sind mindestens fünf – und keiner ist gewillt, vor den anderen aufzugeben. Dabei schien es Ende Januar erst so, als hätten die Amerikaner kurz vor dem Zusammenprall noch die Kurve bekommen und wären rechtzeitig ausgewichen. Denn die Fracking-Firmen mussten nach Monaten des Beharrens vor dem niedrigen Ölpreis kapitulieren. Die Apache Corporation aus Houston erwartet laut eigenen Angaben, dass die eigene Öl- und Erdgasproduktion 2016 um bis zu elf Prozent fällt.

Auch die Konkurrenten Continental Resources, Whiting Petroleum Corporation und Devon Energy kündigten Kürzungen der Fördermenge zwischen zehn und 15 Prozent an. Nach dem Jahrestief Ende Januar, wo der Ölpreis sogar unter die 30-Dollar-Marke gefallen war, ließen die Ölfirmen das schwarze Gold lieber im Boden, als es für teures Geld an die Oberfläche zu befördern. Anfang März waren nach Daten des Ölservice-Unternehmens Baker Hughes nur noch 489 Bohrtürme in den USA aktiv. Das war nur noch einer mehr als auf dem Allzeittief der 150-jährigen Geschichte amerikanischer Ölförderung.

Saudi-Arabien ruiniert eigenen Haushalt

Damit hatte Saudi-Arabien endlich das erreicht, was es mit der Flutung des Marktes bezwecken wollte: Die unliebsame amerikanische Konkurrenz zu verdrängen. Ganz nebenbei bedeutet der niedrige Ölpreis, dass die Iraner schwerer wieder in den Markt zurückfinden, und das ist ein wichtiges Nebeninteresse der strikt radikal-sunnitischen Saudis: ihre ungeliebten schiitischen Vettern auf Distanz zu halten. Auch die USA haben übrigens Nebenkriegsschauplätze, etwa in Mittelamerika, speziell in Venezuela; aber auch Russland ist hier im Fadenkreuz. Der Ölkrieg ist also multipolar, und jeder big player im weltweiten Poker um den Ölpreis hat, übertragen gesprochen, seinen eigenen Sportwagen, den er ins „Chicken Race“ schickt. Wobei zwischenzeitlich der saudische Wagen der einzige war, der noch nicht akut crashgefährdet war. Ein Etappensieg, sozusagen.

Doch der zwischenzeitliche Vorsprung war für die Saudis teuer erkauft. Über 190 Milliarden Dollar hat der Golfstaat bereits in diesen Ölkrieg investiert. Das liegt vor allem daran, dass der Staatshaushalt und das großzügige Sozialsystem zu einem großen Teil am Tropf der Ölexporte hängen. Diese machen 40 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes aus und sogar 62 Prozent der Staatseinnahmen. Damit trifft der Ölpreisverfall das Land besonders hart. Die hohen Ausgaben Riads sind nicht für einen derart niedrigen Ölpreis ausgelegt. Wie die Beratungsfirma Roland Berger vorrechnet, basieren die Staatshaushalte der Petrostaaten auf einem Ölpreis zwischen 38 und 53 Dollar pro Barrel, je nachdem, wie teuer die Fördermethode ist. Nun kann Saudi-Arabien das schwarze Öl zwar relativ leicht und damit günstig aus dem heimischen Boden holen, dennoch gab es nun einen deutlichen Schuss vor den Bug von der Ratingagentur Moody's.

Denn die Bonitätsprüfer drohen dem Staat damit, seine Kreditwürdigkeit herabzustufen. Damit könnte es den Saudis ähnlich ergehen wie dem Nachbarland Bahrain, dessen Rating Anfang des Monats erst auf „Ramsch“ abgesenkt wurde. Aktuell wird Saudi-Arabien noch mit der viertbesten Note Aa3 bewertet. Doch die Experten bei der Ratingagentur weisen darauf hin, dass der niedrige Ölpreis auf die Bilanzen des Staatshaushalts drücken. Nach Berechnungen von Moody's weist Saudi-Arabien derzeit ein Leistungsbilanzdefizit von zwölf Prozent aus. Das bedeutet, dass die laufenden Ausgaben für Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland das Einkommen der Volkswirtschaft weit übersteigen. Noch ist das für Saudi-Arabien kein Problem. Die Araber verfügen über Devisenreserven in Höhe von 616 Milliarden Dollar. Diese Reserven sind aber allein in den vergangenen zwei Jahren um 130 Milliarden gesunken. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

Ölpreis wird auf Jahre niedrig bleiben

Zwar werden Vertreter wichtiger Förderländer innerhalb und außerhalb der Opec am 17. April in Katar versuchen, über ein Einfrieren der Fördermengen zu verhandeln. Doch das wird langfristig kaum Auswirkung auf den Ölpreis haben – aus mehreren Gründen. So will sich Iran nach eigenen Angaben nicht an den Gesprächen beteiligen. Das Land erhöht seine Fördermenge derzeit sogar drastisch. Iran kehrt nach jahrelangen Sanktionen gerade erst wieder an Weltmarkt zurück. Ölminister Bidschan Sanganeh kündigte an, sein Land werde sich erst an den Gesprächen beteiligen, wenn die eigene Produktion die Marke von vier Millionen Barrel pro Tag erreicht hat, was in etwa der Fördermenge vor den Sanktionen entspricht. Aktuell soll Iran aber erst knapp drei Millionen Barrel pro Tag fördern. Um dieses Plus auszugleichen, müssten andere Anbieter ihre Förderung eigentlich zurückfahren. Doch das hat Saudi-Arabien erst jüngst ausgeschlossen. Dabei ist der Markt schon jetzt von Überproduktion geprägt. Experten zufolge werden täglich ein bis zwei Millionen Barrel pro Tag zu viel produziert. Und die müssen irgendwohin.

Die Lager überall auf der Welt sind zum Bersten voll. Erst in dieser Woche verkündeten die USA einen neuen Rekordstand: Die gesamten Lagerbestände im Land belaufen sich auf 532 Millionen Barrel Rohöl. Das sind 9,4 Millionen Barrel mehr noch als noch in der Vorwoche. Bis Ende des Jahres könnten die gesamten Lagebestände der westlichen Welt laut Zahlen der internationalen Energieagentur auf 3,6 Milliarden Barrel anwachsen. Dabei kostet die Lagerung die Produzenten eigentlich zu viel Geld und hängt wie ein unsichtbares Gewicht an dem internationalen Ölpreis. Denn laut Energieagentur wird es bis zum Jahr 2021 dauern, bis der Überschuss in den Lagern wieder abgebaut ist.

Saudi-Arabiens Machthaber haben sich mit ihrer Strategie in eine Sackgasse manövriert und damit den gesamten Weltmarkt destabilisiert. Die Lagerbestände sind während der Krise in die Höhe geschnellt und machen eine schnelle Lösung unmöglich. Auf Jahre hinaus wird der Ölpreis sich auf einem Niveau zwischen 40 und 50 Dollar pro Barrel einpendeln. Doch das können sich weder die Scheichs noch andere Staaten leisten, die auf die Einnahmen aus den Ölexporten angewiesen sind. Andererseits kann auch ein höherer Ölpreis nicht im Sinne Saudi-Arabiens sein. Denn dann wäre die Fracking-Methode wieder lukrativ, der Preiskampf würde von neuem Beginnen. Der Ruin der Amerikaner ist für die Scheichs damit nicht mehr als ein Pyrrhussieg.

Bliebe noch die Frage nach den Verbrauchern. Sind sie nicht die Gewinner? An der Tankstelle mag es so scheinen. Doch hier dürften alle Hoffnungen zum Scheitern verurteilt sein. Was an der Tanksäule gespart werden kann, fehlt so manchem Anleger als Dividende im Portemonnaie. Und die nächste Benzinpreiserhöhung kommt umso sicherer und drastischer, je länger sie hinausgeschoben wird. Nein, im großen Öl-Spiel sind die Sportwagen gecrasht. Alle Beteiligten stehen als Verlierer da. Robin Schenkewitz