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Stagnation: Larry in Lebensgefahr?

Die Zahl der Twitter-Nutzer steigt nicht mehr. Der Nachrichtendienst will seinen Nutzern nun die Möglichkeit bieten, Nachrichten von einem Algorithmus nach Relevanz sortieren zu lassen. Schon im Vorfeld hagelte es Kritik von Nutzern. Die Aktie sackt auf immer neue historische Tiefststände. Stürzt das Larry-Papier jetzt unter die Zehn-Euro-Marke?

BÖRSE am Sonntag

Die Zahl der Twitter-Nutzer steigt nicht mehr. Der Nachrichtendienst will seinen Nutzern nun die Möglichkeit bieten, Nachrichten von einem Algorithmus nach Relevanz sortieren zu lassen. Schon im Vorfeld hagelte es Kritik von Nutzern. Die Aktie sackt auf immer neue historische Tiefststände. Stürzt das Larry-Papier jetzt unter die Zehn-Euro-Marke?

Twitter gibt seinen Nutzern wie erwartet die Möglichkeit, die Nachrichten vom Computer gewichten zu lassen. Bei der Option werden die Tweets nicht mehr wie gewohnt in chronologischer Reihenfolge dargestellt, sondern nach einem Algorithmus, der die für einen Nutzer relevanten Nachrichten höher einsortiert. Der Plan war bereits vorab durch einem Bericht der Website „Buzzfeed“ durchgesickert. Da es zunächst unklar war, ob die Neuerung freiwillig sein wird oder für alle gelten soll, hagelte es Kritik von Nutzern. Schon am Wochenende zeichnete sich aber ab, dass es sich nur um eine Option handeln soll.

Die Neuerung baut auf einer ähnlichen Funktion aus der offiziellen Smartphone-App von Twitter auf, die den Nutzern nach einigen Stunden Abwesenheit zunächst vom Algorithmus ausgewählte verpasste Tweets anzeigt. Nun wird sie aber auch in der Web-Ansicht verfügbar sein. Der Protest ist heftig. Unter dem Hashtag #RIPTwitter protestieren Alt-Twitterer gegen die Neuerung, mit der Unternehmenschef Jack Dorsey Neu-Twitterer von sich begeistern will. Die sonst jeder Innovation zugewandte Community zeigt sich geradezu konservativ. Doch die alten Fans zeigen für den radikalen Rettungsansatz kein Verständnis. Twitter riskiere seinen Charme zu verlieren, wettern sie oder schreien „Zensur“.

Twitters erneut schwache Zahlen zeigen deutlich, dass die Neuordnung nötig ist. Das Netzwerk wächst überhaupt nicht mehr. Die Reichweite stagniert bei 320 Millionen aktiven Nutzern. Der Umsatz stieg zwar um 48 Prozent auf 710,5 Millionen Dollar. Doch die Verluste lagen mit 90,2 Millionen Dollar, nach 125,4 Millionen im Vorjahr, immer noch sehr hoch.

Dorsey steckt damit in einer schwierigen Lage, denn er muss angesichts der enttäuschenden Zahlen einfach irgendeine neue Richtung einschlagen. So ersucht er, optimistisch in die Zukunft zu blicken. „Wir wollen uns auf das konzentrieren, was Twiiter am besten kann: live dabei zu sein. Wir wollen die wichtigste Plattform für alles werden, was gerade auf der Welt passiert."

Olymoische Spiele als Strohhalm für Larry

Die Kommunikation rund um kommende Ereignisse wie die Olympischen Spiele oder die US-Wahlen will Twitter ausbauen. Dorsey: „Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, das noch unmittelbarer zu erleben. Twitter ist mächtig, ist öffentlich und verbreitet die Nachricht 15 Minuten vor allen anderen Diensten. Darauf wollen wir uns konzentrieren.” Neben Investments in Richtung Nutzerbindung plant die Firma Neuerungen beim Video-Dienst Periscope. Twitter setze eben nicht auf „kurzfristige Aktivitäten”, ergänzt Manager Omid Kordestani, der erst im Oktober von Google zu Twitter wechselte. „Wir wollen langfristigen Erfolg.”

Langfristigen Erfolg? Der ist weit, weit weg. Die verzweifelten Maßnahmen des Twitter-Managements gehen in die einzig mögliche Richtung: mehr Nutzer koste es, was es wolle. Das geflügelte Wort, dass Stillstand gleichzusetzen sei mit Rückschritt, bewahrheitet sich hier besonders brutal. Larry könne auf den Kurszetteln bald im einstelligen Bereich fliegen. Und wenn die Stagnation der Nutzerzahlen länger anhält, steht die Zukunft des Nachrichtendienstes insgesamt auf dem Spiel. Handelsblatt / sig / mit Material von Britta Weddeling