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Zertifikate gehen gestärkt aus der Krise

Auf den ersten Blick scheint im deutschen Zertifikateuniversum alles wieder beim Alten zu sein: Jeden Tag werden unzählige Papiere neu emittiert und die Absatzzahlen steigen von Monat zu Monat. Doch Finanzkrise und Lehman-Pleite haben den Derivatemarkt nachhaltig verändert, und dieser Prozess ist keineswegs beendet.

BÖRSE am Sonntag

Nach den heftigen Turbulenzen an den internationalen Märkten und der Pleite von Lehman Brothers im Herbst 2008 war das Vertrauen in die Zertifikate zunächst schwer erschüttert. Doch nachdem sich der Staub gelegt hat, ist festzustellen, dass eine Bereinigung eingetreten ist, dass aber Zertifikate auch in Zukunft eine wichtige Rolle im Anlageuniversum der Privatanleger einnehmen werden. Ablesen lässt sich dies unter anderem an der Entwicklung des Markvolumens.

Zertifikatemarkt wieder auf Wachstumskurs

Letzteres hat sich seit dem Tiefststand im März 2009 bei rund 80 Mrd. Euro inzwischen deutlich erholt: Im vergangenen September lag das ausstehende Volumen erstmals wieder über der Marke von 100 Mrd. Euro. In die gleiche Richtung deutet auch das Ergebnis einer aktuellen Umfrage von Feri EuroRating Services: Die große Mehrheit der Emittenten sieht demnach 2010 ein zunehmendes Absatzpotenzial für Zertifikate. Insgesamt dürfte sich der Aufwärtstrend also fortsetzen. Auf der Ebene der Zertifikatgattungen ergibt sich hingegen ein differenzierteres Bild. Positiv werden nämlich vor allem die Garantieprodukte gesehen. Da verwundert es kaum, dass letzteren auch die besten Absatzchancen eingeräumt werden: 90% der befragten Emittenten erwarten für Garantiezertifikate gute oder sehr gute Absatzchancen, gefolgt von Aktienanleihen und Discountern mit je 84%. Bonusstrukturen (47%) und Indexzertifikate (41%) haben dagegen nur durchschnittliche Aussichten, während Sprint- und Outperformanceprodukten eher mäßige Absatzerfolge eingeräumt werden. Jeweils 60% der Befragten erwarten hier nur ein unterdurchschnittliches oder sogar schwächeres Abschneiden.

Kapitalschutzprodukte boomen

Insofern hat der Crash auch sein Gutes: Übertreibungen in Sachen Komplexität und Gebühren dürften der Vergangenheit angehören. Auf den ersten Blick scheint im deutschen Zertifikateuniversum alles wieder beim Alten zu sein: Jeden Tag werden unzählige Papiere neu emittiert und die Absatzzahlen steigen von Monat zu Monat. Doch Finanzkrise und Lehman- Pleite haben den Derivatemarkt nachhaltig verändert, und dieser Prozess ist keineswegs beendet. Stattdessen erfolgt eine Rückbesinnung auf die ursprünglichen Tugenden. Denn der große Vorteil von Derivaten ist schließlich der Kostenvorteil gegenüber Investmentfonds, die größere Flexibilität im Vergleich zu ETFs und ein meist besseres Chance-Risiko-Profil gegenüber der Direktanlage. Heiko Geiger von der Schweizer Vontobel sieht das ähnlich: „Es werden weiterhin einfache und transparente Strukturen nachgefragt. Also Discount-Zertifikate, Aktienanleihen und einfache Garantiezertifikate. Indexzertifikate werden aufgrund des günstigen Marktumfeldes an Bedeutung gewinnen.“ Das spiegelt sich auch bei der Entwicklung der Marktanteile wider. Laut der vom Deutschen Derivate Verband (DDV) veröffentlichten Statistik zum Marktvolumen im Oktober stecken mittlerweile mehr als 66% des Geldes, das Anleger in Zertifikate investiert haben, in Kapitalschutzprodukten. Damit hat sich der Marktanteil dieser besonders konservativen Produktgattung innerhalb von 2 Jahren verdoppelt: Auf dem Gipfel des Zertifikatebooms, im September 2007, lag ihr Anteil bei lediglich einem Drittel.

Bessere Chancen mit neuen Modellen

Um dem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis Rechnung zu tragen, wurde aber auch an bestehenden Strukturen gearbeitet. So verfällt der Anspruch auf die finale Bonuszahlung bei Bonus-Reservoir-Zertifikaten erst dann, wenn das „Reservoir“ aufgebraucht ist. Das funktioniert wie folgt: Wird die Schwelle unterschritten, dann reduziert sich das Reservoir prozentual um den Betrag, um den der Index die Schwelle pro Tag unterschreitet. Notiert der Index beispielsweise an einem Tag um 2% und am nächsten Tag um 6% unterhalb der Schwelle, dann reduziert sich das Reservoir um 8% auf 92 Prozentpunkte. Steigt der Index später wieder über die Barriere, dann bleibt der Wert des Reservoirs gleich. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bonuszertifikaten, bei denen die Prämie beim erstmaligen Berühren der Barriere sofort verloren ist, verfällt die Chance auf den Bonus bei den Neulingen erst dann, wenn das Reservoir vollständig aufgebraucht ist. Die Auswirkungen kurzfristiger Ausschläge zu minimieren ist auch das Ziel einer weiteren Innovation im Bereich der Bonuspapiere, den sogenannten European-Bonus-Zertifikaten: „Gerade in Zeiten heftiger Kursschwankungen kann ein European- Bonus-Zertifikat von Vorteil sein, weil der PROTECT-Level nur auf Schlusskursbasis beobachtet wird“, erläutert Christopher Maaß, Zertifikate- Spezialist von Sal. Oppenheim, die Funktionsweise.

Die Innovation des Jahres

Die innovativste Konstruktion des letzten Jahres kommt hingegen aus dem Hause der britischen Barclays Bank: Die One Touch Express-Struktur belegte beim Zertifikate Award 2009 in der Kategorie „Innovation des Jahres 2009“ den 1. Platz. Wie das Produkt funktioniert, lässt sich am einfachsten an der neuesten Auflage, dem One Touch Express Zertifikats III (WKN BC1C73), nachvollziehen: Schließt der Basiswert, hier der DJ EURO STOXX 50, während eines Jahres an irgendeinem Tag auf oder über 55% seines Startwertes, so erfolgt für das betreffende Jahr automatisch eine Kuponzahlung von 6%. Fällt eine der jährlichen Zahlungen aus, können diese zudem in den Folgejahren nachgeholt werden. Für spekulative Anleger, die sich vorwiegend mit Hebelprodukten beschäftigen, war die größte Neuerung hingegen die Einführung sogenannter Intraday Turbos durch HSBC Trinkaus. Dass auch dieser Bereich des Zertifikateuniversums die Krise überstanden hat, zeigen die vom DDV für das vierte Quartal veröffentlichten Zahlen: Der Handel mit Knock-out-Papieren zog in diesem Zeitraum um 6,6 Prozentpunkte auf 4,0 Mrd. Euro (Umsatz) an.

Es müssen nicht immer Aktien sein

Eine weitere Entwicklung ist der Trend zu Zinsprodukten. Besonders gefragt waren hier sogenannte Inflations- und Stufenzinsanleihen. Sie erfreuten sich einer so starken Nachfrage, dass die Zeichnung häufig bereits vorzeitig geschlossen wurde. Befeuert wird diese Entwicklung vor allem von den schlechten Erfahrungen vieler Anleger mit Aktien und Rohstoffen. Die sicheren Anleihekonstruktionen verdanken ihre Popularität vor allem ihrem dem Sparbrief ähnlichen Charakter, und dies dürfte sich auch noch einige Zeit fortsetzen. Einen Schritt weiter gehen hingegen Zertifikate, die eine Teilhabe an der Entwicklung ausländischer Währungen oder die Spekulation auf Wechselkursentwicklungen ermöglichen. Diese Papiere bilden die Kursentwicklung einer bestimmten Währung ab und sammeln täglich die kurzfristigen Geldmarktsätze dieser Währung an. Die Zinsen werden dabei nicht ausgeschüttet, sondern dem Wert des Zertifikats zugeschlagen. Chancen und Risiken sind daher analog zu denen von Fremdwährungskonten, nur das Handling ist deutlich einfacher. Gut geschlagen haben sich in diesem Umfeld Produkte wie das Super Zins Festgeld-Zertifikat der RBS (WKN ABN4SZ) oder der TopZins Währungspicker (WKN LBB1WS) von der Landesbank Berlin (LBB): Sie bilden gleich einen ganzen Korb aus hochverzinslichen Festgeldanlagen ab und werden mit der Schwäche des Euro und der hohen Staatsverschuldung einiger EU-Mitgliedstaaten immer interessanter. Das Papier der LBB legte beispielsweise seit Anfang Dezember um über 6% zu.

Fazit

Der Fokus liegt mittlerweile wieder auf  einfachen und bewährten Strukturen. Die Übertreibungen in Sachen Komplexität und Gebühren dürften damit der Vergangenheit angehören. Mit der Rückbesinnung auf die ursprünglichen Tugenden hat die Branche wieder auf den Wachstumspfad zurückgefunden: Die großen Vorteile von Derivaten sind schließlich der Kostenvorteil gegenüber Investmentfonds, die größere Flexibilität im Vergleich zu ETFs und ein meist besseres Chancen-Risiko-Profil gegenüber der Direktanlage.