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Der beliebteste Arbeitgeber in Deutschland

BMW: Milagros Caiña-Andrees ist seit Juli 2012 Personalvorstand beim Autohersteller. Was die Spanierin über die Frauenquote und über die Diversity- und Gender-Debatte denkt, erläutert sie im Interview.

BÖRSE am Sonntag

BMW: Milagros Caiña-Andrees ist seit Juli 2012 Personalvorstand beim Autohersteller. Was die Spanierin über die Frauenquote und über die Diversity- und Gender-Debatte denkt, erläutert sie im Interview mit dem WirtschaftsKurier.

WirtschaftsKurier: In Ihrem Heimatland Spanien machen Sie Ihrem Vornamen sicher alle Ehre und sind das Wunder überhaupt: als Spanierin die erste Frau in einem der bekanntesten deutschen global ­agierenden Technikkonzerne...

Milagros Caiña-Andrees (lacht herzlich): Ob BMW so deutsch ist, ist die Frage: BMW macht heute den Großteil seines Geschäfts im Ausland.

Der Weltkonzern BMW macht nur noch 15 % seines Geschäfts in Deutschland. Was bedeutet das für die Personalentwicklung? Wie international ist und wird die Belegschaft?

Wir müssen noch internationaler werden. Heute produzieren wir zwar einen Gutteil unserer Autos in Deutschland, sie werden aber überwiegend außerhalb Deutschlands abgesetzt. Die Herausforderung ist, dass wir das Know-how, das Gespür für die Trends in diesen internationalen Märkten auch hier verankern müssen, ob es das Design betrifft oder die Entwicklung oder die Vertriebswege.
Das bedeutet, dass wir internationale Kompetenz verstärkt nach Deutschland holen, indem wir etwa den Austausch zwischen unseren eigenen Gesellschaften fördern und immer wieder Mitarbeiter aus unserem Unternehmen nach Deutschland holen, gezielt aber auch Kollegen aus den deutschen Standorten in die Welt schicken. Wir rekrutieren allerdings auch international: Wir sind unterwegs auf Karrieremessen im Ausland, unsere Trainee-Ausbildung erfolgt in einem internationalen Programm, wir haben spezifische Programme, wo wir gezielt nicht-deutsche Mitarbeiter rekrutieren und diese auch in Deutschland ausbilden, was nicht zuletzt Sprachunterricht einschließt. In der Durchmischung liegt das Ziel.

Ist es also nur noch eine Frage der Zeit, bis die Geschäftssprache bei BMW Englisch wird?

Das glaube ich weniger. Wir arbeiten ja heute bereits intensiv länderübergreifend bei Entwicklung, Marketing, Vertrieb und in anderen Bereichen zusammen. Schon heute gibt es keine größere Konferenz, an der nicht mindestens ein Mitarbeiter teilnimmt, der nicht Deutsch spricht. Also ist Englisch schon Standardsprache, ich würde daraus aber kein Dogma machen. Immerhin arbeiten mehr als zwei Drittel unserer Mitarbeiter hier in Deutschland. Sie kommen zwar aus 102 verschiedenen Nationen, die Mehrheit von ihnen sind aber Deutsche. Man muss das mit Augenmaß machen.

Bedeutet Diversity, dass künftig der normale deutsche Ingenieur bei BMW schlechtere Aufstiegsperspektiven hat?

Nein, definitiv nicht. Die Auswirkungen des demografischen Wandels beginnen wir schon jetzt zu spüren. Für bestimmte technische Berufe werden gut ausgebildete Mitarbeiter bereits jetzt knapper. Von daher wird es keine Verdrängung geben. Wir wollen schlicht und ergreifend vielfältiger werden, bezogen auf Herkunft und Kultur, natürlich auch bezogen auf Gender, und wir wollen weiterhin eine ausgewogene Altersdurchmischung haben.

„BMW gilt jetzt als beliebtester Arbeitgeber, stellt unentwegt Personal ein, hat bestens ausgelastete Werke und baut dauernd neue, verteilt Arbeitnehmerprämien mit dem Füllhorn, bezahlt die Vorstände mit Augenmaß und erledigt die durchaus harten Verhandlungen mit dem Tarifpartner meist geräuschlos.“ Das schreibt das ansonsten so kritische „Manager Magazin“. Was sind da noch größere Herausforderungen für eine Personalchefin?

Also wenn Sie mich fragen, wie es ist, in einem solchen Unternehmen arbeiten zu dürfen? Toll! Zunächst einmal zum Füllhorn: Auch bei uns fallen die Erfolgsbeteiligungen nicht vom Himmel, sondern orientieren sich am Erreichen von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Wir schütten Prämien an unsere Mitarbeiter aus, weil diese den Erfolg hart erarbeitet haben. Und ob es noch Herausforderungen gibt? Ein großes Ja! Es ist viel schwerer, oben zu bleiben, als dahin zu kommen. Meine Aufgabe ist es, unseren Erfolg nachhaltig zu sichern – das ist ein hoher Anspruch.

Was ist dabei Ihre Sorge oder größte Herausforderung?

Sorgen haben wir nicht, aber viele Aufgaben zu bewältigen. Diese haben vor allem damit zu tun, dass wir international tätig sind und sich unser Wachstum in den kommenden Jahren vor allem im Ausland abspielen wird. Das heißt, wir müssen frühzeitig erkennen, wo die Trends in den einzelnen Ländern liegen und mit welchen Rahmenbedingungen wir es zu tun haben. Vieles davon müssen wir antizipieren, deshalb liegt hierauf ein Fokus der Personalarbeit.

In welchem Land hat BMW die größten und in welchem die geringsten Probleme aus personalstrategischer Sicht?

Herausforderungen gibt es überall. Wenn wir beispielsweise ein Produktionswerk auf- oder ausbauen, ist es in der Regel sehr anspruchsvoll, in kurzer Zeit die benötigte Anzahl an Mitarbeitern mit den richtigen Qualifikationen zu finden. Das ist vom jeweiligen Ausbildungsniveau des Landes abhängig und davon, wie Berufe dort vermittelt werden. Deshalb setzen wir vor Ort auf die duale Ausbildung nach deutschem Modell, die bei uns insbesondere technische Berufe im Fokus hat. Nach China, den USA und Großbritannien haben wir das duale Ausbildungsmodell Deutschlands bereits exportiert, denn es hilft uns, unseren Personalanforderungen auch in diesen Ländern gerecht werden zu können. Unsere Werke dort müssen natürlich das gleich hohe Qualitätsniveau haben wie unsere deutschen Produktionsstandorte. Eine besondere Herausforderung war beispielsweise 2011/12, als wir rund 4 000 neue Mitarbeiter für den Produktionsstandort Shenyang in China re­krutieren und diese im Anschluss auch ausbilden mussten. Sie kamen überwiegend nicht aus der Automobilbranche und mussten für ihren neuen Arbeitsplatz trainiert werden. Natürlich sind auch immer wieder Sprachbarrieren zu überwinden. Aber Sprache können Sie lernen, viel anspruchsvoller ist es hingegen, Kulturen zu durchdringen, diese zu begreifen und dies nicht nur vordergründig. Wir brauchen also viel Austausch. Wer heute bei BMW eine Führungskraft werden will, der sollte Auslandsaufenthalte vorweisen können. Das fordern und fördern wir umfassend.

Wie gehen Sie mit dem Thema Korruption um?

Bei weltweiten Geschäftsbeziehungen ist man davor nie 100 %ig gefeit. Wir haben aber ganz klare Compliance-Richtlinien, die es einzuhalten gilt. Das heißt nicht, dass wir perfekt sind und nicht doch an der einen oder anderen Stelle ein solcher Fall auftreten könnte. Aber wir haben beispielsweise eine internationale Hotline in über 20 Sprachen, über die sich unsere Mitarbeiter rund um die Uhr beraten lassen können. Wir legen sehr viel Wert auf die Einhaltung unserer Compliance-Regeln und gehen jedem Verdacht nach, der gemeldet wird. Damit die Mitarbeiter wissen, wie sie sich korrekt verhalten können, gibt es für alle ein verpflichtendes Training.

Verändert sich durch die Internationalisierung der Belegschaft das Gehaltsgefüge?

Nein, das sehe ich nicht, wenn Sie damit meinen, dass es weltweit eine Angleichung geben wird ... Ich denke da auch an unterschiedliche Vergütungsklassen. So haben die USA beispielsweise ja ein ganz anderes Gehaltsgefüge als Deutschland. Wir haben Vergütungsprinzipien, die weltweit gelten. Wir bieten eine leistungsadäquate Entgeltpolitik, das heißt, dass wir im jeweiligen Land entsprechend angemessen und immer leistungsorientiert bezahlen – und zwar grundsätzlich über dem Branchendurchschnitt, damit wir besonders gute Leute für uns gewinnen und halten können.

Sind Sie auch deshalb der beliebteste Arbeitgeber Deutschlands?

Dafür gibt es sicherlich viele Gründe: Wir haben höchst emotionale Produkte, mit denen man sich identifizieren kann und die einfach Spaß machen. So hat zum Beispiel ein Software-Entwickler sicher noch eine ganze Menge mehr Spaß an der Arbeit, wenn er seine Programme für die Fahr­assistenz-Systeme auf der Teststrecke in einem Prototyp vervollkommnen kann, anstatt sie nur am PC zu entwickeln. Und BMW eröffnet viele Karrierewege: Meine Vorstandskollegen sind fast alle BMW-Eigengewächse, die zum Beispiel als Trainee hier eingestiegen sind. Ich bin von außen kommend ja eher die Ausnahme. Wichtig ist auch: Wir sprechen die Jugend in ihrer Sprache an, kommunizieren auch sehr stark über die Social Media, haben bei Facebook 150 000 Followers und damit in unserer Branche deutschlandweit die beliebteste Karriereseite – wir bedienen also nicht nur eine Stellschraube, sondern es sind schon viele Aspekte, die zu einem positiven Image beitragen.

Wo kann dann bei BMW das Milagros, das Wunder, durch Sie noch kommen?

Das Wunder ist kein Wunder, sondern harte Arbeit, um nachhaltig erfolgreich zu bleiben. Die Internationalisierung ist schon ein Stück Knochenarbeit für den Personalbereich, aber auch weiterhin dem demografischen Wandel zu begegnen ist eine große Herausforderung ...

Was Sie jetzt gar nicht erwähnen, ist die Frauenquote, die anderswo mehr oder weniger verärgert, mehr oder weniger verschämt genannt wird ... Wie viel Ingenieurinnen haben Sie denn bei BMW?

In unseren Führungsnachwuchs­programmen haben wir heute 35 % Frauen. Das zu halten und auszubauen ist unsere Zielsetzung. Im Ingenieurbereich findet man bei Weitem nicht so viele Absolventinnen, wie wir das gerne hätten. Wir rekrutieren in diesem Bereich deshalb schon überproportional. In den Facharbeiterberufen ist dies ähnlich: Unser Ziel ist es, mindestens 15 % bis 20 % junge Frauen in technischen Berufen auszubilden. Und das haben wir erreicht. Wir füllen so früh die Pipeline, damit sich viele junge Frauen bei uns entwickeln können – auch mit der Perspektive, in Führungspositionen zu gehen. Wir haben uns selbst einen Zielkorridor gegeben, wo wir 2020 stehen wollen: Bis dahin sollen 15 % bis 17 % der Führungskräfte Frauen sein. Das ist unter der Prämisse, dass wir ein technik­orientiertes Unternehmen sind, und auch mit Blick darauf, woher wir kommen, ein durchaus sehr ambitioniertes Ziel. 2010 hatten wir 8,8 % weib­liche Führungskräfte, inzwischen sind es 10,6 %.

Haben Sie sich schon einmal als Quotenfrau gefühlt?

Nein.

Wäre Ihnen das unangenehm?

Ich fände es nicht erhebend, als Quotenfrau gesehen zu werden. Karriere zu machen bedeutet Anstrengung und Schweiß, für Männer wie für Frauen. Vielleicht achten wir Frauen ja einfach nur mehr darauf, dass man uns die Anstrengung und den Schweiß nicht ansieht …

Wie beurteilen Sie die poli­tischen Debatten über Frauen­quote, flächendeckenden Mindestlohn und anderes mehr – was sind Ihre Erwartungen an die politische Rahmensetzung durch die Große Koalition?

Ich war und bin immer noch gegen eine Frauenquote, denn wir müssen Frauen und Männer fördern. Die Welt wandelt sich und Männer wollen heute auch anders arbeiten und sich mehr in das Familienleben einbringen. Wir müssen deshalb als Unternehmen dafür sorgen, dass beide Geschlechter Arbeit und Privatleben miteinander vereinbaren können. Dabei hilft keine Quote, sondern nur unternehmerische Initiative und Weitsicht. Wenn eine Quote für Aufsichtsräte kommt, dann liegt das außerhalb meines Entscheidungsbereichs. Aber in meinem Verantwortungsbereich würde ich darauf auch weiterhin gerne verzichten. Deshalb: ein klares Ja zur Frauen- und zur Männerförderung und ein Nein zur ­Quote.

Betrifft Sie bei BMW überhaupt die Frage nach flächendeckenden Mindestlöhnen?

Wir bezahlen bei der BMW Group nach dem Tarif der Metall- und Elektroindustrie und liegen damit weit über dem diskutierten Mindestlohn. Auch von unseren Zulieferern verlangen wir, dass sie nach den Tarifverträgen ihrer Branchen entlohnen.

Das Interview führte: