Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Unternehmen >

(Wirtschafts)-Politik am Scheideweg?

Experten von J.P. Morgan Asset Management sehen Fiskalpolitik als zunehmend relevanten Faktor für die Märkte / Protektionismus als größte Gefahr für 2017 / „Guide to the Markets” für das 1. Quartal 2017 beleuchtet das aktuelle Marktgeschehen / Von Deflationsängsten zu steigenden Inflationserwartungen

BÖRSE am Sonntag

Experten von J.P. Morgan Asset Management sehen Fiskalpolitik als zunehmend relevanten Faktor für die Märkte / Protektionismus als größte Gefahr für 2017 / „Guide to the Markets” für das 1. Quartal 2017 beleuchtet das aktuelle Marktgeschehen / Von Deflationsängsten zu steigenden Inflationserwartungen

Anleger sich durch die weiterhin turbulente politische Gemengelage nicht verunsichern lassen, sondern vielmehr auf Fakten und Kennzahlen bauen: Diese zeigen an, dass das Jahr 2017 von einem soliden Wirtschaftswachstum weltweit geprägt sein könnte. „Die Frühindikatoren weisen aktuell auf eine Beschleunigung der Wirtschaftsentwicklung hin. Beispielsweise ist der globale Einkaufs­managerindex für das verarbeitende Gewerbe inzwischen auf dem höchsten Stand der letzten drei Jahre“, unterstreicht Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt. So scheint die ölpreisbedingte Konjunkturdelle in vielen Ländern der Welt überwunden – insbesondere in den USA legte der Zyklus seit der Präsidentschaftswahl noch einmal kräftig zu.

US-Aktien haben vor wenigen Tagen ein neues Allzeithoch erreicht, was einer Verbesserung der Wirtschaftsdaten sowie Hoffnungen auf Steuersenkungen und Infrastrukturausgaben unter einer Trump-Regierung zuzuschreiben ist. „Unserer Ansicht nach ist diese Rallye angesichts der verbesserten Konjunktur­daten und des anhaltend niedrigen Rezessionsrisikos bislang gerechtfertigt“, erläutert Galler. „Wir rechnen damit, dass US-Aktien 2017 positive Erträge liefern werden, allerdings auf niedrigerem Niveau, da die verbesserten Aussichten teilweise bereits eingepreist sind.“

Angesichts der steigenden Auslastung der US-Wirtschaft und eines Arbeitsmarkts, der sich der Vollbeschäftigung nähert, steigt laut dem Experten auch die Wahrscheinlichkeit höherer Zinsen. Darüber sollten US-Aktienanleger allerdings nicht allzu besorgt sein: „Aus historischer Sicht haben Zinsanhebungen den US-Aktienmarkt nicht aus der Bahn geworfen – sofern die Erhöhung wie aktuell von einem niedrigen Niveau aus erfolgte. In der Vergangenheit haben Aktien immer erst dann begonnen, unter höheren Zinsen zu leiden, nachdem die kurzfristigen Zinsen deutlich angestiegen waren“, so Galler. Der Anleihemarkt hat für 2017 bereits zwei US-Zinserhöhungen eingepreist, und Aktien haben auf diese Entwicklung in Erwartung höherer Zinsen gut reagiert.

Für die Entwicklung der Märkte im Jahr 2017 wird laut Galler ausschlaggebend sein, wie stark die fiskalpolitischen Anreizmaßnahmen letztlich ausfallen. Der positive Ausblick könnte sich allerdings eintrüben, wenn eine negative, protektionistische Handelspolitik den 2017 zu erwartenden neuen fiskalpolitischen Anreizen entgegensteht. „Dies ist zweifellos ein Aspekt, den Anleger im Laufe des Jahres 2017 im Auge behalten sollten, da er eine der größten Gefahren darstellt“, betont der Experte.

Wohin entwickeln sich die Anleiherenditen?

Das letzte Quartal verlief für die globalen Rentenmärkte turbulent. Die Renditen tendierten bereits ab dem Sommer allmählich aufwärts, der Wahlsieg Donald Trumps beschleunigte ihren Aufwärtstrend noch. Anleger setzen nun darauf, dass seine Politik höheres Wachstum und steigende Inflation nach sich ziehen wird – beide Faktoren sind für die Kurse von Anleihen jedoch ungünstig. Galler erläutert den Marktmechanismus: „Bei steigender Inflation sinkt der künftige Wert der Zinszahlungen von Anleihen unter das Niveau, das Anleger bis dahin erwartet hatten. Um Käufer im Markt zu finden, gilt es eine höhere Rendite zu bieten, indem der Preis der Anleihen gesenkt wird.

Darüberhinaus führt ein Anstieg der Wachstumserwartungen dazu, dass die Opportunitätskosten einer Anlage in Vermögenswerte wie Anleihen steigen. Somit sinkt der Preis, den Anleger zu zahlen bereit sind, wodurch wiederum die Renditen steigen.“ Der jüngste Anstieg der Renditen scheint in etwa zu gleichen Teilen höheren Wachstums- und Inflationserwartungen zuzuschreiben zu sein. Dies war in früheren Phasen steigender Renditen nicht immer der Fall. Anlegern, die die Aussichten für die Weltwirtschaft optimistisch einschätzen, möge man verzeihen, dass sie angesichts der weiter steigenden Inflationserwartungen weitere Verluste für Staatsanleihen vorhersagten; auch J. P. Morgan bevorzuge weiterhin Aktien.

Von Deflationsängsten zu steigenden Inflationserwartungen

Der starke Einbruch der Ölpreise, der 2014 eingesetzt hatte, nachdem die Ölproduktion stärker als die Nachfrage gewachsen war, führte zu einem drastischen Rückgang der globalen und europäischen Inflation. Als Folge haben sich unter Anlegern und Zentralbankern während der letzten beiden Jahre zunehmend Deflationsängste breit gemacht. „Nachdem der Ölpreis inzwischen wieder deutlich höher notiert als im Januar 2016, wird die Inflation in diesem Jahr wieder anziehen, wodurch die globalen Deflationsängste vorerst verschwinden sollten“, so Galler.

Die Inflation wird dort am stärksten ansteigen, wo einerseits die Arbeitslosigkeit niedrig ist, was sich günstig auf das Lohnwachstum auswirkt, und andererseits in Regionen mit einer schwachen Lokalwährung – weshalb laut dem Experten mit einem Anstieg der Preise für importierte Güter zu rechnen ist. „Auch wenn die Arbeitslosigkeit in einigen Ländern der Eurozone weiterhin hoch ist, sollte die Inflation in der Region insgesamt ansteigen – wenngleich nicht so stark wie in den USA und Großbritannien“, so Gallers Erwartung. Höhere Inflations­prognosen dürften weitere Zinserhöhungen in den USA nach sich ziehen. Die Aussichten auf eine etwas höhere Inflation könnten auch zur Entscheidung der Europäischen Zentralbank beigetragen haben, den Umfang ihrer im Rahmen des quantitativen Lockerungsprogramms getätigten monatlichen Anleihekäufe zu verringern. Angesichts der Unsicherheit bezüglich der wirtschaftlichen Folgen des Ausstiegs Großbritanniens aus der Europäischen Union ist es allerdings unwahrscheinlich, dass die Bank of England ihre Zinsen als Reaktion auf die höhere Inflation zeitnah anheben wird.

Angesichts ansteigender Inflation und eines verbesserten realen Bruttoinlandsprodukts sollten die Gewinne der Unternehmen 2017 erstmalig seit vielen Jahren wieder steigen. Dies dürfte Aktien und Hochzinsanleihen Unterstützung bieten. „Das Potenzial für selbst moderat höhere Anleiherenditen könnte die Performance europäischer Finanzaktien stützen. Zudem untermauert es unsere allgemeine Präferenz für Aktien und Hochzinsanleihen gegenüber Staatsanleihen.“ Insgesamt sollten Anleger selektiv vorgehen und sich über die verschiedenen Anlageklassen hinweg positionieren, um für die Unwägbarkeiten der kommenden wahrscheinlich volatilen Monate gewappnet zu sein.