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American Dream im Energiegeschäft?

Der deutsche Technologieriese Siemens setzt auf eine amerikanische Managerin, um das angeschlagene Energiegeschäft aufzurichten. Die Vision 2020 mitsamt der Digitalisierungsoffensive ist in vollem Gange. Der schwache Euro stützt die Geschäfte des stark exportorientierten Technologiekonzerns zusätzlich.

BÖRSE am Sonntag

Der deutsche Technologieriese Siemens setzt auf eine amerikanische Managerin, um das angeschlagene Energiegeschäft aufzurichten. Die Vision 2020 mitsamt der Digitalisierungsoffensive ist in vollem Gange. Der schwache Euro stützt die Geschäfte des stark exportorientierten Technologiekonzerns zusätzlich.

Die Consumer Electronics Show (CES) findet traditionell am Anfang des Jahres in Las Vegas statt. Hier feierte schon so manche Innovation ihren ersten Öffentlichkeits-Auftritt. Da darf natürlich auch Siemens, gerne als „Technologieriese“ tituliert, nicht fehlen. Immerhin werden im Hause Siemens nach eigenen Angaben täglich 20 Patente angemeldet und 39 Erfindungen gemeldet. In der Entertainment- und Glücksspielhauptstadt der Welt glänzten die Münchener in diesem Jahr mit einer ruhigen Idee: Und zwar mit einem Hörgerät, das störende Geräusche ausblendet. Damit könne man sich laut Eric Branda, dem Produktmanager der Hörgerätesparte in den USA, selbst bei lauten Hintergrundgeräuschen akustisch auf eine Person konzentrieren. Selbstverständlich lässt sich das Hörgerät mit dem Smartphone bedienen.

Siemens, das heute noch immer von vielen Menschen mit Waschmaschinen und anderen Haushaltgeräten verbunden wird, scheint längst in der digitalen Welt angekommen zu sein. Genauso wie das Unternehmen mit Sitz in Berlin und München auch im Stammland des größten Konkurrenten General Electric angekommen ist. Jahrelang hatte man die „Neue Welt“ auf der anderen Seite des Atlantiks nur so behutsam wie die ersten europäischen Entdecker betreten. Zwar hat Siemens schon lange erkannt, dass das Land mit dem zweitgrößten Energieverbrauch der Welt (seit 2010 ist China die Nummer Eins im Primärenergieverbrauch) auch für das deutsche Unternehmen viele Chancen bietet. Mit konzernsystematischen Angelegenheiten blieb man jedoch lieber daheim in München. „Aufgrund der zunehmenden strategischen Bedeutung der amerikanischen Märkte für die Energiewirtschaft“, so erklärt der CEO Joe Kaeser den Wandel, habe sich das Unternehmen dazu entschlossen, den Sitz des wichtigsten Konzernsektors nach Houston in die USA zu verlegen.

Dort hat Lisa Davis seit August das Sagen. Und ihr Wort findet auch über den Ozean hinweg beim Vorstandsvorsitzenden gehör. Davis soll zudem die bestbezahlte Frau in einem DAX-Vorstand sein und genießt ein hohes Ansehen. Die ehemalige Shell-Managerin hat durch ihr Engagement bei diversen Mineralölkonzernen beste Kontakte zu den wichtigsten Akteuren auf dem US-Energiemarkt. Gerade deshalb sind die Erwartungen an Davis besonders hoch. Und ihre Aufgaben sind nicht einfach: Der Energie-Sektor war in den vergangenen Quartalen immer das Sorgenkind von Siemens. Daher muss Davis die Energy-Abteilung in diesem Jahr auch mit dem Rotstift führen und 1200 Stellen abbauen.

Gestiegener Gewinn

Insgesamt macht sie die Vision 2020 aber allmählich bemerkbar im Jahresergebnis von Siemens. Der Gewinn nach Steuern stieg im Jahr 2014 um über eine Milliarde Euro auf 5,5 Milliarden Euro. Nun profitiert Siemens auch noch vom schwachen Euro. Als Exporteur kann das deutsche Unternehmen seine Produkte zu billigen Euro-Preisen verkaufen und kurbelt somit die Nachfrage an. Gut ein Viertel seiner Umsätze macht Siemens in Amerika, rund 20 Prozent in Asien und Australien.
Entgegen der Erwartungen aus dem letzten Jahr, stellte Kaeser nun kürzlich klar, dass der profitable Bereich der Medizintechnik vorerst im Siemens-Konzern integriert bleibe und nicht ausgegliedert und an die Börse gebracht werde. Zumindest im Jahr 2015 seien derartige Planungen vom Tisch.

Bei den Hausgeräten von Siemens gibt es jedoch seit dieser Woche Neuigkeiten. Denn ab sofort kommen die Siemens-Geräte zu 100 Prozent vom Stuttgarter Hersteller Bosch. 1967 hatten Siemens und Bosch gemeinsam die Hausgerätefirma BSH ins Leben gerufen, nun verkauft Siemens den 50-prozentigen Anteil am Unternehmen für drei Milliarden Euro. Auf den Produkten wird aber weiterhin der Name Siemens stehen.

Für Aktionäre steckt hinter dem Namen Siemens noch einiges an Potential. Als Kursziel für die Siemens-Aktie geben einige Analysehäuser Werte von weit über 100 Euro an. Momentan steht das Papier bei rund 93 Euro. Analyst Gael de-Bray von der französischen Großbank Societe Generale lobte in dieser Woche die Kostensenkungen und das verbesserte Portfolio des Technologiekonzerns. Bei der Credit Suisse steht Siemens im Jahr 2015 sogar auf der „Europe Focus List“ und gehört gleichzeitig zu ihren „Key Outperform Ideas“. Das klingt vielversprechend. Ebenso wie die angekündigte Dividenden-Erhöhung auf 3,30 Euro.

Dennoch kommen im Geschäftsjahr 2015 auch einige Herausforderungen auf CEO Kaeser zu. So bekommt Siemens einige unangenehme Rivalen im Zuggeschäft: Nach der Übernahme der Energiesparte von Alstom durch General Electric, konzentriert sich das französische Unternehmen nun fast ausschließlich auf die Transportsparte und möchte mit dieser expandieren. Außerdem fusionieren im Zukunftsmarkt China die beiden Bahn-Unternehmen CNR und CSR zu einem Megakonzern. Die Aktien der beiden Hersteller stiegen in der Folge sehr stark. Das neue chinesische Bahn-Unternehmen wird nicht nur innerhalb der Landesgrenzen aktiv sein, sondern auch weltweit seine Schienen und Züge installieren.

Fazit

Mit der „Vision 2020“ ist Siemens gewappnet für die Zukunft. Das schwächelnden Hauptgeschäft Energy wird nun von den USA aus und durch die erfahrene Managerin Lisa Davis geleitet. Da hier im Dollar-Raum für den Dollar-Raum produziert wird, dürfte hier der schwache Euro die Bilanz kaum nennenswert belasten. Joe Kaeser hat seinen Konzern entbürokratisiert und das Portfolio verbessert. Die Jahresergebnisse für 2014 waren bereits positiv. Auch deswegen dürfen sich Anleger jetzt über eine höhere Dividende freuen. Für das neue Jahr kündigte der Vorstandsvorsitzende in einem Brief an die Aktionäre bereits weitere Erfolge an – und der schwache Euro wird ihm hier keinen Strich durch die Rechnung machen.