Roche-Aktie: Doch ein Abwärtstrend?
Roche gilt als krisenfest und beglückte jüngst die Anleger mit guten Quartalszahlen. Vor der US-Konjunkturschwäche ist aber auch der Schweizer Pharmakonzern nicht sicher. Die Genussscheine von Roche verloren in der vergangenen Woche deutlich an Wert und zogen den SMI abwärts. Entgegen der Erwartungen der Analysten geht es aktuell weiter steil bergab.
Roche gilt als krisenfest und beglückte jüngst die Anleger mit guten Quartalszahlen. Vor der US-Konjunkturschwäche ist aber auch der Schweizer Pharmakonzern nicht sicher. Die Genussscheine von Roche verloren in der vergangenen Woche deutlich an Wert und zogen den SMI abwärts. Entgegen der Erwartungen der Analysten geht es aktuell weiter steil bergab.
Die Schweizer Börse hat in den vergangenen Monaten einen aufregenden Ritt mit vielen Höhen und Tiefen erlebt. Als die Schweizer Nationalbank (SNB) im Januar die Abkopplung des Franken vom Euro verkündete, reagierten die Börsianer schockiert und flüchteten aus vielen Werten. Mittlerweile hat sich die Lage einigermaßen beruhigt: Der Leitindex SMI konnte sich im Vergleich zu den Ständen vor Januar sogar noch steigern. Vom tiefen Fall der Kurse zu Jahresbeginn war auch der Pharmakonzern Roche betroffen.
Die Baseler können aber generell ein sehr gutes Geschäft vorweisen und sind vom US-Dollar eher abhängig als vom Euro. Der Schweizer Tageszeitung „Blick“ sagte der Vorstandsvorsitzende Severin Schwan im Januar: „Ich bin für die Schweiz zuversichtlich, dass sie den SNB-Entscheid gut verkraftet. Es ist gut, dass der Mindestkurs weg ist, auch wenn es kurzfristig schmerzhaft sein mag. Langfristig sind freie Wechselkurse sinnvoll. Ein ständiger Aufwertungsdruck auf die Währung fördert die Innovation bei den Unternehmen.“
Starke Zahlen im ersten Quartal 2015
Wer in der Pharmabranche Innovation sucht, kommt an Roche nicht vorbei. Der Schweizer Konzern ist weltweit eines der führenden Unternehmen bei Investitionen in Forschung und Entwicklung. Im letzten Jahr reihte sich Roche mit rund 10 Milliarden US-Dollar hinter Volkswagen, Samsung, Intel und Microsoft auf Platz fünf ein – knapp vor Konkurrent Novartis (9,9, Milliarden). Auch an der Börse ist das Traditionsunternehmen ein echtes Schwergewicht, und bestimmt daher häufig die Tendenzen des SMI mit.
Einen Tag vor der Verkündung der ersten Quartalszahlen 2015 deckten sich viele Anleger noch mit Roche-Genussscheinen ein und trieben so Kurs und Index gleichermaßen. Sie wurden nicht enttäuscht: Gemessen an den durchschnittlichen Wechselkursen von 2014 steigerte Roche seine Verkäufe um fünf Prozent auf gut 11,8 Milliarden Schweizer Franken. Den größten Anteil hatte daran die „Division Pharma“ mit 79 Prozent – mit 9,3 Milliarden Franken. Hier findet sich auch der Grund, warum Roche nicht übermäßig unter den neuen Wechselkursen zwischen Euro und Franken gelitten hat. Denn 37 Prozent der gesamten Verkäufe konnte der Konzern in den USA erzielen.
Klare Ausrichtung: Fokus auf Innovation
Besonders Arzneimittel für Onkologie und Immunologie sind gefragt. Roche beschränkt sich auf die Bereiche, die speziell von intensiver Forschung und Entwicklung profitieren. Generika, also Kopien etablierter Medikamente, deren Patentschutz abgelaufen ist, spielen für die einen Schweizer keine Rolle. Für andere schon eher: Die Führungsposition bei Generika zum Beispiel im deutschen Markt überlässt Roche freimütig dem ebenfalls in Basel beheimateten Konkurrenten Novartis. Dabei geht es wohl auch ums Prinzip: Severin Schwan warnt seit langem davor, dass die europäischen Pharmakonzerne ihre Vormachtstellung an asiatische Unternehmen verlieren könnten, die schon jetzt den Markt für Generika aufmischen. Umso wichtiger sei es, unentwegt in die eigene Innovationsabteilung zu investieren und die nachhaltige Entwicklung dem schnellen Profit vorzuziehen.
Dementsprechend freut man sich bei Roche, wenn eigene Produkte erfolgreich starten: In den USA wurde zu Jahresbeginn das Medikament „Esbriet“ zur Behandlung idiopathischer Lungenfibrose zugelassen. Auch für die Krebs-Immuntherapie bietet Roche mehrere Produkte an. Zudem erweiterten die Schweizer ihr Portfolio jüngst mehrfach: Anfang April wurde der Kauf von 56,3 Prozent der Anteile an Foundation Medicine im Rahmen einer strategischen Partnerschaft abgeschlossen. Mithilfe genetischer Methoden ermittelt das amerikanische Unternehmen die optimalen Medikamente für Krebspatienten, über eine Milliarde US-Dollar ließ Roche dafür springen. Weitere Übernahmen stärken den Konzern in Bereichen wie Pränataltests und Diagnose-Forschung.
Schwans Strategie überzeugt
Es ist kaum überraschend, dass Roche den windigen Finanzmärkten trotzen und sich als Branchengigant behaupten kann. Eine ausreichend, aber nicht übertrieben breite Aufstellung scheint der richtige Weg zu sein, und Konzernchef Schwan sitzt fest im Sattel. Die anfänglichen Zweifel an seinen Führungsqualitäten haben sich in den sieben Jahren seiner Amtszeit längst gelegt. In der hektischen Zeit im Januar erwies sich der gebürtige Tiroler als sachlicher und unaufgeregter Manager. Anders als die meisten Faktoren liegt die wirtschaftliche Entwicklung der USA natürlich außerhalb seiner Kontrolle. Weil die Konjunktur dort zurzeit nur schwach im Plus liegt, musste Roche an der Börse deutlich einstecken.
Nur kurz nach den positiven Effekten des Quartalsberichtes verlor der Genussschein 4,8 Prozent an Wert innerhalb von fünf Tagen, bis der Absturz bei 267 Schweizer Franken zunächst stoppte. Vor dem Börsenfeiertag am 1. Mai schloss der Kurs des Papiers dann mit 269,4 Franken und ließ so eine erste Erholung erkennen. Für die Analysten bedeuteten die jüngsten Verluste ohnehin keinen Grund zur Sorge. Sachin Jain von der US-Investmentbank Merrill Lynch beließ die Einstufung für Roche auf „Buy“ mit einem Kursziel von 305 Franken – da würde ein stattlicher Gewinn winken. Langfristig sei vor allem die aggressivere Strategie bei frühzeitlichen Lungenkrebs-Indikationen positiv zu bewerten.
Analysten sind sich einig: Roche-Aktie wird zulegen
Auch im Hause JPMorgan herrscht Optimismus: Richard Vosser bekräftigte die Bewertung als „Overweight“ und hob das Kursziel ebenfalls stark an, nämlich auf 300 Franken. Diese Einschätzungen sind bei der aktuellen Kursrallye nicht selbstverständlich. Doch langfristig hat Roche definitiv das Potenzial, den Erwartungen gerecht zu werden. Nach aktuellem Stand wird der Schweizer Pharmakonzern 2015 seine Prognose einhalten und weiter bei den Verkäufen zulegen. Dass selbst ein Schock wie der SNB-Entscheid im Januar nicht wirklich an Roche rütteln kann, weiß auch Andrew Baum von Citigroup zu schätzen, wenngleich er das Unternehmen auf „Neutral“ belässt. Sein Kursziel liegt ebenfalls bei 300 Franken und soll durch eine Fortsetzung des Positiv-Trends der letzten drei Jahre erreicht werden.
Wenn sich die Analysten derart einig sind, was können Anleger bei Roche dann eigentlich falsch machen? Einzig zu kurzfristige Reaktionen scheinen bei dieser Aktie unangemessen. Natürlich ist das Papier trotz seines jüngsten Einbruchs kein Schnäppchen, aber es spricht kaum etwas für einen anhaltenden Negativtrend. Die wichtigsten Faktoren für das Kerngeschäft von Roche sollte man dennoch im Blick behalten. Entwickelt sich die US-Wirtschaft weiterhin schleppend und bleibt der Franken eine derart starke Währung gegenüber dem Euro, könnte sich die Bilanz der Baseler doch eintrüben.
Marius Mestermann