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Wie sich die US-Wahlen auf Wirtschaft und Finanzen auswirken

Trump gegen Biden, Republikaner gegen Demokraten: In wenigen Tagen entscheidet sich, wer der neue US-Präsident wird. Was die beiden Alternativen für die US-Wirtschaft und die Finanzmärkte bedeuten

Duell zweier Streithähne: Die Umfragewerte deuten auf einen Wahlsieg von Joe Biden hin (Bild: Shutterstock).

Trump gegen Biden, Republikaner gegen Demokraten: In wenigen Tagen entscheidet sich, wer der neue US-Präsident wird. Was die beiden Alternativen für die US-Wirtschaft und die Finanzmärkte bedeuten

Von Dr. Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust

Auch wenn der Vorsprung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden in Meinungsumfragen zuletzt etwas abgenommen hat, könnte in wenigen Tagen die Abwahl Donald Trumps anstehen. Falls es so käme, würde er als einer der ganz wenigen Präsidenten abtreten, die keine zweite Wahlperiode regieren konnten. Obwohl schon viele Briefwähler abgestimmt haben, ist es gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass Trump noch obsiegt. Bekanntlich hängt es von einigen Swing States ab, wer die Mehrheit der Wahlmännerstimmen erhält und zum Präsidenten ernannt wird.

Zudem hängen die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Wahl davon ab, wie sich die Mehrheitsverhältnisse im Kongress ändern und inwieweit die Agenda der beiden Kandidaten umgesetzt werden kann. Der Kongress ist derzeit gespalten, wobei die Demokraten die knappe Mehrheit der insgesamt 435 Sitze im Repräsentantenhaus haben und die Republikaner mit 53 zu 45 Sitzen im Senat die Mehrheit darstellen (100 Sitze insgesamt; 2 unabhängige Senatoren, gehören aber der Fraktion der Demokraten an).

Langfristig: eine Richtungswahl

In der Diskussion über die Auswirkungen des Wahlausgangs wird vielfach auf Gemeinsamkeiten und Überlappungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik hingewiesen. Das ist sicher richtig. Nimmt man aber einen längerfristigen Blickwinkel ein, ist die anstehende Wahl eine Richtungswahl für die Vereinigten Staaten. Sie ist von größter Tragweite für die Zukunft des Landes, denn in den zentralen Bereichen der Politik stehen Trump und Biden für gegensätzliche Ziele. Geht man die wichtigsten Politikbereiche durch findet man kaum vergleichbare Ansätze, weder in der Umwelt- und Energiepolitik, noch in der Gesundheitspolitik und anderen Feldern der Sozialpolitik, und auch nicht in der Pandemiebekämpfung, der inneren Sicherheit, in Fragen der Geopolitik, der Finanzmarktregulierung, der Steuer- und Verteilungspolitik und der Migrationsfrage.

Die Entwicklung der USA und ihre Rolle in der Welt werden also in entscheidendem Maße vom Ausgang der diesjährigen Wahl bestimmt werden. Eine Fortsetzung der bisherigen Politik wird die westliche Gemeinschaft und multilaterale Organisationen wie die WTO, die WHO oder die UN weiter schwächen. Sie ließe erwarten, dass chinesische Machtansprüche weiter vordringen könnten. Im Falle eines demokratischen Wahlsiegs wäre mit stärkerer internationaler Koordination und weniger Konfrontation zu rechnen. Allerdings ist auch bei den Demokraten eine Tendenz zum Protektionismus und zur Zurückdrängung chinesischer Wirtschaftsmacht gegeben. Falls sich darüber hinaus in der blauen Partei eher regulierungsintensive Politikansätze und deutliche Steuererhöhungen als Rezept durchsetzen, könnte die Wirtschaftsdynamik in der größten Volkswirtschaft gebremst werden.

Die Konjunkturpolitik ist in jedem Falle expansiv

Ähnlichkeiten der beiden Wahlprogramme gibt es vor allem in ihrer Toleranz für sehr hohe öffentliche Defizite sowie in der Ausrichtung auf US-amerikanische Interessen.

In der Konjunkturpolitik setzt Präsident Trump darauf, die mit der Steuerreform 2017 geltenden, aber teils befristeten, Steuerermäßigungen für Individuen wie auch Firmen dauerhaft zu verlängern und weitere Steuerreformen anzugehen. Biden kündigte dagegen im Verlauf des Wahlkampfs die Rücknahme beziehungsweise Modifizierung steuerlicher Entlastungen im Falle seiner Wahl an. Die Demokraten streben eine ausgabenintensive Fiskalpolitik an, wobei die Umsetzung umweltpolitischer Maßnahmen und – in klarem Gegensatz zu Trump – die Ausweitung der Gesundheitsversorgung, insbesondere von Obamacare, wichtige Aspekte sind.

Große Unterschiede gibt es auch in punkto Regulierung. In der Finanzbranche wollen die Demokraten tendenziell reregulieren. So strebt Biden die Stärkung und Durchsetzung der Dodd-Frank-Gesetzgebung an. Neben mehr Transparenz und Sicherheit sollen Finanzinstitute hinreichend für einen potenziellen Systemschock gewappnet werden.

Protektionistische Tendenzen sind auf den Agenden beider Parteien zu finden. Der vermeintliche Schutz amerikanischer Arbeitsplätze, verbesserte Produktionsbedingungen innerhalb des Landes und Einschränkungen des Wettbewerbs zugunsten amerikanischer Firmen sind die Stichworte hinter den entsprechenden Programmpunkten. Als Gegenpol zu Trumps undurchsichtiger Zollpolitik sowie dem unilateralen Vorgehen in handelspolitischen Fragen würde eine Biden-Administration jedoch mehr Stabilität und Berechenbarkeit versprechen. Schon ein Spannungsabbau in der transnationalen Kooperation käme der US-Wirtschaft sowie der ihrer Handelspartner zugute.

Inwieweit diese Wahlprogramme durchgesetzt werden können, wird von Zusammensetzung des Kongresses abhängen. Es gibt zwar in den USA einige Bereiche, wie Regulierungspolitik oder Klimaschutz, in denen ein Präsident ohne den Kongress mit Verordnungen handeln kann, aber Beratung und Beschlussfassung über den Haushalt gehören nicht dazu. Dem Kongress obliegt es, über Ausgaben oder Steuern mit einer Mehrheit in beiden Kammern zu entscheiden.

Unter der Annahme, dass der Status quo bei den Mehrheitsverhältnissen im Kongress gewahrt bleibt, sind grundlegende Veränderungen in der Steuer- und Ausgabenpolitik nicht sehr wahrscheinlich. Anzunehmen ist allerdings, dass eine Verständigung auf ein weiteres Konjunkturpaket gelingt, wenn die wirtschaftliche Erholung ins Stocken geraten und der Arbeitsmarkt sich nur zögerlich erholen sollte. Im Falle einer republikanischen Regierung wird dieses Paket allerdings deutlich geringer ausfallen als bei einem demokratischen Präsidenten.

Die US-Wirtschaft erzielt 2021 ein deutliches Plus

Für die kurzfristige konjunkturelle Entwicklung in den USA ist der Wahlsausgang weniger wichtig als für die langfristige Entwicklung des Landes. Das Jahr 2021 dürfte, wie schon 2020, stark von geld- und fiskalpolitischen Stützungsmaßnahmen geprägt sein.

Auch dank der fiskalpolitischen Maßnahmen ist bereits für das dritte Quartal 2020 ein kräftiger Anstieg der Wirtschaftsleistung zu erwarten, der etwa 70 % des BIP-Verlusts im zweiten Quartal wieder ausgleicht. Angetrieben wird die Entwicklung vom Privaten Verbrauch. Der Kauf von Waren hat sein Vorkrisenniveau bereits wieder überschritten. Unterstützt werden wird die Konsumtätigkeit durch eine Normalisierung der Sparquote, die in diesem Jahr wegen der eingeschränkten Konsummöglichkeiten und der Auszahlung staatlicher Transfers sprunghaft angestiegen war.

Auch die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen werden sich in 2021 weiter erholen, wie steigende Auslieferungen an Investitionsgütern (ohne Rüstungsgüter und Flugzeuge) schon jetzt andeuten. Sowohl für die Ausrüstungsinvestitionen wie auch für die Bautätigkeit wirken die kräftig gesunkenen Zinsen am Anleihemarkt stimulierend. Am Wohnungsmarkt ist nach dem Einbruch im April dieses Jahres wieder eine kräftige Nachfragebelebung zu sehen.

Selbst wenn sich das Wachstumstempo der USA in den nächsten Monaten und in 2021 weiter abflacht, wovon auszugehen ist, wird auch aufgrund des Startpunktes in 2021 ein Wachstum von mindestens 4 % erreicht werden können.  

Die von der Regierung beschlossenen Hilfsmaßnahmen haben das Defizit im Bundeshaushalt im gerade abgelaufenen Fiskaljahr (bis September) nach einer ersten Schätzung des Congressional Budget Office (CBO) auf gut 15 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts hochschnellen lassen (2019: 4,6 %). In Relation zur Wirtschaftsleistung ist es damit im fünften Jahr in Folge angestiegen. Für das nächste Jahr wird auf Basis der geltenden Gesetzeslage zwar mit einem geringeren Defizit gerechnet, dennoch wird es mehr als 8 % des BIP sehr hoch ausfallen. Sollte es eine demokratische Regierung geben, wird die Defizitentwicklung eher noch etwas höher ausfallen, als es bereits absehbar ist.

Das parlamentarisch umstrittene Fiskalpaket dürfte unter einer demokratischen Regierung tendenziell höher ausfallen. Das wäre vor allem dann der Fall, wenn sich die Demokraten in beiden Kammern des Kongresses durchsetzen könnten. Dies ist zurzeit allerdings noch Spekulation.

Folgen für die Finanzmärkte

Im Laufe der vergangenen Monate haben sich die Finanzmärkte mit den finanzpolitischen und wirtschaftspolitischen Programmen der Demokraten etwas angefreundet. Die Sorge vor wachstumsschädlichen Steuererhöhungen und übermäßigen Regulierungsinitiativen bei demokratischer Mehrheit ist zurückgegangen. Konjunkturpolitisch wird eine expansive Politik Bidens erwartet. Daher sind größere Korrekturen an den Finanzmärkten oder stärkere Verluste des US-Dollar bei einem Regierungswechsel nicht zu erwarten.

Sollte die Wahl einen klaren Sieger und gegebenenfalls auch andere Verhältnisse in den Kammern des Kongresses bringen, werden Anleger rasch die sektoralen Folgen abschätzen und entsprechend disponieren.

Ein Negativszenario für die Aktienmärkte und den US-Dollar wäre ein sehr knapper Wahlausgang, der für einige Monate unklare Verhältnisse hervorbringt und zu einem juristischen Nachspiel führt. In dieser Situation wäre zumindest kurzfristig Volatilität zu erwarten.

Auch aufgrund dieses denkbaren Szenarios erscheint es derzeit empfehlenswert, nicht auf einen bestimmten Wahlausgang und vermutete positive Auswirkungen zu spekulieren. Ohnehin hat es sich in der Vergangenheit erwiesen, dass die Börsenentwicklung stärker von den fundamentalen Trends als von der jeweiligen Regierungspartei geprägt war. Lesen Sie auch: Die richtigen Aktien für eine Biden-Wette