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Gold im freien Fall: Immer noch eine Krisenwährung?

Seit Mitte April kennt der Goldpreis nur eine Richtung: nach unten. Inzwischen ist das Edelmetall günstig wie seit über einem Jahr nicht mehr. Das derzeit von einigen bestehenden und vielen möglichen Konflikten umgebene Marktumfeld spricht zwar für Anlagen in sichere Häfen, doch ausgerechnet der des Goldes wird kaum angefahren. Hat das Edelmetall als Krisenwährung ausgedient?

BÖRSE am Sonntag

Seit Mitte April kennt der Goldpreis nur eine Richtung: nach unten. Inzwischen ist das Edelmetall günstig wie seit über einem Jahr nicht mehr. Das derzeit von einigen bestehenden und vielen möglichen Konflikten umgebene Marktumfeld spricht zwar für Anlagen in sichere Häfen, doch ausgerechnet der des Goldes wird kaum angefahren. Hat das Edelmetall als Krisenwährung ausgedient?

Mit knapp zehn Prozent Verlust in nur drei Monaten ist Gold inzwischen so günstig wie seit über einem Jahr nicht mehr. Eine Feinunze kostete vergangene Woche im Tief nur noch 1.220 Dollar. Umgerechnet in die hiesige Währung bekam man sie mit 1.050 Euro sogar so günstig wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr. Auch manch Bergbaukonzern rutschte damit einhergehend an der Börse in die Tiefe. Die Aktie von Glencore beispielsweise hat seit Jahresbeginn nun schon fast 20 Prozent an Wert verloren, für das Papier von Newcrest Mining ging es um rund 16 Prozent bergab. Ebenso einen Dämpfer gab es mit Blick auf passive Gold-Indexfonds, deren Anlagesumme jüngst ein Jahrestief markierte.

Nun schwankt der Goldpreis seit Jahren kräftig, Talfahrten wie die jetzige kamen in regelmäßigen Abständen immer wieder vor. Es handelt sich bei einem Investment in das Edelmetall eben auch immer um eine Spekulation. Schließlich legt ein Rohstoff keine Geschäftszahlen vor oder kann neue Märkte erschließen. Er kann zwar knapp werden, doch gerade der Goldpreis orientiert sich traditionell wenig an der Verfügbarkeit des ihm zugrunde liegenden Metalls. Seine Kursentwicklung hängt zu einem Großteil schon immer und viel mehr vom Treiben an den Finanzmärkten ab, orientiert sich mehr an globaler Geld- und Wirtschaftspolitik, Währungsschwankungen und Konjunkturaussichten. Und gilt fast schon seit Anbeginn der Zeit als relativ sicheres Wertaufbewahrungsmittel, das in der Lage ist Krisen und Kriege zu überstehen, während Papiergeld, Versicherungen, Anleihen und Co. allzu oft – schwups – entwertet wurden.

Warum nützen die Strafzölle dem Gold nicht?

Umso erstaunlicher ist der momentane Preisverfall des Edelmetalls. Mit Blick auf die derzeitige Situation an den Märkten müsste der Gold-Kurs eigentlich in die andere Richtung schwanken. Ob nun die Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China oder das sich zumindest anbahnende Ende der ultralockeren Geldpolitik dies- und jenseits des Atlantiks stellen unkalkulierbare Risiken dar. Ebenso wie die politische Situation in Europa, allen voran die in Italien. Man kommt als Anleger eigentlich nicht umhin spätestens bei genauerem Hinsehen eine ganze Reihe sich auftürmender Konjunkturrisiken zu vernehmen. Viele Experten und Analysten warnten in Bezug darauf zuletzt wiederholt vor möglicherweise zu hohen Bewertungen am Aktienmarkt. Vereinzelt fanden deutliche Crash-Warnungen den Weg an die Öffentlichkeit. Große Hedgefonds wie Bridgewater shorteten reihenweise Aktien europäischer Konzerne. Für eine Krisenwährung, als die Gold ja bekanntlich gilt, könnte es wahrlich schlechter aussehen.

Anleger jedoch scheint das (noch) nicht zu verschrecken. Den führenden US-Technologieindex NASDAQ100 jagten sie vor kurzem auf ein neues Rekordhoch. Dax und Dow Jones präsentieren sich zwar schwankungsanfällig, haben sich von ihren Tiefs nach den heftigen Turbulenzen in den ersten Monaten des laufenden Jahres aber ebenfalls erholt. Die Immobilienmärkte boomen weiter, selbst der Bitcoin steigt wieder. Die Anleihenmärkte performen solide. Nur das goldene Metall will einfach keiner kaufen.

„Das Rätsel, warum Gold in der aktuellen Gemengelage nicht profitiert, wird für uns von Tag zu Tag größer“, schreiben daher selbst die Experten der Commerzbank. Wo der Verkaufsdruck seit Wochen herkomme, lasse sich nicht eindeutig sagen, analysieren sie. Man gehe davon aus, dass die Marke von 1.200 Dollar getestet werde. Auf diesem Niveau wiederum könnten sich dann „Schnäppchenjäger“ finden, die den Preisrückgang aufhielten.

Das spricht gegen einen steigenden Goldpreis

Gut möglich aber auch, dass der Preis für den wertvollen Rohstoff noch weiter fällt. Denn auch wenn zunächst erstaunlich, gibt es bei genauerem Hinsehen durchaus Gründe für sinkende Preise. Zum einen wären da die bereits genannten Aktienmärkte, die vor allem in den USA immer noch gut bis sehr gut laufen. Die laufende Berichtsaison könnte nun sogar nochmal für mehr Schwung sorgen. Zuvorderst im Technologie-Sektor sprudeln die Umsätze und Gewinne. Darüber hinaus kaufen viele US-Konzerne dank Donald Trumps Steuerreform derzeit Aktien für hunderte Milliarden Dollar zurück. Das freilich stützt die Kurse.

Hinzu kommt – vielleicht als wichtigster Faktor – der starke Dollar. Die US-Währung stieg zuletzt spürbar im Wert, unter anderem, da FED-Chef Jeremy Powell signalisierte die Zinsen nicht allzu schnell anheben zu wollen, um die derzeit gut laufende Konjunktur nicht zu gefährden. Ist der Dollar stark, ist das traditionell schlecht für den Goldpreis, da die Währung vielen Anlegern dann als der zunächst sicherere Hafen gilt. Als neuer Konkurrent kommen diesbezüglich nun auch vermehrt Kryptowährungen wie der Bitcoin ins Spiel. Der ist inzwischen wieder 8.000 Dollar wert, Ende Juni waren mit 6.000 Dollar noch 25 Prozent weniger. Es scheint, als wären die Digital Coins als Krisenwährung für den Moment ein Stück populärer als das traditionelle Edelmetall. Darüberhinaus haben China und Indien jüngst ihre Gold-Importe zusammengestutzt, die Zentralbanken kaufen kaum zu, die Türkei verkaufte sogar, um die eigene Währung zu stabilisieren. Es sieht also auch nicht gerade nach einem „Run“ auf physisches Gold aus.

Und charttechnisch hat der Goldpreis inzwischen die 200-Tage-Linie nach unten durchbrochen und sie in der Folge nach unten gedreht. Darin kann man – wenn man will – einen sich verfestigenden negativen Trend erkennen. Da nun auch die Unterstützung bei 1.240 Dollar gebrochen ist, könnten die 1.200 Dollar – wie von der Commerzbank erwartet – tatsächlich bald getestet werden. Kurzfristig könnten auch die Terminmärkte einen Preisverfall beschleunigen. In der vergangenen Woche stiegen mit Blick auf die großen Player die Short Positionen deutlich, während die Netto-Long-Positionen um fast 30 Prozent zurückgingen.

Das spricht für einen steigenden Goldpreis

Viel scheint da zunächst nicht mehr übrig, was für einen bald wieder steigenden Goldpreis sprechen könnte. Unter anderem jedoch machen die US-Realzinsen Hoffnung. Die Inflationsrate liegt in den USA mit 2,9 Prozent derzeit deutlich über dem Leitzins von zwei Prozent. In der Folge sind die Realzinsen negativ. Gold müsste daraufhin für risikoscheue Anleger eigentlich eine gute Alternative zu Aktien sein, um sich gegen Kaufkraftverluste abzusichern. Erhöht jedoch die FED die Zinsen – und langfristig bleibt das der Plan – und schwächt sich das Wirtschaftswachstum wie erwartet in den nächsten Jahren ab, könnten die Realzinsen schnell wieder positiv werden. Das spräche dann eher gegen den Gold-Kauf.
Und so bleibt als großes Pro fast nur noch der nun vergleichsweise niedrig stehende Kurs übrig.

Eskaliert der Handelskonflikt zwischen den USA, China und dem Rest der Welt noch weiter, kommt es vielleicht zu einer erneuten Verschärfung der Euro-Krise, bricht China durch milliardenschwere Zölle am Ende ein Teil des Wirtschaftswachstums weg und stürzt womöglich in eine schwere Schuldenkrise, dürfte der Goldpreis steigen. Auch wenn es inzwischen eine Reihe alternativer Krisenwährungen gibt. Doch wann es wo und wie kracht, das konnte noch nie und kann auch heute nicht vorhergesagt werden.

In Gold investieren: Ja oder Nein?

Sollten Anleger nun in Gold investieren, oder nicht? „Ja“, glaubt Incrementum-Analyst Ronald Stöferle. „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, denn beim Gold sollte man antizyklisch agieren.“, sagte er im Interview mit Börse Online. Die Stimmung am Goldmarkt sei diversen Stimmungsindikatoren nach derzeit grundsätzlich extrem negativ. Historisch gesehen seien solche Niveaus immer hervorragende Zeitpunkte zum Kauf gewesen, so der Experte weiter. Gleichzeitig warnen die Analysten der Citigroup jedoch weiter vor dem starken Dollar. Dieser könne dem Goldpreis kurzfristig weiter zusetzen. Wenn der Handelsstreit erneut an Schärfe gewinne und zum Risiko für das weltweite Wirtschaftswachstum wie auch für die jahrlange Hausse an den Börsen werde, könnten Anleger jedoch wieder zugreifen.

Sollten Anleger dann weiterhin lieber in Immobilien, Kryptowährungen und in Aktien großer Tech-Konzerne „Schutz“ suchen wäre zumindest die Ausgangsfrage geklärt und Gold seinen Status als sicherster aller sicheren Häfen erstmal los. Er könnte ihn sich aber auch zurückerobern. Und damit lässt sich mit Gold derzeit vor allem eines: wunderbar spekulieren.

Oliver Götz