Uber setzt chinesische Regierung unter Druck
Die Brüsseler Taxifahrer haben am Sonntag begonnen, Fahrten zum halben Preis angeboten, um gegen die aus ihrer Sicht unfaire Konkurrenz der Uber-Taxis zu protestieren. Dies soll nur der Anfang von größeren Protesten sein. Bekommt Europa nun Verhältnisse wie in China? Im Reich der Mitte ist der Kampf um die Personenbeförderung bereits mit voller Härte im Gang - und mit Überraschungen.
Der Kampf um Chinas Autofahrer ist in vollem Gange. Doch diesmal geht es nicht um Automobilhersteller, sondern um Fahrdienste: Das amerikanische Unternehmen Uber und sein chinesischer Konkurrent Didi Kuaidi liefern sich ein Rennen um einen riesigen Wachstumsmarkt. Nun hat Uber einen Coup gelandet.
In China herrscht Goldgräberstimmung: Milliardensummen sind bereits investiert, immer neue Geldgeber werden an Land gezogen – und das in einem bestenfalls halb-legalen Sektor. Was zunächst wie ein neuer Mafia-Film aus Hollywood klingt, ist in Wirklichkeit die tägliche Realität im Kampf um die Vorherrschaft unter Chinas Fahrdiensten. Der amerikanische Start-up-Riese Uber und sein einheimisches Pendant Didi Kuaidi machen seit Wochen mit immer neuen Investitionen von sich reden. Bisher lagen die Sympathien der mächtigen chinesischen Regierung beim heimischen Unternehmen, doch mit einem geschickten Coup bringt Uber die Chinesen jetzt in eine Zwickmühle. Ein Börsengang ist geplant! Ob das gelingt und wer am Ende die Vorherrschaft gewinnt: das ist ungewiss.
Die Sache hat eine Vorgeschichte. Seit Jahren treibt Uber weltweit seine Expansionsziele aggressiv voran. Und kommt dabei immer wieder in Konflikt mit dem Gesetz, ein Blick auf die Verhältnisse hierzulande beweist es. Deutsche Gerichte haben für den privaten Fahrdienst ein Beförderungsverbot erteilt – was Uber geflissentlich ignorierte. Im Zentrum der Kritik steht dabei das Geschäftsmodell des Fahrdienstleisters: Über eine Smartphone-App vermittelt Uber Kunden an private Fahrer, die diese dann von A nach B bringen sollen. Für die Vermittlung bekommt Uber eine Provision.
Aggressive Expansion in China
Damit tritt Uber in Konkurrenz zu der Taxi-Branche. Doch es ist kein Kampf unter ungleichen Voraussetzungen: Während Taxiunternehmen Fahrer mit teuren Lizenzen beschäftigen, spart sich Uber diesen Schritt. Zumeist sitzen Privatleute hinter dem Steuer, die keine offiziellen Taxifahrer sind. Eine Praxis, die in vielen Ländern als illegal gilt. Der Popularität von Uber tut dies jedoch keinen Abbruch. Der Grund dafür ist simpel: Die Amerikaner sind mit ihrem Angebot schlicht billiger als ihre Konkurrenz.
Schillerndste Figur in dem Unternehmen ist sicherlich CEO Travis Kalanick. Unter seiner Führung wurde Uber mit einer Bewertung von über 41 Milliarden Dollar zum am zweithöchsten dotierten Start-up der Welt. Mit seiner zum Teil skrupellosen Art sucht er daher nach immer neuen Märkten. Jetzt hat er es auf Asien abgesehen, ganz besonders auf China. Das Land ist wie geschaffen für einen Fahrdienst wie Uber: Die Urbanisierung hat ein hohes Tempo aufgenommen, die Infrastruktur hinkt dem Wachstum jedoch deutlich hinterher, zudem genießen chinesische Taxi-Fahrer einen schlechten Ruf. Kalanick kündigte daher erst jüngst an, das Angebot massiv ausbauen zu wollen. Ist Uber derzeit in rund 20 Städten aktiv, will es 2016 schon über 100 Städte mit seinem Service abdecken.
Mächtige Verbündete bestimmen das Rennen
Für die agggressive Expanion nimmt das Unternehmen eine Menge Geld in die Hand. Um neue Märkte zu erschließen, gibt es immer wieder Rabatte für die Kunden und Extrazahlungen für die Fahrer. Finanziert wird das in erster Linie durch externe Geldgeber. Rund 1,2 Milliarden Euro nahm das Unternehmen in der jüngsten Finanzierungsrunde ein. Die Investoren kommen dabei hauptsächlich aus China selbst. Neben der Darlehensbank China Citic sowie den Versicherern China Life Insurance und Ping An Insurance bekommt Uber dem Vernehmen nach auch Geld von Hillhouse Capital, dem größten Hedgefonds Asiens, sowie vor allem von der chinesischen Internetsuchmaschine Baidu, der Nummer drei unter den Internetriesen in China.
Schlagkräftige Verbündete hat Uber im Reich der Mitte bitter nötig, denn hier gibt es einen starken Konkurrenten: den Fahrdienst Didi Kuaidi. Das Unternehmen ging Anfang des Jahres aus der Fusion zweier Konkurrenten, Didi und Kuaidi, hervor. Diese beiden haben sich wohl auch zuammengeschlossen, um dem ausländischen Konkurrenten Paroli zu bieten. Die Marktanteile werden derzeit auf 90 zu 10 geschätzt – zugunsten von Didi Kuaidi. Der chinesische Konzern hat dabei aktuell zwei Vorteile: Erstens war er schon wesentlich früher am Markt, aber vor allem stehen ihm zweitens mächtige Investoren zur Seite: Mit Tencent, einer Art WhatsApp-Pendant, sowie mit dem Amazon-Herausforderer Alibaba sind die zwei größten Internetunternehmen Chinas an Bord.
Nicht zuletzt hat Didi Kuaidi aber auch die chinesische Regierung auf seiner Seite. Anfang August berichteten Staatsmedien, der Staatsfonds „China Investment Corporation“ habe den Uber-Konkurrenten mit einer halben Milliarde gestützt. Dieser Fonds aber bezieht seine Mittel direkt aus Chinas Währungsreserven. Normalerweise investiert er nur selten in Internetunternehmen. Für Didi Kuaidi machte die Staats- und Parteiführung in Peking eine Ausnahme.
Börsengang soll Regierung unter Druck setzen
Uber hat in China nicht nur die schwächere Position bei den Marktanteilen, sondern der Fahrdienst wird auch von den Behörden unter Druck gesetzt. Erst Anfang August wurden die Uber-Büros in Hongkong durchsucht, davor schon die in den südlichen Metropolen Guangzhou und Shenzen. Darüber hinaus sollen Uber-Fahrer deutlich häufiger von der Polizei mit Strafen belegt werden als ihre Konkurrenten – derartige Beobachtungen sind kaum belegbar, dabei aber so häufig, das die Richtigkeit dieser Annahme quasi unabweisbar ist.
Damit setzt die chinesische Regierung ihren Kurs fort, den heimischen Markt auch mit Mitteln, die mit einer sozialen Marktwirtschaft mitnichten vereinbar sind, vor ausländischen Firmen zu schützen. Und sie durch eigene Unternehmen zu ersetzen. So soll verhindert werden, dass die Hauptprofiteure von Chinas Wachstum aus dem Ausland kommen, wie es bei den Autoherstellern der Fall war. Das soll nicht wieder vorkommen – dafür tut Peking fast alles.
Giganten wie Facebook, Twitter und Google sind in China bereits gescheitert. Damit Uber nicht dasselbe Schicksal ereilt, kündigte das Unternehmen jetzt einen geschickten Schachzug an: Es will an die Börse in China. Neben einer neuen Geldquelle ist dies vor allem politisch relevant: Wenn chinesische Kleinanleger in Uber investieren, dürfte es der Regierung deutlich schwerer fallen, den Konzern so eklatant wie bisher zu benachteiligen. Schließlich ist einer der Hauptziele in der aktuellen Krise, diese Anleger vor Verlusten zu schützen.
Unter Experten wird der Coup mit dem Börsengang bereits als Geniestreich gefeiert. Ob er jedoch tatsächlich Erfolg hat, wird sich noch zeigen müssen. Bisher gibt es keine auslandsinvestierten Gesellschaften an der Börse in Schanghai. Mit einer immer wieder versprochenen Liberalisierung der chinesischen Finanzmärkte könnte sich das jedoch ändern – fast zwangsläufig zugunsten von Uber.
RS