RWE-Aktie crasht abermals
Für den gebeutelten Energiekonzern RWE, einstige Ruhrgebiets-Melkkuh und die Vermögensversicherung vieler westdeutscher Städte, wird es immer schlimmer. Erneut meldet RWE einen deutlichen Gewinnrückgang. Dazu protestieren Umweltaktivisten heute gewalttätig am Tagebau Garzweiler. Die Aktie wird in dieser Woche um rund 15 Prozent heruntergehandelt.

Für den gebeutelten Energiekonzern RWE, einstige Ruhrgebiets-Melkkuh und die Vermögensversicherung vieler westdeutscher Städte, wird es immer schlimmer. Erneut meldet RWE einen deutlichen Gewinnrückgang. Dazu protestieren Umweltaktivisten heute gewalttätig am Tagebau Garzweiler. Die Aktie wird in dieser Woche um rund 15 Prozent heruntergehandelt.
Im ersten Halbjahr musste RWE beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) einen Rückgang um sieben Prozent auf 3,2 Milliarden Euro verkraften. Das - um Sondereffekte bereinigte - Nettoergebnis sank um 28 Prozent auf 543 Millionen Euro. Dabei war der Umsatz mit 25,1 Milliarden Euro nahezu stabil geblieben. RWE machte in erster Linie den „fortgesetzte Margenrückgang in der konventionellen Stromerzeugung“ dafür verantwortlich.
Ähnlich hatte sich am Tag zuvor auch Eon geäußert. Das ist kein Zufall. Die deutschen Energieriesen kämpfen in ihrem bisherigen Kerngeschäft Seite an Seite mit der Energiewende und den drastischen Verwerfungen auf dem Energiemarkt. Die großen Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke werden durch die boomenden erneuerbaren Energien, die vorrangig ins Netz gespeist werden, zunehmend aus dem Markt gedrängt. Im Terminmarkt wird eine Megawattstunde Strom, die kommendes Jahr geliefert werden soll, für gerade noch 30 Euro gehandelt. Vor drei Jahren waren es 20 Euro mehr. Entsprechend sind die Gewinne in der Stromerzeugung zusammengeschmolzen. Gaskraftwerke rechnen sich schon lange nicht mehr, Steinkohlekraftwerke auch immer weniger und inzwischen bekommen sogar Braunkohle- und Atomkraftwerke Probleme.
RWE hat ein hausgemachtes Problem
Während Eon aber noch erkennbare Maßnahmen gegen den Niedergang erkennen lässt und zum Beispiel den Konzern prinzipiell in eine rentable und eine unrentable Hälfte geteilt hat, scheint RWE dem Abgrund unaufhaltsam immer weiter entgegen zu trudeln. Bei dem schon dem Namen nach rheinisch-westfälisch geprägten Energiereisen sanken die Ergebnisse in der Stromproduktion um 27 Prozent auf 750 Millionen Euro. „Hauptgrund dafür war, dass wir den Strom unserer deutschen und niederländischen Kraftwerke zu niedrigeren Großhandelspreisen abgesetzt haben als 2014“, teilte RWE mit. Hinzu kommt aber auch ein hausgemachtes Problem. Bei der britischen Tochter N-Power brach das Ergebnis um 60 Prozent auf 53 Millionen Euro ein.
Dabei lief das Vertriebsgeschäft europaweit eigentlich gut. Es gebe aber „unerwartete operative und technische Probleme im britischen Vertriebsgeschäft“, teilte RWE mit. Wie das Handelsblatt im Vorfeld berichtet hatte, gab es wohl bei den mehr als fünf Millionen Kunden tausende Doppelbuchungen. N-Power habe aber auch Privat- und Gewerbekunden verloren und leide unter dem „Trend zu einem sparsameren Energieverbrauch“. Haushaltskunden, deren Verträge ausgelaufen seien, könnten oft nur dadurch gehalten werden, dass ihnen Kontrakte mit vergünstigten Konditionen angeboten wurden. Die Konkurrenz schlägt massiv auf die Marge.
RWE wird verschlankt - Resultat offen
Die existenzbedrohende Krise zwingt nach Eon, wo Vorstandschef Johannes Teyssen bereits reagiert hat, auch RWE zu radikalen Reformen. Am Montag hatte sich Vorstandschef Peter Terium vom Aufsichtsrat seine Pläne für einen großangelegten Umbau absegnen lassen. Im Gegensatz zu Teyssen schreckt Terium aber vor einer Aufspaltung des Konzerns um, er möchte den Konzern nun aber auch besser auf die Energiewende ausrichten. Endlich.
Die Konzernzentrale soll von einer Management-Holding zu einer operativen Gesellschaft werden. Dafür wird der Vorstand von vier auf sieben Mitglieder aufgestockt. Neben Terium, Finanzvorstand Bernhard Günther und Personalvorstand Uwe Tigges werden künftig auch vier Chief Operating Officer die Bereiche konventionelle Stromproduktion, erneuerbare Energien, Vertrieb und Netze leiten. Gleichzeitig strafft RWE die Strukturen in Deutschland – von 90 GmbHs werden 30 aufgelöst, von fünf Aktiengesellschaften drei. Viele Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte werden überflüssig. Terium will RWE schlanker und schneller machen, damit der Konzern in der neuen Energiewelt bestehen kann.
Die Abspaltung der Stromproduktion – die Aufspaltung des Konzerns also – steht bei ihm aber nach wie vor nicht auf der Agenda. Zwar will Terium den Schritt für die Zukunft nicht „kategorisch“ ausschließen, derzeit sieht er dafür aber keine Notwendigkeit. Als „integrierte Gesellschaft“ befinde sich RWE in Europa in „bester Gesellschaft“: Enel in Italien, Centrica in Großbritannien oder CEZ in Tschechien agierten ähnlich wie RWE: „Europäische Energieunternehmen beherbergen in aller Regel konventionelle und erneuerbare Erzeugung, Handel und Vertrieb unter einem Dach – und dort, wo es regulatorisch möglich ist, oft auch die Netze.“ Er sehe derzeit auch kein Kurspotential durch die Aufspaltung.
„Es ist nicht immer gut, first mover zu sein“, betont Terium. Manchmal sei es besser, „fast follower" zu sein, beharrte er. Aber es ist eben auch wichtig, nicht „last follower“ zu sein. Denn den letzten beißen die Hunde.
Handelsblatt / Jürgen Flauger / sig