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Ob neu oder alt, Hauptsache ungewöhnlich

Die heftigen Turbulenzen an den internationalen Märkten und die Lehman-Pleite haben den deutschen Zertifikatemarkt nachhaltig verändert. Bei aller Kritik sollte man jedoch nicht vergessen, dass viele Produkte ihr Geld tatsächlich wert sind. Schließlich gibt es zahlreiche Verbesserungen und Strukturen, die Privatanlegern Segmente und Strategien erst eröffnen.

BÖRSE am Sonntag

Das beste Beispiel dafür sind Discount- Zertifikate. Die Papiere erlauben es Privatanlegern im wahrsten Sinne des Wortes aus der momentan hohen Volatilität Kapital zu schlagen. Da die Struktur den Kauf eines Basiswertes, zum Beispiel einer Aktie, und den gleichzeitigen Verkauf einer Call-Option auf diesen Basiswert verbrieft, ermöglicht sie es Privatanlegern die Optionsprämie zu vereinnahmen. „Die hohen Volatilitäten, die wir zurzeit wieder am Aktienmarkt beobachten, kommen besonders Discount- und Bonuszertifikaten zugute. Vor allem Discount- Strukturen finden bei Anlegern aktuell eine sehr hohe Akzeptanz“, so Jochen Fischer, Leiter Investmentstrategie Derivate von Goldman Sachs. Ohne diese Produkte würden wohl nur die wenigsten Privatanleger von dieser momentan äußerst lukrativen Strategie Gebrauch machen. Einige weitere interessante Derivate sind allerdings deutlich weniger bekannt.

Zertifikate gegen Inflation

So bieten die Emittenten verprellten Aktionären eine Vielzahl von Papieren an, die auch ohne DAX, Siemens & Co. als Basiswert auskommen. „Die Unsicherheit und die Kursverluste an den Aktienmärkten wirken sich derzeit auch auf die Wahl der Basiswerte aus: Während der Absatz von Zertifikaten auf Aktien erst langsam wieder in Gang kommt, erleben wir eine deutlich höhere Nachfrage nach Zinszertifikaten. Deren Rendite wird hier entweder von der Entwicklung von Zinssätzen oder von festgelegten Kupons bestimmt“, so Marc Pawlak, Leiter des Produktmanagements Zertifikate bei der WestLB. Allerdings gilt es hier sehr genau hinzuschauen, denn nur wenige dieser Produkte sind auch tatsächlich in der Lage, eine nennenswerte Rendite zu erzielen. Mager fallen zum Beispiel meist die Renditen von Inflationszertifikaten aus. Diese zahlen in der Regel einen jährlichen Kupon aus, der vom harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI ex Tobacco) abhängt. Den gigantischen Konjunkturprogrammen zum Trotz steht die Inflationsrate jedoch noch vergleichsweise niedrig und könnte im Verlauf der nächsten Monate sogar noch weiter fallen. In diesem Fall erhalten die Besitzer entsprechender Zertifikate jedoch nur eine Mindestverzinsung und die liegt meist deutlich unter dem aktuellen Tagesgeldsatz.

Devisenhandel für Konservative

Interessanter sind da schon Zinszertifikate auf ausländische Währungen. Sie erlauben es dem Anleger von Wechselkursänderungen zu profitieren. „Der Devisenmarkt wird für Privatanleger immer interessanter. Bislang haben sich dort vor allem die erfahrenen Anleger mit Options- und Turboscheinen engagiert. Sal. Oppenheim bietet mit Bonuszertifikaten auf Devisen aber auch interessante Produkte für konservativere Anleger an“, erläutert Christopher Maaß, Zertifikateexperte des Bankhauses Sal. Oppenheim. So lässt sich zum Beispiel spielend leicht auf das britische Pfund (WKN: 918604) spekulieren. Der Wert des Zertifikats erhöht sich täglich um den auf Tagesbasis zurückgerechneten aktuellen Zinssatz. Gleichzeitig reagiert das Zertifikat auf die Währungsentwicklung. So sind bei steigendem Pfund-Wert höhere Renditen möglich als bei einem herkömmlichen Euro- Tagesgeldkonto. Wer sein Geld noch etwas höher verzinst anlegen möchte, sollte einen Blick auf Zinszertifikate mit Basiswert südafrikanischer Rand (z.B. WKN: 918556) oder bulgarischer Lew (z.B. WKN: AA0CUU) werfen. Das Papier auf den Lew bietet momentan einen Zinssatz von rund 3%. Der Clou: Ein Währungsrisiko besteht nicht, denn der Wert des Lew ist direkt an den Euro gekoppelt. Selbstverständlich sind auch deutlich spekulativere Produkte erhältlich. Mit dem von Sal. Oppenheim emittierten Turbo Bull Open End Zertifikat (WKN: SFL60U) lässt sich beispielsweise gehebelt auf die Entwicklung des Euro gegenüber der türkischen Lira wetten.

Von Turbulenzen profitieren

Ebenfalls unabhängig von der Entwicklung der Aktienmärkte verlaufen die Notierungen von verbrieften Versicherungsrisiken. Diese sogenannten Cat Bonds und Insurance Linked Securities befinden sich dementsprechend auch im Aufwind. Die Credit Suisse Deutschland vertreibt als Erste ein Zertifikat, das Privatanlegern Zugang zur Anlagekategorie der Insurance Linked Strategies (ILS) bietet. Mit den Credit Suisse IRIS Balanced Certificates (WKN: A0SN3Y) haben Privatanleger die Möglichkeit, von einem aktiv verwalteten Portfolio von Versicherungsrisiken zu profitieren. Ziel des Emittenten ist es, dem Anleger auf dieser Basis eine Performance zu liefern, die möglichst unabhängig von den Entwicklungen an den Finanzmärkten ist. Versicherungen wiederum übernehmen hier quasi den Part der Versicherten, indem sie Risiken an Investoren abtreten und ihnen dafür Prämien entrichten. Die Risikostreuung soll durch die Hereinnahme von voneinander unabhängigen Versicherungsfällen aus so unterschiedlichen Bereichen, wie Naturkatastrophen und beispielsweise der Luft- und Raumfahrt, erreicht werden. Das im Januar 2008 gestartete Zertifikat strebt bei einer äußerst niedrigen Volatilität (zwischen 3% und 5%) eine Nettorendite in etwa in Höhe des 3-Monats-LIBOR plus 8% an. Für das erste Jahr wurde dies auch tatsächlich erreicht: Auf Sicht der letzten 12 Monate liegt die Performance bei knapp 9%.

Mit Sicherheit ein verbessertes Timing

Ein Dauerbrenner ist dagegen das Thema Sicherheit. Doch selbst bei den erzkonservativen Garantierzertifikaten steht die Zeit nicht still. Zu Recht, denn der 100-prozentige Kapitalschutz zum Laufzeitende ist gerade in der aktuell schwierigen Marktphase Gold wert. Mit einem kleinen Schönheitsfehler: „Allerdings sollte Anlegern bewusst sein, dass der Kapitalschutz, also die vollständige Rückzahlung des Nennbetrags, ausschließlich zum Laufzeitende gilt“, so Pawlak. Dies hat zur Folge, dass nicht wenige Produkte während der Laufzeit deutlich im roten Bereich notierten. Benötigt der Anleger in einer solchen Phase sein Geld, erleidet er bei einem vorzeitigen Verkauf unweigerlich Verluste. Neue Garantiezertifikate versprechen hier Abhilfe: „Produkte wie die Europa Protect-Anleihen der WestLB bieten daher nun ein Kündigungsrecht für die Anleger. Das hat einen großen Vorteil: Damit können sie die Anleihe jedes Jahr zu einem festen Termin vorzeitig zum Nennbetrag zurückgegeben“ so Pawlak weiter.

Trend zu kürzeren Laufzeiten

Bis vor wenigen Monaten stand bei der Auswahl von Anlagezertifikaten ein Auswahlkriterium bereits vorab fest: Die Mindestrestlaufzeit sollte mindestens 1 Jahr betragen. „Aufgrund der Abgeltungsteuer spielt die Spekulationsfrist keine Rolle mehr. Wir werden daher einen zunehmenden Trend zu kurz laufenden Produkten sehen“, so Christopher Maaß von Sal. Oppenheim. Tatsächlich erfreuten sich Discount- Zertifikate mit ungewöhnlich kurzen Laufzeiten von drei bis vier, maximal fünf Monaten Restlaufzeit bei Investoren in den vergangenen Wochen großer Beliebtheit. Bei Papieren auf einzelne Aktien werden mittlerweile sogar solche mit Laufzeiten zwischen vier und sechs Wochen von den Anlegern hoch geschätzt. Insbesondere die Kombination aus hohem Sicherheitspuffer und kurzer Restlaufzeit ist heiß begehrt und trägt dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis Rechnung. Besonders geeignet für solche kurz laufenden Strukturen sind Produkte mit hohem Volatilitätseinfluss – wie die oben genannten Discount-Zertifikate.

Fazit

Neben bewährten Basiswerten eröffnen Zertifikate dem Anleger auch den Zugang zu ungewohntem Terrain. Wer von den Aktienmärkten unabhängige Renditen erwirtschaften möchte, dem bieten Zins- und Katastrophenzertifikate echte Alternativen. Dazu zählt auch die Möglichkeit, beispielsweise über kurz laufende Discounter indirekt die Volatilität selbst zu handeln.