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Der amerikanische Traum der Telekom

Von der Ramschware zur wichtigsten Stütze des Konzerns: Der Gewinnsprung bei T-Mobile US lässt auch bei der Deutschen Telekom die Kasse klingeln. Der Bonner Konzern kann den Gewinn auf fünf Milliarden Euro steigern. Und es könnte noch besser kommen.

BÖRSE am Sonntag

Von der Ramschware zur wichtigsten Stütze des Konzerns: Der Gewinnsprung bei T-Mobile US lässt auch bei der Deutschen Telekom die Kasse klingeln. Der Bonner Konzern kann den Gewinn auf fünf Milliarden Euro steigern. Und es könnte noch besser kommen.

Ein Gewinnsprung bei der Amerika-Tochter T-Mobile US lässt bei der Deutschen Telekom die Kassen klingeln. Das Betriebsergebnis (bereinigtes Ebitda) des Bonner Konzerns kletterte von April bis Ende Juni um 13,5 Prozent auf fünf Milliarden Euro. Der Umsatz zog im zweiten Quartal um 15,3 Prozent auf 17,4 Milliarden Euro an, wie die Telekom am Donnerstag mitteilte.  Damit toppt die Telekom die Markterwartungen leicht: Von Reuters befragte Analysten hatten bei 17 Milliarden Euro Umsatz mit einem bereinigten Ebitda von 4,95 Milliarden Euro gerechnet. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagte Vorstandschef Tim Höttges.

Geschuldet ist der Erfolg T-Mobile US – die Telekom hält zwei Drittel der Anteile. Dank hoher Investitionen und einer Werbeoffensive lockt der US-Mobilfunkanbieter seit zwei Jahren neue Kunden in Scharen. Im vorigen Quartal zog die Kundenzahl um 2,1 Millionen auf 58,9 Millionen an. Damit stieg die Telekom-Tochter jüngst zum drittgrößten US-Mobilfunkanbieter auf. Der Erfolg schlägt sich auch in der T-Mobile-Bilanz nieder: Das bereinigte Ebitda schnellte um 53 Prozent auf 1,65 Milliarden Euro nach oben.

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen – bis Ende des letzten Jahrzehnts war das US-Geschäft Wachstumsmotor der Telekom gewesen. Den Sprung über den Atlantik hatte sich die Bonner 2001 einiges kosten lassen: 40 Milliarden Euro machte der damalige Vorstandschef Ron Sommer für den Kauf des T-Mobile-Vorgängers Voicestream locker. Der Preis stellte sich als viel zu hoch heraus – ein Jahr später schrieb die Telekom 20 Milliarden Euro ab, vor allem wegen des US-Abenteuers. 

Aber Handys wurden in Amerika erst wesentlich später populär als in Europa – ein gewaltiger Aufholeffekt bescherte den Bonnern in Übersee lange gute Geschäfte. Das änderte sich 2009: Da T-Mobile in den Jahren des Booms zu wenig investiert hatte und das Netz löcherig war, nahmen die Kunden Reißaus. Bonn war ratlos. Der Befreiungsschlag sollte 2011 kommen, als der Verkauf des damals viertgrößten Mobilfunkers an US-Platzhirsch AT&T beschlossen wurde – zum Traumpreis von 39 Milliarden Dollar. Doch die US-Wettbewerbshüter stoppten die Transaktion. Der Kundenexodus beschleunigte sich. Trostpflaster waren drei Milliarden Dollar Entschädigung und wichtige Funkfrequenzen in den USA, die die Telekom von AT&T für die Vertragsauflösung bekam.

Symbolfigur der erneuten Wandlung von T-Mobile US zur Wachstumslokomotive ist John Legere. Den eigenwilligen Manager setzte der einstige Telekom-Chef René Obermann 2012 an die Spitze der zu diesem Zeitpunkt schwer angeschlagenen Amerika-Tochter. Legere bekam den Zuschlag, da er zuvor den Glasfaseranbieter Global Crossing erfolgreich auf Vordermann gebracht hatte. Dafür setzte er allerdings die Hälfte der Belegschaft vor die Tür. Bekannt für seinen rauhen Umgangsstil versprach er einen baldigen Turnaround von T-Mobile US. Wegen seiner vollmundigen Ankündigungen hatte er bei Telekom-Vorständen bald den Spitznamen „Großmaul“ weg, doch er gab buchstäblich alles: Fortan wurde er zum Dauerbotschafter der Firma und trug bei öffentlichen Auftritten stets ein rosa T-Mobile-Hemd unter der schwarzen Lederjacke. Legendär ist sein Versuch, sich auf eine Party des Rivalen AT&T zu schleichen, weil sein Lieblings-Rapper dort spielte. Er wurde an die Luft gesetzt – die Presse berichtete darüber. Bis heute zieht er auf Twitter gerne über die Konkurrenz her.

Substantieller für den Unternehmenserfolg war aber seine Tarifoffensive, die Mobilfunkkunden nicht mehr für Jahre an den Anbieter bindet, um ein subventioniertes Smartphone zu erhalten. T-Mobile-Kunden erhalten Gerät und Mobilfunkvertrag unabhängig voneinander. Erfolgreich war zudem das Angebot, neue Kunden aus den Laufzeitverträgen der Konkurrenz herauszukaufen. Dazu spendierte die Telekom ab 2012 einen milliardenteuren Netzausbau und schluckte den kleineren US-Konkurrenten MetroPCS. Nach jahrelangem Gefeilsche wurde T-Mobile im Frühjahr 2013 mit Apple handelseinig und nahm das in den USA extrem gefragte iPhone ins Programm.

Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Im zweiten Quartal 2013 verbuchte die Telekom zum ersten Mal seit dreieinhalb Jahren wieder mehr Vertragskunden, die besonders lukrativ sind. Nun gelang der Durchbruch: Mit 58,9 Millionen Kunden verdrängte T-Mobile im zweiten Quartal 2015 Sprint vom dritten Platz in der amerikanischen Mobilfunkbranche. Der Erzrivale zählte gut zwei Millionen Kunden weniger. Die US-Marktführer sind für die Deutschen aus eigener Kraft aber weiter unerreichbar: AT&T und Verizon zählen etwa doppelt so viele Handykunden wie T-Mobile.

Im Deutschlandgeschäft sah es zuletzt danach aus, als ob die Telekom mit ihrem Angebot „Magenta 1“ bei den Kunden punkten konnte. Dabei legen die Bonner verschiedene Verträge zusammen. Das soll die Übersichtlichkeit für den Kunden erhöhen. Zuletzt erklärte der Konzern, das Angebot werde gut angenommen, auch würden viele Kunden dadurch zusätzliche Dienste in Anspruch nehmen. Es wird erwartete, dass die Kundenzahlen der Telekom stabil sind.  Die Aktie hat sich in den vergangenen Monaten gut entwickelt. In den letzten Tagen gehörten die Papiere zu den Gewinnern im Dax. Die Analysten gehen von einer gesunden Entwicklung des Konzerns aus, was auch am starken US-Geschäft liegt. Analyst Adrian Pehl der Investmentbank Equinet hatte zudem bereits vor Verkündung der Zahlen zum zweiten Quartal erklärt, er gehe davon aus, dass auch im Heimatgeschäft der Umsatz stärker abgeschnitten hat, als vom Markt erwartet. Er ging davon aus, dass das Deutschlandgeschäft solide sei.

Die Umstellung der Kunden auf die IP-Telefonie lief bisher gut, so der Konzern, auch wenn es immer wieder zu Beschwerden bei der Bundesnetzagentur komme. Das Ziel ist es, bis 2018 alle Anschlüsse umzustellen. Kunden, die dies nicht wünschen, werden gekündigt. Einige Töchter in Osteuropa wurden bereits erfolgreich umgestellt. Jedoch hatten alle europäischen Beteiligungen im vergangenen Jahr Umsatzeinbuße hinnehmen müssen.

Baustellen des Konzerns sind nach wie vor das Europa-Geschäft, die IP-Umstellung und die Restrukturierung von T-Systems. Bei letzterem entscheidet sich in diesen Tagen, ob die Tochter es schafft, die Personalabbaupläne für 2015 zu erreichen. Doch Höttges, der Anfang vorigen Jahres an die Spitze von Europas größtem Telefonkonzern trat, bekräftigt die bisherige Geschäftsaussichten: Für dieses Jahr erwartet die Telekom einen Free Cash Flow von 4,3 Milliarden Euro nach 4,14 Milliarden Euro 2014. Das bereinigte Ebitda solle 18,3 Milliarden Euro erreichen nach 17,6 Milliarden Euro im Vorjahr. Die Telekom berechnet die Prognose dabei mit dem Dollar-Durchschnittskurs des Vorjahres. Seitdem hat die US-Währung allerdings im Vergleich zum Euro kräftig an Wert gewonnen. Auf Basis der Umtauschkurse des ersten Halbjahres würde die Telekom in diesem Jahr sogar 19,3 Milliarden Euro bereinigtes Ebitda einfahren, sagte ein Konzernsprecher. Und das sind wirklich erfreuliche Aussichten.

Handelsblatt / ika