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Anleger könnten viel mehr Geld sparen

Prof. Dr. Dirk Schiereck sprach mit BÖRSE am Sonntag über die Bedeutung der Präsenzbörsen. Seit August 2008 lehrt er an der Technischen Universität Darmstadt Unternehmensfinanzierung. Zuvor war er leitender Wissenschaftler an der staatlich anerkannten Privathochschule European Business School in Oestrich-Winkel, wo er den Stiftungslehrstuhl Bank- und Finanzmanagement innehatte.

BÖRSE am Sonntag

 

BÖRSE am Sonntag: Was spricht heutzutagenoch für den Handel an Präsenzbörsen?

Schiereck: Bei kleineren Aktien, bei Nebenwerten ist die Preisqualität besser. Der Anleger wird besser bedient. Und Präsenzbörsen halten den Wettbewerb innerhalb Deutschlands für den Handel auch in kleineren Ordergrößen aufrecht.

BÖRSE am Sonntag: Inwiefern ist die Preisqualität besser? Was genau ist besser?

Schiereck: Wir sehen im Wettbewerb zwischen den Börsen, dass beispielsweise die Börse Hamburg darauf verzichtet, bei Orders bis 5.000 Euro Courtage zu erheben. Das macht die Abwicklung einer Order in Hamburg besonders attraktiv. Es gibt Studien, die zeigen, dass 30 bis 40 Prozent der Orders, wenn sie im Tagesablauf in Hamburg durchgeführt werden, dort am besten durchgeführt werden. Kunden profitieren davon, dass sie bessere Kurse, bessere Preise, bessere Ausführungsqualitäten erreichen.

BÖRSE am Sonntag: Ist das Ihrer Einschätzung nach einer breiten Anlegerschaft bekannt?

Schiereck: Nein, sonst hätten wir ja entsprechend der Qualität der Börsenplätze auch die Ordervolumina verteilt. Vielmehr erhalten einige Börsen viel mehr Orders, als sie bei der Qualität ihrer Kurse eigentlich bekommen sollten, während andere Börsen, beispielsweise Hamburg, einen zu geringen Anteil am Börsenvolumen haben. Darüber muss man vielleicht ein bisschen offener reden, damit die Anleger das mitbekommen. Denn sie können dadurch wirklich erheblich Geld sparen.

BÖRSE am Sonntag: Der elektronische Handel hat stark zugenommen. Was können die Präsenzbörsen der puren Macht des Umsatzes entgegenhalten?

Schiereck: Ich glaube, die pure Macht des Umsatzes wird bleiben. Nichtsdestotrotz ist es gerade für die Ausführungsqualität wichtig, dass nicht alles vollautomatisch läuft. Personen vor Ort, Skontroführer, die mit ihrer Kompetenz und Erfahrung helfen, Orders zusammenzuführen und Orders besser auszuführen, als wenn sie nur in einem anonymen elektronischen Orderbuch stehen.

BÖRSE am Sonntag: Kommt die Nähe zum Anleger im Zuge der Finanzkrise wieder mehr zum Tragen?

Schiereck: Ich glaube, in Situationen wie der aktuellen haben gerade die Präsenzbörsen mit ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag dafür zu sorgen, dass das Grundvertrauen der Anleger wiedergewonnen wird. Indem sie ihre Dienstleistungsqualität bekannt machen, können sie zeigen, dass Finanzmärkte nichts Schlimmes sind, sondern etwas sehr Sinnvolles, das man auch weiter nutzen sollte. Auch die EU-Richtlinie MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) sollte dazu beitragen, dass die Transparenz jetzt größer wird.

BÖRSE am Sonntag: Könnte die EU-Richtlinie dazu beitragen, den Handel an den Präsenzbörsen weiter zu beleben, indem sie zu mehr Transparenz bei der Anlageberatung verpflichtet?

Schiereck: MiFID sollte in der Tat den Präsenzbörsen einen Schub geben. Aber auch da ist wieder Kommunikation gefragt und die Kreativität der Banken, die in großer Anzahl Kundenorders vorhalten. Denn die Banken müssen letztlich gegenüber ihren Kunden rechtfertigen, warum sie eine Order an den einen oder anderen Börsenplatz geben. Die Kommunikation der Börsen sollte also nicht nur auf den Anleger ausgerichtet sein, sondern auch auf die Banken als zentrale Multiplikatoren im Wertpapiergeschäft.

BÖRSE am Sonntag: Welche Rolle spielen Innovationen für die Präsenzbörsen? Geht es darum, immer wieder etwas Neues zu erfinden, oder geht es darum, die Qualität, die man bietet, bekannt zu machen?

Schiereck: Beides ist gefragt. Wir haben allerdings kaum eine Innovation in den vergangenen Jahren erlebt, durch die ein Börsenplatz wirklich massiv auch zusätzliche Einnahmen generiert hat. In den allermeisten Fällen war vor allem der Kunde, der Anleger Nutznießer. Dazu zählen die Verringerung der Mindeststückzahlen und die Verlängerung der Handelszeiten. Andere Innovationen haben dazu beigetragen, dass viele Produkte, wie Versicherungs- Sekundärmärkte und Märkte für offene und geschlossene Fonds, liquider geworden sind: Hier sind die Regionalbörsen als Innovationsmotor gefragt, weil sie immer wieder Produkte auf den Markt bringen, die man kostendeckend anbieten kann, aber nicht mit großen Gewinnen.

BÖRSE am Sonntag:  Ist die Suche nach Alleinstellungsmerkmalen dann überhaupt noch zielführend mit Blick auf die Zukunft?

Schiereck: Die Zukunft der Finanzmärkte ist so unsicher und die Produkte, die eine Börse anbieten kann, sind so leicht austauschund kopierbar, dass es sehr schwierig ist, von dauerhafter Zukunftsfähigkeit zu sprechen. Aber natürlich sind die Börsen regelmäßig gefragt, neue Produkte zur Verbesserung der Anlegerqualität zu entwickeln und damit auch dazu beizutragen, dass die Gesellschaft insgesamt einen sicheren Wohlstand hat.