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BaFin-Mitarbeiter handeln mit Aktien der beaufsichtigten Banken

Was bei Bundesbank und EZB wegen Insiderverdachts absolutes Tabu ist, wird bei der Bankenaufsicht BaFin glatt genehmigt: Der Handel mit Aktien von Unternehmen, die die BaFin beaufsichtigt. Die FDP will den Vorgang im geplanten Untersuchungsausschuss zur Wirecard-Affäre zur Sprache bringen.

Was bei Bundesbank und EZB wegen Insiderverdachts absolutes Tabu ist, wird bei der Bankenaufsicht BaFin glatt genehmigt: Der Handel mit Aktien von Unternehmen, die die BaFin beaufsichtigt. Die FDP will den Vorgang im geplanten Untersuchungsausschuss zur Wirecard-Affäre zur Sprache bringen.

Die im Fall Wirecard in die Kritik geratene Bankenaufsichtsbehörde BaFin erlaubt ihren rund 2700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auf eigene Rechnung mit Aktien von Unternehmen zu handeln, die sie beaufsichtigt. Die Behörde steht damit in krassem Gegensatz zu Bundesbank und Europäischer Zentralbank. Auch diese Institutionen haben die Aufgabe, Banken, Versicherer und andere Finanzdienstleister in Deutschland zu überwachen. Um jeglichen Handel von Personen, die über Insiderwissen verfügen könnten, auszuschließen, haben Bundesbank und Europäische Zentralbank (EZB) ihren betroffenen Mitarbeitern den Aktienhandel nach Informationen des WirtschaftsKuriers jedoch strikt verboten.

Im eigenen Haus nicht ganz so streng

Die detaillierte Beschreibung, was Insiderhandel ist und wieso er bestraft wird, hat die BaFin selbst ausgearbeitet. Sie lautet: Insiderhandel liege vor, „wenn Personen, die Kenntnis von einer Insiderinformation haben, aufgrund dieses Wissens Papiere des betroffenen Unternehmens erwerben oder veräußern, um sich so einen wirtschaftlichen Sondervorteil zu verschaffen.“ Eine Insiderinformation sei jede nicht öffentlich bekannte Tatsache, die im Falle ihres Bekanntwerdens den Kurs erheblich beeinflussen könne. „Bei Verdacht auf Insiderhandel leitet die BaFin eine Insideruntersuchung ein und erstattet Anzeige bei der Staatsanwaltschaft“, lautet die unmissverständliche Warnung der Behörde.

Im eigenen Haus ist man da nicht ganz so streng. Aktien seien vom Grundgesetz geschütztes Eigentum, sagt eine Sprecherin der Behörde. Wenn die Mitarbeiter bestimmte Vorgaben einhalten, sei der Aktienhandel erlaubt.  Die Vorgaben sind überschaubar: Die Beschäftigten müssen private Finanzgeschäfte beim Vorgesetzten melden. Die Meldungen werden daraufhin überprüft, ob die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter irgendetwas wissen könnte, was sie oder ihn zum Insider macht. Ist das nicht der Fall, geht der Deal in Ordnung. Nach Auskunft der BaFin wurden bisher keine Verstöße festgestellt. Alle zwischen Anfang des Jahres 2019 und 30. Juni 2020 gemeldeten privaten Finanzgeschäfte wurden genehmigt. Rund 550 der 2700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten in dem genannten Zeitraum ihre Deals angemeldet. Schwunghaft geht es in der Behörde speziell beim Handel mit Wirecard-Aktien zu. Das Papier des von der BaFin beaufsichtigte Pleite-Unternehmens, dessen Aktienkurs derzeit schnell mal je nach Informationslage um 50 Prozent steigt oder sinkt, war dieses Jahr in 2,54 Prozent der gemeldeten privaten Deals der Mitarbeiter ein Thema.

Tabuthema für die Bundesbank

Ganz anders verhalten sich Bundesbank und Europäische Zentralbank. Was sie dürfen und was nicht, steht in ihren Leitlinien, und die sind streng: Angehörige der Bereiche Bankenaufsicht, Märkte, Finanzstabilität, Risikocontrolling, Volkswirtschaft und Recht sowie alle Beschäftigten in Leitungsfunktionen unterliegen ausnahmslos einem Handelsverbot. Sie dürfen keine Aktien, Anleihen und Derivate von Kapitalgesellschaften, die im Finanzsektor tätig sind, handeln. Die Wirecard-Aktie ist damit ein absolutes Tabu. Nur wer nicht ganz so eng mit Aufsichtsfunktionen befasst ist, darf Aktien von Finanzdienstleistern handeln, muss das aber ähnlich wie bei der BaFin anmelden.

Im Bundesfinanzministerium, das als Aufsichtsbörde über die BaFin wacht, ist man dennoch entspannt. Es sei „nicht ungewöhnlich“, dass Mitarbeiter der Finanzaufsicht mit Aktien handeln, hatte ein Sprecher kürzlich erklärt, nachdem die Deals der Mitarbeiter mit Wirecard-Aktien in diesem Monat bekannt geworden waren. Ob sich die Praxis ändern soll, ist ungewiss. Es würden „natürlich alle Prozesse“ überprüft und dann „Schlüsse“ daraus gezogen, heißt es aus dem Ministerium von Finanzminister und Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Für Scholz kann der Vorgang heikel werden, da der Fall Wirecard und insbesondere die Rolle der BaFin und des Finanzministeriums Gegenstand eines Untersuchungsausschusses werden könnte, den die Opposition einberufen will. Ob er kommt, ist derzeit noch unklar. Der finanzpolitische Sprecher der FDP, Florian Toncar, treibt die Vorbereitung für den Untersuchungsausschuss derzeit voran. Das Vorgehen der BaFin in Sachen Aktienhandel der eigenen Beschäftigten hält er für „anrüchig“. Es sei auf jeden Fall ein Thema für den geplanten Untersuchungsausschuss, in dem auch BaFin-Chef Felix Hufeld vorgeladen werden soll. Er hat durch den vergleichsweise laxen Umgang seiner Behörde mit dem Thema nun einen weiteren Punkt, den er aufklären muss.                

oli

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