Netflix erobert die Welt
Die US-Onlinevideothek feiert derzeit einen erstaunlichen Siegeszug. Dies freut nicht nur Film-und Serienfans, sondern vor allem Anleger. In den vergangenen zehn Jahren gab es kaum eine erfolgreichere Aktie. Damit das auch in Zukunft so bleibt, setzten die US-Pioniere ihre beeindruckende Expansionsstrategie fort und investieren in neue Märkte.
Die US-Onlinevideothek feiert derzeit einen erstaunlichen Siegeszug. Dies freut nicht nur Film-und Serienfans, sondern vor allem Anleger. In den vergangenen zehn Jahren gab es kaum eine erfolgreichere Aktie. Damit das auch in Zukunft so bleibt, setzten die US-Pioniere ihre beeindruckende Expansionsstrategie fort und investieren in neue Märkte.
Das Medienecho über die mit Spannung sehnsüchtig erwartete dritte Staffel der mit drei Golden Globes ausgezeichneten Polit-Serie „House of Cards“ war noch nicht ganz abgeebbt, da folgte schon die nächste aufsehenerregende Netflix-Nachricht. Hollywood-Megastar Leonardo DiCaprio produziert für den weltweit größten TV-Internet-Anbieter künftig eine ganze Reihe von Umwelt- und Naturschutzdokus. Freuen können sich die Kunden der Onlinevideothek außerdem über die Verfilmung von „Beats of No Nation“, einem Oscar-ambitionierten Film über das Schicksal von afrikanischen Kindersoldaten, an dem sich Netflix kürzlich die weltweiten Rechte sichern konnte. Zuletzt trafen immer häufiger derart erfreuliche Meldungen über den amerikanischen Online-Videostreaming-Dienst ein.
Kein Wunder also, dass Netflix zunehmend populärer wird. Weltweit zählt der Streamingdienst inzwischen 57,4 Millionen Kunden, davon über 39 Millionen in den USA. Im vergangenen Quartal gewann Netflix 2,34 Millionen neue Kunden außerhalb der USA hinzu, während sich in den Vereinigten Staaten abermals 1,9 Millionen Menschen für ein Abo der Online-Videothek entschieden. Gerade in Deutschland kann sich der Internetanbieter nach seinem Start im vergangen Herbst bislang gut etablieren. Der Marktanteil liegt hierzulande bereits bei etwa 8 Prozent. Zwar ist Rivale Amazon, der mit seinem Prime-Service 33 Prozent Marktanteil aufweist, noch deutlich vorne. Doch Netflix peilt zumindest das Ziel an, mittelfristig zu i-Tunes und Maxdome aufzuschließen. Die beiden Angebote von Apple und der ProSiebenSat1. Media AG vereinen jeweils 11,3 Prozent Anteil am Markt auf sich.
Trotz dieser vielversprechenden Zahlen steckt für Netflix international gesehen noch vieles in den Kinderschuhen. Wenngleich die Kundenzahl zuletzt im Ausland absolut gesehen stärker wuchs als die im Heimatmarkt, bezweifeln Kritiker den großen globalen Durchbruch. Um zu beweisen, dass der Onlinedienst kein reines US-Phänomen ist, treibt Netflix-Gründer Reed Hastings seine ehrgeizige Expansionsstrategie weiter voran. Rund um den Erdball sollen Film-und Serienfans den Dienst nutzen können. „In alle Länder, außer nach Nordkorea“ will Netflix, das aktuell in über 50 Ländern vertreten ist, laut Hastings expandieren. Die weltweite Ausdehnung der Onlinevideothek soll dabei bereits in zwei Jahren abgeschlossen sein. Für die Zeit danach, also ab 2017, erwartet Pionier Hastings „erhebliche Gewinne” für sein Unternehmen. Zuletzt stieg der der Nettogewinn im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um bemerkenswerte 72 Prozent auf 83,4 Millionen Dollar. Dabei konnte Netflix seinen Umsatz um ein Viertel auf 1,5 Milliarden Dollar steigern.
Der große Erfolg von Netflix liegt vor allem darin begründet, dass sich das TV-Nutzungsverhalten der Menschen über alle Altersgruppen hinweg verändert. In England verbringen sogar die über 64-Jährigen inzwischen vier Prozent ihrer TV-Zeit mit Streaming- und VOD-Angeboten. In der Gruppe der 16 bis 24-Jährigen sind es bereits 13 Prozent. Auch in Deutschland geht der Trend klar in Richtung Videostreaming. Drei von vier Internetnutzern über 14 Jahren nutzen das Angebot von Mediatheken, Videoportale und On-Demand-Diensten. Dabei ersetzt jeder dritte Nutzer von Videostreams seinen TV-Konsum dadurch teilweise oder ganz. Das entspricht mehr als 13 Millionen Bundesbürgern. Beinahe jeder fünfte Streamingnutzer denkt sogar darüber nach, in Zukunft komplett auf das klassische Fernsehen zu verzichten. Insgesamt haben 44 Prozent der befragten Streamingnutzer angegeben, weniger Fernsehen über Kabel oder Satellit zu schauen, seitdem sie Videoinhalte im Internet betrachten. „Die kommende Zuschauergeneration wird kaum noch feste TV-Sendezeiten kennen", prophezeit der Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien. Allerdings sind die zu erzielenden Erlöse in diesem Markt mit einem Gesamtmarktvolumen im mittleren dreistelligen Millionenbereich momentan noch relativ gering. Das dürfte sich aber angesichts der Wachstumsraten bald schon ändern – zumal die Unternehmen sehr viel Geld in den Bereich Video-on-Demand investieren.
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Die Steigerung der Gewinne wird für eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte auch dringend nötig sein, denn bisher geht das große Wachstum von Netflix Hand in Hand mit einer hohen Verschuldung. Alleine die Kosten für die aufwendigen eigenen Produktionen - wie etwa Barack Obamas angeblicher Lieblingsserie „House of Cards“, „Orange Is The New Black“ oder „Hemlock Grove“- beliefen sich vergangenes Jahr auf rund 300 Millionen Dollar. Bis 2020 will der Video-on-Demand-Anbieter weitere 9,5 Milliarden US-Dollar in die eigenen TV-Produktionen investieren, um das Angebot sowohl qualitativ als auch quantitativ weiter zu steigern. „Rechnen können sich solche Investitionen nur bei einer sehr erfolgreichen internationalen Vermarktung, für Fehlschläge bleibt da wenig Raum“, mahnt Experte Moritz Rehmann, Portfoliomanager des GAMAX Funds Junior. Ein großer Vorteil für Netflix ist allerding, dass es sich bei den Eigenproduktionen hauptsächlich um Serien handelt. Demnach entscheidet nicht wie bei Spielfilmen ein zweistündiges Produkt über Hop oder Top, sondern „im Verlauf des Sendezeitraumes verbleiben Möglichkeiten zum Eingreifen oder auch zum Stoppen eines nicht erfolgreichen Formats“, sagt Rehmann.
Noch teurer als die Eigenproduktionen sind für die Online-Videothek allerdings Lizenzgebühren, die nach Unternehmensangaben den Löwenanteil der Ausgaben für Inhalte ausmachen. 2014 bezifferten sich die Ausgaben für Inhalte auf 3,7 Milliarden Dollar. Das größte Problem für Netflix ist und bleibt aber die Internetpiraterie. Experten schätzen den finanziellen Schaden für die Filmindustrie, der durch Filmpiraterie entsteht, alleine im amerikanischen Raum auf 58 bis 250 Milliarden US-Dollar im Jahr. Allerdings ist es hierbei schwierig verlässliche Angaben zu machen, da beispielsweise nicht jeder Schwarzseher für einen geschauten Film im Zweifel auch tatsächlich Geld ausgegeben hätte. Mit einem hohen Maß an Komfort stemmt sich Netflix gegen diesen mächtigen, illegalen Konkurrenten. „Bei Netflix muss man nur klicken, und es geht los“, erläutert Firmengründer Hastings die bequemlichen Vorteile des Angebots seines Unternehmens.
Alles andere als gemütlich ging es mit der Netflix-Aktie zu. Rasant ist als Adjektiv fast schon untertrieben, um den Kursverlauf zu beschreiben. So verteuerte sich das Wertpapier in den vergangenen zehn Jahren um sensationelle rund 4.000 Prozent. Sollten die ambitionierten Expansionspläne der Online-Videothek tatsächlich von Erfolg gekrönt werden, dürfte es sogar noch deutlich weiter bergauf gehen mit den Anteilsscheinen. Angesichts der inzwischen recht hohen Bewertung ist die Netflix-Aktie allerdings kein Schnäppchen mehr. Wie so häufig bei Pionier- Unternehmen ist die Zukunft schwer vorhersehbar. Somit dürfte das Papier eher ein Kauf für wagemutige Anleger sein. Aber wer hätte Frank Underwood, als dieser nicht zum Außenminister ernannt wurde, zugetraut, dass er innerhalb kürzester Zeit den Posten des mächtigsten Mannes der Welt innehaben würde? Einen ähnlich rasanten Aufstieg plant Netflix. Allerdings ganz legal, ohne dabei über Leichen gehen zu müssen. WIM