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Seuchenvogel Larry?

Vor knapp zwei Jahren startete Twitter furios an der Börse. Bis heute hinkt das Unternehmen den enormen Erwartungen aber weit hinterher, der Aktienkurs fällt und fällt. Ein Höhenflug von Larry, dem blauen Twitterspatz, bleibt aus. Im Gegenteil: Er wird immer mehr zum Seuchenvogel. Gelingt endlich die Wende?

BÖRSE am Sonntag

Vor knapp zwei Jahren startete Twitter furios an der Börse. Anleger und Experten gleichermaßen attestierten dem Kurznachrichtendienst ein riesiges Potential. Bis heute hinkt das Unternehmen den enormen Erwartungen weit hinterher, der Aktienkurs fällt und fällt. Ein Höhenflug von Twitters Wappentier Larry bleibt aus. Im Gegenteil: Er wird immer mehr zum Seuchenvogel. Gelingt endlich die Wende?

Twitter und die Börse: Im ersten Moment sah das nach einer Traumhochzeit aus. Es hatten sich so viele Gäste in Form von Anlegern angekündigt, dass der Ausgabepreis Anfang November 2013 von 17 auf 26 Dollar kurzerhand erhöht werden konnte. Larry wurde von so vielen Aktionären herzlich umworben, dass das Papier innerhalb weniger Stunden plötzlich rund 50 Dollar kostete. Auf einmal hatte das zu diesem Zeitpunkt erst siebenjährige Unternehmen einen Wert von märchenhaften 25 Milliarden Dollar. Selbst der schier übermächtige blaue Plante Facebook, dessen Start ins Leben als Aktiengesellschaft zunächst weit weniger erfreulich verlief, beneidete Twitter um diesen Auftakt.

Heute, knapp zwei Jahre später, sind die Kerzen abgebrannt und die Party scheint vorbei. Und Larry ist schon lange nicht mehr nach fröhlich-beschwingtem Zwitschern zumute. Einstige Hochstände im Bereich von 70 Dollar scheinen aktuell so weit weg wie ein Spatz vom Adler. Alleine seit Jahresbeginn ist der Kurs um mehr als 20 Prozent abgerutscht. Das große Problem von Twitter liegt darin begründet, dass es dem kalifornischen Unternehmen immer noch nicht gelungen ist zum Massenphänomen aufzusteigen. Der Kurznachrichtendienst fristet nach wie vor ein Dasein als Nischenprodukt. Solange sich an diesem Status nichts ändert, bleibt die Hoffnung auf eine Trendwende beim Nutzerwachstum und bei den Werbeeinnahmen – und schließlich auch beim Aktienkurs – eher gering. „Wir erwarten kein nachhaltiges, bedeutendes Wachstum, bevor wir den Massenmarkt erreichen", stellt Finanzchef  Anthony Noto ernüchtert fest.

Optimisten träumen weiterhin vom großen Durchbruch, ganz so, wie ihn Facebook vor gar nicht allzu langer Zeit erlebte. Doch wie lange ist das –  „gefühlt“ – schon her! Die Wirklichkeit ist aktuell eine andere. Die Zahl der User, die mindestens einmal im Monat Twitter nutzen, stagnierte zuletzt bei 316 Millionen. Zum Vergleich: Facebook hat 1,5 Milliarden Nutzer. Gut möglich, dass der digitale Kurznachrichtendienst, der besonders in den Medien eine hohe Popularität genießt, künftig noch mehr Druck von Facebook bekommt. So arbeitet der blaue Planet an einer mobilen App, die große Ähnlichkeiten zu Twitter ausweist. Dabei können die Benutzer anderen Teilnehmern „folgen", deren Nachrichten dann auf ihr Smartphone weitergeleitet werden. Eigene Kurznachrichten werden an die Follower geschickt. Auch die Übernahme des beliebten  Messaging-Dienstes WhatsApp durch Facebook vor rund anderthalb Jahren vereinfacht die Situation für Twitter nicht gerade. Zudem sorgt der chinesische Twitter-Klon Weibo mit seiner internationalen Expansion für starke Konkurrenz.

Twitter verdient weiterhin kein Geld

Immerhin gelang es Twitter trotz des schwierigen Umfelds, die aktuellen Quartalserlöse um satte 61 Prozent auf 502 Millionen Dollar zu steigern. Allerdings verdient das Unternehmen aus San Francisco seit seiner Gründung 2006 immer noch kein Geld, wenngleich das Minus zuletzt von 145 auf 137 Millionen Dollar eingedämmt werden konnte. Um in Zukunft die Verluste weiter nach unten zu schrauben, muss sich der Kurznachrichtendienst eine Strategie überlegen, wie man neue User dazugewinnen kann und wie man aus diesen über Werbung zu Geld kommen kann. Im Gegensatz zu Twitter profitiert Konkurrent Facebook beispielsweise massiv auf dem Werbemarkt vor allem durch die Unmengen an Daten, die die Nutzer über sich freiwillig preisgeben. So wird das soziale Netzwerk für Kunden zur attraktiven Plattform, da Unternehmen dort gezielt werben können.

Verständlicherweise kommen nach all den Jahren ohne schwarze Zahlen inzwischen zunehmend Zweifel am Geschäftsmodell von Twitter auf. Diese werden nicht gerade geringer, wenn selbst Erfinder und Mitgründer Jack Dorsey den Menschen offenbar nicht so recht vermitteln kann, welchen Zweck sein Dienst eigentlich erfüllt. „Menschen in aller Welt kennen Twitter. Aber es ist nicht klar, warum sie Twitter nutzen sollten“, räumte der 38-jährige in einem Gespräch mit Analysten unlängst ein. „Ganz einfach: Das Produkt ist weiterhin zu schwer zu nutzen“, setzte Noto noch einen drauf. Einige Insider gehen davon aus, dass die beiden ihr Unternehmen derzeit extra ein bisschen schlecht reden, um es für mögliche Kaufinteressenten wie Google billiger zu machen.

Aber möchte Google wirklich Twitter kaufen? Das ist hypothetisch. Aktuell gibt es keine konkreten Hinweise auf ein Übernahmeangebot. Dennoch könnten risikofreudige Anleger nun relativ günstig einsteigen und genau auf ein solches Szenario spekulieren. Zu der Gruppe, die hierauf wettet, scheint Börsen-Guru Warren Buffett übrigens nicht zu gehören. Er will sich mit solch einem „Zeugs“ wie sozialen Netzwerken nicht abgeben, erklärte der Großinvestor kürzlich dem Omaha Chronicle. Und nicht über Twitter. Armer Larry… WIM