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Das nachhaltige Rohstoff-Dilemma

Das Klimaziel der EU sieht vor, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Hierfür ist ein gewaltiger Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig. Die erforderliche Produktion von Windrädern, Elektroautos und Solaranlagen wird die Nachfrage nach einer Vielzahl von Rohstoffen, insbesondere sog. „grünen“ Metallen, in den nächsten Jahren explodieren lassen.

(Foto: RWE)

Das Klimaziel der EU sieht vor, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Hierfür ist ein gewaltiger Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig. Die erforderliche Produktion von Windrädern, Elektroautos und Solaranlagen wird die Nachfrage nach einer Vielzahl von Rohstoffen, insbesondere sog. „grünen“ Metallen, in den nächsten Jahren explodieren lassen.

Von Dr. Manfred Schlumberger, Leiter Portfoliomanagement bei Starcapital

Diese Rohstoffe müssen verbunden mit enormen Kosten und Umweltschäden aus dem Boden geholt werden. Während der regulatorische Druck zu mehr ESG-Konformität hohe Geldsummen in den Ausbau der erneuerbaren Energien lenkt, stehen die Minenbetreiber dagegen unter dem Druck der Investoren, einen „nachhaltigen“ Abbau der Rohstoffe zu betreiben: Ein schier unlösbares Dilemma!

Mit Sicherheit kann man heute nur sagen, dass die Energiewende die Preise für Metalle wie Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium oder seltenen Erden unter heftigen Schwankungen, aber nachhaltig und langfristig steigen lassen wird.

Der Rohstoffbedarf von Elektroautos und Windrädern

Ein Elektroauto benötigt zwischen 150 und 250 Kilogramm der mineralischen Rohstoffe wie Kupfer, Nickel, Graphit, aber auch Mangan, Lithium und Kobalt. Die Menge an Kupfer, die in batteriebetriebenen E-Autos verbaut wird, ist siebenmal höher als die Menge, die für einen Verbrenner benötigt wird. Aktuell steht die Elektromobilität für weniger als 2% der globalen Kupfernachfrage. Bis 2030 wird sich der Bedarf verdoppeln und der Anteil auf über 10% ansteigen. Der Kupferabbau findet primär in ärmeren Regionen der Erde statt, insbesondere in Afrika und Lateinamerika. Hierfür sind enorme Mengen an Strom und Wasser erforderlich. Der Abbau von Kupfer hinterlässt bisher stets eine nachhaltig zerstörte Natur.

Windräder brauchen neben Kupfer noch Stahl, Zement, Zink und Aluminium. Eine einzige Windkraftanlage verschlingt fast 70 Tonnen Kupfer. Zur Gewinnung dieser Menge an Kupfer sind Erdbewegungen von rund 50.000 Tonnen notwendig. Ein Elektroauto wie der Tesla Modell S verbraucht so viel Lithium wie 10.000 Handys. Der Bedarf an dem Batteriemetall Lithium soll sich bis 2040 mit dem Faktor 42 vervielfachen.

Die Abhängigkeit von einigen Rohstoffländern

Rund die Hälfte des globalen Rohstoffbedarfs entfällt auf China. Bei einer Reihe von Metallen wie Lithium oder den seltenen Erden ist China das größte Förderland. Die meisten Rohstoffe muss es jedoch importieren. Hierzu hat China in den letzten Jahrzehnten systematisch Kreditverträge mit wichtigen Rohstoffländern in Afrika und Lateinamerika abgeschlossen und sich damit den Zugriff auf deren Rohstoffe gesichert, während der Westen Milliarden in sinnlosen Kriegen im Nahen und Fernen Osten verpulvert hat.

Deutschland könnte einen erheblichen Teil seines Metallbedarfs im eigenen Land decken: Undenkbar aber für den Großteil der „grünbewegten“ Bevölkerung! Schließlich haben wir schon genügend Windräder in der Landschaft herumstehen und wollen die Natur in Deutschland nicht noch weiter verschandeln. Ähnlich schizophren ist unser Verhältnis zur Stromproduktion. Die letzten Atomkraftwerke schalten wir in Kürze ab und auch unsere größten CO2-Schleudern, nämlich unsere Kohlekraftwerke, wollen wir aus guten Gründen zeitnah stilllegen. Wo soll dann der Strom herkommen? Der Ausbau der Erneuerbaren mit allen ihren beschriebenen negativen Umwelteffekten stockt und wir benötigen für die sonnen- und windarmen Zeiten mehr Erdgas wie jemals zuvor. Dies zwingt uns in eine noch größere Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Zu allem Überfluss möchte ein Teil der künftigen Regierungskoalition aus moralischen Gründen „Nordstream2“ nicht in Betrieb nehmen. Dummerweise sitzt nicht Putin, sondern wir selbst auf dem Ast, den manche Politikerinnen absägen wollen.

Das Dilemma der Minen- und Ölkonzerne

Nach der „Lockdown“-Phase der Pandemie steigt weltweit die Energienachfrage. In ihrer Verzweiflung muss die chinesische Führung nicht nur temporär immer wieder den Strom abstellen, sondern auch die Kohleförderung im eigenen Land massiv hochfahren und auf dem Weltmarkt fossile Energieträger wie Öl, Gas und Kohle aufkaufen. Entsprechend sind die Preise für diese „schmutzigen“ Energieträger kräftig gestiegen. Während in den letzten Jahren die US-Frackingindustrie bei steigenden Ölpreisen ihre Produktion massiv hochgefahren hat, fällt diese Reaktion heute deutlich schwächer aus. Die Frackingunternehmen stehen unter erheblichem Druck von Investoren und der Regierung, ihre unbestritten umweltschädliche Ölgewinnung zugunsten alternativer Energien zu drosseln. Gleichzeitig weiß die OPEC (+ Russland) ihre neu gewonnene Marktmacht durch größere Förderdisziplin zu nutzen. Folgerichtig steigt der Ölpreis.

In dem oben beschriebenen Dilemma zwischen steigender Nachfrage und dem Druck zur Angebotsverknappung befinden sich alle Energie- und Minenkonzerne. Sie können und wollen ihre Produktion nicht wie in der Vergangenheit bei steigenden Preisen schnell hochfahren („Schweinezyklus“). Stattdessen drosseln sie ihre Investitionen und leiten einen Teil davon in Projekte für erneuerbare Energien um. Ihren Cash Flow schütten sie lieber in Form von Dividenden oder Rückkäufen an die Aktionäre aus.

Dieses strukturelle Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage lässt die Preise für Energie und die grünen Metalle langfristig weiter steigen oder zumindest auf einem hohen Niveau verharren. In den letzten Monaten haben wir bei einigen Rohstoffen heftige Korrekturen gesehen. Verantwortlich hierfür waren teilweise spekulationsgetriebene Exzesse, andererseits die Erwartung sinkender Nachfrage aus China infolge der dort zu erwartenden weiteren konjunkturellen Abschwächung. Solche Nachfrageschwankungen werden auch in Zukunft zu entsprechender Volatilität bei den Rohstoffpreisen führen, ohne jedoch an dem strukturellen Angebotsdefizit etwas zu ändern.