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"Alle Faktoren für einen historischen Boom sind da"

"Wenn die Impfstoffe die Pandemie tatsächlich erfolgreich beenden und die US-Wirtschaft echte Zugkraft entwickelt, geht es an den Kapitalmärkten unter Umständen heftig zur Sache", sagt Francis A. Scotland, Director Global Macro Research bei Brandywine Global. Große Schwankungen könnten die Folge sein. Und gleichzeitig ein Mega-Boom.

(Foto: whiteMocca / Shutterstock)

"Wenn die Impfstoffe die Pandemie tatsächlich erfolgreich beenden und die US-Wirtschaft echte Zugkraft entwickelt, geht es an den Kapitalmärkten unter Umständen heftig zur Sache", sagt Francis A. Scotland, Director Global Macro Research. Große Schwankungen könnte die Folge sein. Und gleichzeitig ein Mega-Boom.

Die Turbulenzen durch den Ausverkauf am Anleihenmarkt im Februar und die Wellen, die sie geschlagen haben, sind eventuell nur ein Vorgeschmack der Entwicklungen, die dieses Jahr noch auf uns zukommen könnten. Wenn die Impfstoffe die Pandemie tatsächlich erfolgreich beenden und die US-Wirtschaft echte Zugkraft entwickelt, geht es an den Kapitalmärkten unter Umständen heftig zur Sache.

Für steigende Renditen ist das Tempo wichtig

Die meisten Beobachter stimmen sicher zu, dass die Geschwindigkeit des Ausverkaufs von US-Schatzanleihen im Februar für Turbulenzen am Markt gesorgt hat, nicht die Richtung, die die Entwicklung nahm. Die Gleichgewichtsrenditen dürften mit Wiedereröffnung der Wirtschaft steigen. Die 10-Jahres-Renditen in China erreichten im September 2020 wieder den normalen Stand aus der Zeit vor der Pandemie, weil die heimische Wirtschaft sich durch die schnelle Kontrolle des Ausbruchs mit strenger Einhaltung der Kontaktbeschränkungen, wie sie nur China durchsetzen konnte, rasch erholte. Auch in den USA stiegen die Renditen auf zehnjährige Schatzanleihen im vergangenen Monat endlich auf das gleiche Niveau wie vor der Pandemie, während gleichzeitig das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wieder ungefähr den Höchststand von 2019 erreichte – zumindest auf der Grundlage des BIP-Nowcast der Federal Reserve Bank of Atlanta und deren Schätzungen für das Wachstum im aktuellen Quartal.

Im Wesentlichen war dies die Botschaft des Präsidenten der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, als er Ende Februar keinerlei Andeutungen in Richtung eines Eingreifens am Anleihenmarkt machte. Die Kredit-Spreads sind derzeit so gering wie fast noch nie, daher haben es Argumente zugunsten restriktiver Finanzierungskonditionen am Markt gerade schwer. Bis jetzt entsprechen die steigenden Renditen dem wieder auf Werte vor der Pandemie zusteuernden Aktivitätsniveau beim realen BIP.

Der positive Ausblick sieht so aus: Solange die Renditen langsam oder zumindest im gleichen Tempo wie die wirtschaftliche Normalisierung steigen, dürfte das Kapital von lang laufenden Vermögenswerten wie Wachstumsaktien mit hoher Marktkapitalisierung in zyklische und gering kapitalisierte Deep-Value-Aktien rotieren, während sich das nominale BIP erholt. Steigen die Zinsen aus irgendwelchen Gründen schneller, entsteht eventuell Volatilität. Ende Februar beispielsweise reichten die Turbulenzen aus dem Anleihenmarkt aus, um den Gesamtmarkt – und nicht nur die Large-Cap-Wachstumsaktien – zumindest für kurze Zeit zu drücken.

Alle Faktoren für einen historischen Boom sind da

Denkt man darüber nach, was wohl einen noch ungeordneteren Ausverkauf am Anleihenmarkt auslösen könnte, lassen ein paar Punkte aufhorchen:

Der chinesische Anleihenmarkt hat sich in den sechs Monaten seit der Rückkehr zum Normalzustand stabil entwickelt, obwohl China eine genau entgegengesetzte makroökonomische Politik verfolgt. Die People‘s Bank of China (PBOC) hat Ende 2020 die Zinsen um 50 Basispunkte angehoben, die Fiskalpolitik wurde zur Belastung, der Kreditimpuls nimmt ab und der Renminbi (RMB) wertete gegenüber dem US-Dollar um 5 % auf. Die US-Regierung hingegen gießt in der Erholungsphase der Wirtschaft immer mehr Öl ins Feuer. Die Fed möchte die Wirtschaft so heiß laufen lassen, dass die Inflation eine Zeit lang über 2 % hinausschießt. Währenddessen ist der Wert des USD gegenüber dem Ausgangswert 2020 um rund 5 % gesunken.

Die jüngste Runde der US-Konjunkturmaßnahmen kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die 5-Jahres-Breakeven-Inflationsrate – nach einer Erholung vom niedrigsten Niveau vor einem Jahr – auf dem höchsten Stand seit der weltweiten Finanzkrise steht. Mit anderen Worten: Die Wirtschaft befand sich im freien Fall und die Breakeven-Inflation auf dem tiefsten Stand seit der Weltfinanzkrise, als im März 2020 das fiskalpolitische Unterstützungsprogramm des CARES Act in Höhe von 2 Billionen US-Dollar zum Einsatz kam. Der American Rescue Plan Act 2021, rund ein Jahr später verabschiedet, hat fast denselben Umfang, aber die Wirtschaft befindet sich nun in einer V-förmigen Erholungsphase und die Breakeven-Inflationsraten brechen aus.

Sogar ein paar keynesianische Volkswirtschaftler aus dem Establishment, die den Aufruf „go big“ der US-Finanzministerin Janet Yellen unterstützen, argumentieren inzwischen, der American Rescue Plan Act 2021 könnte zu umfangreich ausfallen – eine Meinung, die am 12. Februar 2021 an der Universität Princeton in einem Webinar der Marcus Academy mit Lawrence Summers und Paul Krugman diskutiert wurde.

Weitere fiskalpolitische Unterstützung wird im Jahresverlauf in Form eines von der Regierung Biden unter dem „Build Back Better“-Plan entwickelten und mehrere Billionen Dollar schweren Infrastrukturprogramms erwartet.

Glaubwürdige Prognostiker aus dem Privatsektor kommen mit der Anhebung ihrer Wachstumsaussichten kaum hinterher und viele gehen davon aus, dass ein Einstellungsboom die Arbeitslosenzahlen irgendwann 2022 wieder auf das Niveau vor der Pandemie bringen könnte. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Erholung vonstattengeht, machen die US-Bundesbehörden eher einen unvorbereiteten Eindruck. Die Fed enttäuscht die Erwartungen des Marktes immer wieder. Das als Streudiagramm dargestellte Zinsprofil übertraf die Markterwartungen seit der weltweiten Finanzkrise die meiste Zeit. Inzwischen ist die Situation genau umgekehrt: Der Markt hofft wesentlich früher auf Zinssteigerungen, als die US-Zentralbank dies in ihren zukunftsgerichteten Aussagen vorsieht.

Die Inflationsaussichten ließen die Fed kalt, obwohl viele Inflationsindikatoren auf einen Anstieg hindeuten. Die auf der PCE-Kernrate basierende Inflation dürfte die Marke von 2 % spielend überschreiten, wenn man die historische Korrelation mit der Breakeven-Inflationsrate über 5 Jahre betrachtet.

Keiner dieser Faktoren berücksichtigt den wichtigsten positiven makroökonomischen Einfluss auf die Wirtschaft: Falls die Impfstoffe wirksam sind und in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert werden, erfolgt die Wiedereröffnung der Wirtschaft.

Dr. Anthony Fauci, der Leiter des U.S. National Institute of Allergy and Infectious Diseases, äußerte sich oft kritisch zu den Kommentaren der vorherigen Regierung über die Pandemie, wenn er sie für zu optimistisch hielt. Ende 2020 änderte er seine Meinung aufgrund der Nachrichten über die Impfstoffe deutlich und sagte öffentlich, dass Amerikas Footballstadien im September voll sein könnten. Wenn sich diese Prognose bewahrheitet, wird sich das Verhalten der Menschen drastisch verändern und dem Wirtschaftswachstum einen deutlichen positiven Impuls geben (was eine vorsichtige Darstellung der Argumente für einen historischen Boom wäre).

Was hält die Anleiherenditen unter Kontrolle?

Was hält die Anleiherenditen angesichts dieser Risikofaktoren unter Kontrolle? Die beliebtesten Erklärungen sind die Fed und die finanzielle Repression. Als Hauptargument für diese Sicht wird genannt, dass die Bilanzausweitung der Fed im letzten Jahr ungefähr dem Ausmaß der Emission neuer Schatzanleihen des US-Finanzministeriums entsprochen hat – eine Vorgehensweise, die man von einem Ansatz nach der modernen Geldtheorie (Modern Monetary Theory, MMT) erwarten würde.

Ganz so einfach ist die Sache allerdings nicht. Die Fed hat unbestritten in sehr hohem Ausmaß US-Schatzanleihen gekauft. Frühere quantitative Ausweitungen der Bilanz wurden mit steigenden Anleiherenditen in Verbindung gebracht – was derzeit wieder der Fall ist. Zudem müsste der US-Dollar sehr viel schwächer sein, wenn die Fed die Realzinsen künstlich unter das Gleichgewicht drückt. Stattdessen liegt der Dollarkurs nur magere 5 % unter dem Startwert 2020: trotz einer Bilanzausweitung um mehrere Billionen, einem historischen Kurswechsel in der US-Geldpolitik und explodierenden Haushaltsdefiziten. Die relative Stabilität der amerikanischen Währung angesichts dieser Entwicklungen ist ein Beleg dafür, dass all dem eine enorme Nachfrage nach Liquidität in USD zugrunde liegt. Abbildung 3 zeigt, dass die Zeit der Argumente für höhere langfristige Inflationserwartungen und Anleiherenditen ohne einen deutlich schwächeren Dollar noch nicht gekommen ist.

Ich denke, dass die Nachfrage für US-Dollar aus dem Privatsektor stammt. Die Zinsen in den USA sind gegenüber anderen Ländern nach wie vor attraktiv und fördern ausländische Kapitalströme in den Dollar. Am stärksten wird der US-Dollar jedoch von den Kapitalmärkten im Inland nachgefragt. Der Zusammenbruch der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und die dramatische Zunahme von Bankeinlagen und Sparquoten der privaten Haushalte deuten allesamt auf eine außerordentliche Steigerung der Nachfrage nach Liquidität in USD hin. Ein Großteil dieses Geldes aus dem Privatsektor stützte US-Schatzanleihen. Das Volumen der Bankeinlagen schoss um mehrere Billionen in die Höhe und die Banken nutzten das Kapital zum Kauf von US-Schatzanleihen, die sie dann an die Fed verkauften. Diese Schatzanleihen wurden durch Überschussreserven ersetzt. Die Fed hat effektiv Schuldverschreibungen und Anleihen gegen Schatzanleihen-ähnliche Wertpapiere, die so genannten Überschussreserven, angenommen. Diese Überschussreserven sind kein Geld im üblichen Sinne, denn sie können nur von Geschäftsbanken gehalten werden und bleiben für die Wirtschaft nicht nutzbares Geld, solange die Kreditnachfrage nicht steigt. Durch diese Maßnahme zur Befriedigung der öffentlichen Nachfrage nach USD-Liquidität konnte im März 2020 der Kursanstieg des Dollar gestoppt und dann umgekehrt werden. Der Nettoeffekt hat jedoch dazu geführt, dass der USD nun nur wenig niedriger notiert als Anfang 2020 und die Anleiherenditen ungefähr auf dem gleichen Niveau stehen.

Vertrauen und die Reaktion der Fed sind für die nahe Zukunft entscheidend

Um einzuschätzen, wann der US-Anleihenmarkt wieder ansteigen wird und ob/wann der Dollarkurs einknickt, ist die Freisetzung dieser außerordentlichen Nachfrage nach USD-Liquidität entscheidend. Treibende Faktoren für den Markt werden das Vertrauen und die Reaktion der Fed sein. Angst vor der Pandemie und staatlich angeordnete Lockdown-Maßnahmen trieben die Nachfrage nach Liquidität von Anfang an. Daher scheint logisch, dass die Erleichterung über das Ende der Pandemie und Lockerungen vonseiten der Regierungen auch für die vollständige oder teilweise Auflösung der ungewöhnlichen Nachfrage nach US-Dollar eine zentrale Rolle spielen. Ein wichtiger Teil der Entwicklung für Anleihen und den Dollar wird die Reaktion der Fed sein. Bleibt sie bei ihren derzeitigen Vorgaben, reagiert nicht auf rückläufige Nachfrage nach US-Dollar und schränkt die Bilanzausweitung nicht ein, wirkt dies wie eine weitere Stimulierungsmaßnahme. Irgendwann wird die Fed wahrscheinlich vernünftig reagieren, aber diese Reaktion wird spät kommen. Wenn Dr. Fauci recht hat und die Stadien im September tatsächlich voll sind, könnte es gegen Jahresende nicht nur auf dem Footballfeld zur Sache gehen.