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Ist Spahn ein Mini-Merz?

Annegret Kramp-Karrenbauer wird im Rennen um den CDU-Vorsitz immer selbstbewußter. Im Berliner Townhall-Gespräch mit dem Verleger Wolfram Weimer wehrt sie das Etikett „Mini-Merkel“ entrüstet ab: „An mir ist gar nichts mini!“

BÖRSE am Sonntag

Annegret Kramp-Karrenbauer wird im Rennen um den CDU-Vorsitz immer selbstbewußter. Im Berliner Townhall-Gespräch mit dem Verleger Wolfram Weimer wehrt sie das Etikett „Mini-Merkel“ entrüstet ab: „An mir ist gar nichts mini!“

In Anbetracht steigender Umfragezahlen geht Annegret Kramp-Karrenbauer im Rennen um den CDU-Parteivorsitz in die Offensive. Der Verleger Wolfram Weimer fragte die CDU-Generalsekretärin auf einem Townhallmeeting vor 300 Gästen in der Berliner Microsoft-Zentrale und bekam überraschende Antworten. Angesprochen auf die Kritik konservativer Kreise, sie sei eine "Mini-Merkel", reagiert die CDU-Generalsekretärin angriffslustig. "Ich bin 56 Jahre, ich habe drei erwachsene Kinder, ich habe eine veritable Karriere hingelegt. An mir ist gar nichts mini!“ Als der Saal darauf mit tosendem Applaus reagiert, stichelt Kramp-Karrenbauer weiter: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass einem Mann eine solche Frage gestellt und zugemutet würde. Niemand kommt auf die Idee, einen Jens Spahn zu fragen, ob er ein Mini-Merz ist.“
Auch die Behauptung, sie vertrete nur den linken Flügel der CDU, weist Kramp-Karrenbauer vehement von sich: „Ich bin ein typische Promenadenmischung der CDU. Manches an mir ist ganz konservativ, anderes liberal, wieder anderes sozial.“ Sie sei ein überzeugter Volksparteienmensch, der Interessen gerne ausgleiche, Arbeiter ebenso anspreche wie Manager, “denn sonst habe ich keine Chance, im Saarland 40 Prozent zu erreichen".

Als erste Innenministerin Deutschlands habe sie eine strikt sicherheitsorientierte Politik verfolgt, auch Abschiebungen von Familien "sehr konsequent angeordnet". Bei der Bezeichnung "Law-and-Order-Frau" hat sie keine Einwände, im Gegenteil. "Das gehört sicher zu mir dazu.“ Sie sei immer für einen starken Sicherheitsstatt eingetreten. „Für mich gibt es auch keinen Unterscheid, ob ein Stein von Rechten oder von Linken auf Polizisten geworfen. Das Verbrechen ist das gleiche,“ mahnt Kramp-Karrenbauer und kritisiert, dass es bei der politischen Linken in Deutschland da zuweilen eine Doppelmoral gebe. Die Gäste des Abends erfuhren zugleich, dass ihr eigener Sohn als Polizist beim SEK Dienst leiste.
Kramp-Karrenbauer verweist geschickt auf ihre 18 Jahre Regierungserfahrung (davon können Merz und Spahn nur träumen) und Führungsstärke. Sie könne verstehen, dass manche in der Union nun Sehnsucht nach einem habituellen Wechsel mit größerer Klarheit in der Führung hätten, das sei normal, das habe es auch nach Helmut Kohl gegeben. Genau dafür aber sei sie die richtige: “Ich bin sehr dafür, dass man klare Ansprachen wählt, dass man führt, dass man schwierige Themen bei den Hörnern packt." Zugleich sei sie auch der Meinung, dass so etwas "nicht immer auf krawallige Art" geschehen müsse. Ihr Stil sei "eiserne Faust, aber im Samthandschuh“. Und: “Ich bin sehr dafür, dass man führt.“

Von der Kanzlerin distanzieren will sie sich nicht. Auf die Frage Weimers, ob es ihr nicht nutzen würde, klarer auf Abstand zur Kanzlerin zu gehen, sagte sie. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mich künstlich von Angela Merkel distanziere, um bessere Chancen auf dem Parteitag zu haben", antwortet diese. Sie wolle schließlich danach "noch in den Spiegel gucken können". Ihre Kandidatur als CDU-Vorsitzende sei mit Merkel nicht abgesprochen gewesen, auch über das Vorhaben der Kanzlerin, nach der Hessen-Wahl auf den CDU-Vorsitz zu verzichten, sei sie nicht eingeweiht gewesen. Als Merkel ihr das am Montagmorgen mitgeteilt habe, sei es "eine Riesen-Überraschung" für sie gewesen. "Da ist mir etwas passiert, was mir selten passiert - ich hab mich erst mal gesetzt und  war sprachlos.“ Dann allerdings sei eine bemerkenswerte Dynamik entstanden, aus internen Sitzungen der CDU würde beinahe live hinaus kommuniziert und Friedrich Merz habe über die Bildzeitung seine Kandidatur angekündigt. Das habe den Prozess beschleunigt, obwohl sie es zunächst als rücksichtslos gegenüber Merkel empfunden habe, so schnell Nachfolgekandidaturen zu verkünden. Sie habe dann aber abgewogen, dass sie nicht warten könne, weil sie sonst - ein paar Tage später - die Öffentlichkeit vor den Parteigremien unterrichtet hätte. In der Eile des Vormittags habe sie dann nich schnell ihren Ehemann angesimst, und ihn über ihren Schritt informiert.

Bis zum 7. Dezember läuft der parteiinterne Wahlkampf, dann entscheiden 1001 Delegierte auf einem Parteitag in Hamburg, wer die CDU nach Angela Merkel in die Zukunft führt. Nach neuen Umfragen liegt AKK knapp vor Friedrich Merz und deutlich vor Jens Spahn.

Kommt ein Deal mit Spahn?

Weimer will wissen, ob sie sich vorstellen könnte, vor dem Parteitag eine Absprache mit Spahn zu treffen und ihm das Amt des Generalsekretärs anzubieten? Kramp-Karrenbauer signalisiert, dass die Frage des „Running Mates“ und Kandidaten für den Generalsekretärs wohl sehr spät, womöglich erst auf dem Parteitag beantwortet werde. Sie werde einen Generalsekretär jedenfalls nicht danach auswählen, ob sie damit auf dem Parteitag "zusätzliche Potentiale generieren" könne. Ihr gehe es darum, eine Person zu finden, die für die Partei eine gute Wahl sei.

Ist es von Vorteil oder Nachteil, in diesem Wahlkampf eine Frau zu sein, will Weimer weiter wissen. Ihr sei bewußt, dass es für die CDU ein Thema sei, ob im Dezember eine Frau auf eine Frau an der Spitze folgt - es wäre eine Premiere. Doch Kramp-Karrenbauer geht auch hier in die Offensive "Die CDU hat es immer problemlos vertragen, dass ein Mann einem Mann nachfolgt. Insofern: Wieso sollte es ein Problem sein?" Sie sei froh, eine Frau zu sein, sagt Kramp-Karrenbauer. "Wenn ich etwas nie sein wollte in diesem Leben, dann ist es ein Mann." Unterm Strich sei die Frage jedoch nicht, "Mann oder Frau". Vielmehr müsse die CDU so aufgestellt werden, "dass sie für Frauen und Männer wählbar ist“.

Kramp-Karrenbauer rechnet nicht damit, dass die Bundesregierung in wenigen Monaten platzen könne. Es stünden turbulente Monate vor Deutschland, der Brexit berge erhebliche Risiken, da könne Deutschland als wichtigste Macht in Europa nicht schon wieder in Selbstfindung versinken. Gleichwohl sei sie - falls sie CDU-Vorsitzende werde - bereit, eine Kanzlerschaft anzustreben.

Sie gehe mit heiterer Zuversicht in den Parteitag. Was aber, wenn sie verlieren sollte? "Wenn das Ergebnis so wäre, was ich zu verhindern suche, wäre ich zunächst erst mal ein bisschen traurig und auch enttäuscht." Danach würde sie jedoch die Weihnachtszeit mit ihrer Familie genießen und sich Gedanken machen, wie es weitergehe. Keinesfalls würde sie mit ihrer Partei brechen. "Aber ich würde es dann ehrenamtlich machen. Dafür braucht mich dann keiner zu bezahlen.“

Das Publikum erfuhr zudem, warum sie einen so sperrigen Doppelnamen trägt. Sie habe ein sehr herzliches Verhältnis zu ihrem Vater gehabt, erzählt sie. Er habe ihr die Welt der Literatur eröffnet, sie aber zugleich zum Unkraut-Jäten gebracht. In ihrer Jugend habe sie geturnt, kein Tennis gespielt. Sie entstamme einer behüteten Familie in einem tief katholischen Gebiet des Saarlands. Am familiären Abendtisch sei gebetet worden. Ihr Vater sei gestorben, kurz bevor sie geheiratet habe, daher habe sie den Namen behalten wollen. "Da habe ich allerdings noch nicht gewusst, dass ich mal professionell in die Politik gehe und dass das schwierig auf einem Wahlplakat unterzubringen ist. Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mir das noch mal überlegt.“ Das Kürzel AKK sei ein Ergebnis ihrer Twitterkommunikation gewesen. Das Kürzel funktioniere wie ein Namensersatz, und sie sei damit einverstanden.