Sieben Thesen zum Ölmarkt
Stellen Sie sich vor, Sie würden beim Ölkauf nichts bezahlen müssen. Der Verkäufer würde Ihnen sogar noch Geld dafür geben, dass er die Ware los ist. Das halten Sie für Utopie? Quatsch! Im Januar war es in den USA – in Wichita – Realität, zumindest für einige Tage. Wann ist es das nächste Mal soweit? Und worauf müssen Sie achten, wenn Ihre Aktien nicht wegen des Ölpreises crashen sollen?
Stellen Sie sich vor, Sie würden beim Ölkauf nichts bezahlen müssen. Der Verkäufer würde Ihnen sogar noch Geld dafür geben, dass er die Ware los ist. Das halten Sie für Utopie? Quatsch! Im Januar war es in den USA – in Wichita – Realität, zumindest für einige Tage. Wann ist es das nächste Mal soweit? Und worauf müssen Sie achten, wenn Ihre Aktien nicht wegen des Ölpreises crashen sollen?
Im vergangenen April kostete ein Barrel des wichtigsten Energierohstoffs an den Terminmärkten noch über 70 Dollar je Barrel. Am 20. Januar waren die 159 Liter der Nordseemarke Brent für 27 Dollar zu haben. Es war das in Europa vorläufige Tief der Talfahrt. In den USA sackte der Preis regional noch weiter durch, ja, in der Region Wichita lag er zwischenzeitlich bei minus 50 US-Cent.
1.) Der schwimmende Ölpreis ist der Grund für die Talfahrt an den Börsen.
Teilweise ja, Preisschwankungen von mehreren Prozent am Tag waren die Regel. Der Markt schien außer Kontrolle. Anleger sahen darin ein Zeichen für eine sich verschlechternde Konjunkturlage in China und damit auch der globalen Wirtschaft. Andere sorgten sich um die Bonität von Anleiheemittenten wie Energieunternehmen Ölförderländern. Eine dritte Gruppe sorgte sich um die Zukunft der wichtigen Energiebranche in den USA, denn Ölsektor engagierten Investoren könnten, so vermuteten Analysten, zum Auflösen von Vermögensbeständen gezwungen sein.
2.) Es ist ungewöhnlich, dass die Aktienkurse parallel zu den Ölpreisen stürzen.
Eindeutig ja! Der Deutsche Aktienindex beispielsweise verlor im Januar elf Prozent, vom Hoch im vergangenen April bis zum Tief vor zwei Wochen sogar 23 Prozent. William de Viljder, Chefökonom der französischen Bank BNP Paribas, hält die Parallelität von Verlusten bei Öl und Aktien für ein sehr seltenes Phänomen. In der Vergangenheit hätten sich Öl und Aktien in solchen Fällen zügig entkoppelt, seien wieder unterschiedliche Wege gegangen.
3.) Aktien und Öl werden sich in ihrer Wertentwicklung bald entkoppeln.
Zumindest der Ölpreis scheint sich zu stabilisieren. Das Barrel der Nordseesorte Brent kostet inzwischen wieder mehr als 35 Dollar und damit ein Viertel mehr als am Tiefpunkt im Januar. Gestützt wird der Preis durch die Erwartung, dass Russland mit anderen erdölexportierenden Staaten über mögliche Produktionskürzungen reden will. Für die Aktien bedeutet dies noch keine Sicherheit.
4.) Wenn das Öl steigt, sinken die Aktien nochmals weiter.
So eindeutig stimmt diese These nicht. Der BNP-Paribas-Stratege Viljder sieht noch lange nicht, dass bald wieder alles seinen Normalverlauf nimmt. Sicher scheint lediglich: Die Zeit der Doppelbelastung für Anleger durch stürzende Ölpreise und fallende Aktienkurse dürfte bald vorbei sein. Falls also der Ölpreis wegen nicht eintreffender Erwartungen, etwas betreffend Russland, nicht auf die Füße kommt, könnten Aktien profitieren.
5.) Die Trendwende beim Rohöl ist noch nicht geschafft.
Die Gerüchte um ein bisher unbestätigtes Abkommen zwischen der Opec und Russland bezüglich einer Förderkürzung haben lediglich eine Reduzierung von Shortpositionen bei den Händlern ausgelöst, womit der Energiesektor letztlich um 5,6 Prozent zulegen konnte. „Auf Monatssicht bleibt der Sektor allerdings mit acht Prozent im Minus. Damit rangiert der Bloomberg Rohstoffindex den siebten Monat in Folge im Minus“, sagt dazu Ole Hansen von der Saxo Bank.
6.) Die Trendwende kann nicht ohne Russland geschafft werden.
Bereits im Anschluss an das letzte Opec-Meeting am 4. Dezember 2015 hat es Bemühungen des Kartells gegeben, mit Hilfe Russlands den Preisverfall bei Öl zu stoppen. „Dieses einst undenkbare Szenario wurde nun durch Kommentare beider Seiten wieder ins Spiel gebracht. Die Reaktion der Märkte fiel entsprechend deutlich aus“, sagt Hansen. Ein solches Abkommen könne zu Produktionskürzungen von mehreren 100.000 Barrel Öl pro Tag führen. „Fahren beide Parteien ihre Produktion um fünf Prozent zurück, bedeutet dies im Grunde das Ende der täglichen Überproduktion. Es würde die Dynamik der Ölmärkte erheblich verändern und die Kurse wieder auf über 40 US-Dollar pro Barrel befördern“, sagt Hansen.
7.) Der niedrige Ölpreis könnte eine weltweite Rezession angestoßen haben.
Auch wenn die Zahl der Verlierer durch die niedrigen Ölpreise steigt, ist das eher nicht der Fall. Immerhin hat der preiswerte Rohstoff auch bedeutende Impulse gebracht. Ein mittelbarer Effekt bedeutet jedoch ein Risiko: Unsicherer denn je scheint zu sein, ob die Notenbanken Wirtschaft und Börsen noch stabilisieren können. Die so überraschende wie dramatische Zinssenkung in Japan legt dies nahe. Deshalb bleiben zumindest die Aktienkurse auch auf absehbare zeit sehr anfällig. Mit Material von Handelsblatt / Ingo Narat
Lesen Sie hierzu auch den Gastkommentar von Chris-Oliver Schickentanz, Commerzbank, „Sieben Fragen zum Ölpreis" in unserer Rubrik „Rohstoffe“.