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Adidas: „Fit wie ein Turnschuh“

Ob nun Handelsstreit, Iran-Krise, Rezessionsangst, die Adidas-Aktie scheint von all dem völlig unberührt. Ein Kursplus von über 50 Prozent im ersten Halbjahr 2019 bedeutet klar die Spitzenposition im Dax. Was macht das Papier so stark und wie lange geht das noch so weiter?

BÖRSE am Sonntag

Ob nun Handelsstreit, Iran-Krise, Rezessionsangst, die Adidas-Aktie scheint von all dem völlig unberührt. Ein Kursplus von über 50 Prozent im ersten Halbjahr 2019 bedeutet klar die Spitzenposition im Dax. Was macht das Papier so stark und wie lange geht das noch so weiter?

„Wir werden 70 alt, aber keine Angst, wir fühlen uns fit wie ein Turnschuh“, sagte Vorstandschef Kasper Rorsted jüngst auf der Hauptversammlung in Fürth und spielte damit auf das im August anstehende Konzernjubiläum an. Und tatsächlich dürfte der Herzogenauracher Sportartikelhersteller noch nie so „fit“ gewesen sein, wie derzeit. Für Adidas läuft es seit Jahren wie am Schnürchen, Rorsteds Amtszeit ist bislang eine lupenreine Erfolgsstory. Auch und ganz besonders für die Aktionäre. Inzwischen hat die Adidas-Aktie auf Zehnjahressicht rund 900 Prozent an Wert zulegen können, auf Fünfjahresssicht sind es 270 Prozent, auf Dreijahressicht 110 Prozent. Die globalen Finanzmarktturbulenzen des vergangenen Jahres hat das Drei-Streifen-Papier völlig unbeschadet überstanden und seit Beginn des laufenden Jahres hat es bereits wieder 50 Prozent an Wert auf 278 Euro zulegen können. Damit sind die Herzogenauracher der klare Spitzenreiter im Dax, die SAP-Aktie folgt mit einem Plus von rund 40 Prozent auf Rang Zwei. Mit einer Marktkapitalisierung von 54,5 Milliarden Euro gehört Adidas nun zu den Top-Ten in Deutschlands Leitindex, liegt damit unter anderem vor Daimler und Bayer. Dazu kommt eine „sportliche“ 2018er Dividende von 3,35 Euro je Aktie, ein Anstieg um 29 Prozent gegenüber 2017.

Starke Zahlen weiter die Grundlage

Und all diese Rekorde an der Börse unterfüttert der zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt fortlaufend mit starken Zahlen und Prognosen. 2018 stiegen die Umsätze um acht Prozent auf 21,9 Milliarden Euro, die Gewinne um 20 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. Beides Rekordwerte. Dazu wirtschaftete Tochter Reebok seit langem wieder profitabel. Im ersten Quartal 2019 lief es ebenfalls blendend. Der Nettogewinn stieg um 16 Prozent auf 631 Millionen Euro, der Umsatz zwar „nur“ um vier Prozent auf 5,8 Milliarden Euro, doch die wichtige Umsatzrendite legte auf 14,9 Prozent zu. Und dabei bremsten Produktionsengpässe und damit einhergehende Lieferschwierigkeiten auf dem US-Markt ein noch besseres Ergebnis.

Vor allem Rorsteds E-Commerce-Strategie geht auf, inzwischen zeichnet der Online-Handel für neun Prozent der Adidas-Umsätze verantwortlich, was einer Verdopplung innerhalb von zwei Jahren entspricht.  Und auch das Geschäft mit eigenen Läden entwickelt sich immer besser. Im ersten Quartal stiegen die Umsätze um zehn Prozent. Nach Regionen verzeichnete Adidas vor allem in China (plus 16 Prozent) und Russland (plus 22 Prozent) starke Zuwächse. In Europa dagegen gingen die Umsätze um drei Prozent zurück. „Das wird eine unserer größten Herausforderungen, in Europa zum Wachstum zurückzukehren. Wir haben neue Produkte nicht sorgfältig genug im Markt platziert und auf Trends nicht schnell genug reagiert“, gibt sich Rorsted selbstkritisch. Mit dem Fokus weg von Lifestyle- und wieder hin zu Sportprodukten sowie der Fußball-Europameisterschaft 2020 soll die Wende gelingen.
Doch für den Moment hindert die schwache Performance auf dem Heimatmarkt den größten Sportartikelkonzern Europas wohl nicht daran, weiter Rekordergebnisse einzufahren. So soll der Nettogewinn im laufenden Geschäftsjahr um zehn bis 14 Prozent auf 1,88 bis 1,95 Milliarden Euro steigen, der Umsatz um fünf bis acht Prozent zulegen. Die Umsatzrendite soll irgendwo im Zielkorridor von 11,3 bis 11,5 liegen, was eine eher konservative Schätzung ist, glaubt man Christian Salis von der Privatbank Hauck & Aufhäuser.

„Superstar“ Adidas?

Schafft es Adidas also womöglich seine Jahresziele zu übertreffen, könnte das der Aktie erneut einen Schub geben. Doch wie viel Potenzial steckt noch drin in dem Papier, das mit einem für 2019 erwarteten KGV von 27,9 weit davon entfernt ist, noch als günstig durchzugehen. Dazu warnte Rorsted bereits: „Es wird schwieriger, solche Wachstumsraten aufrecht zu erhalten.“ Zwei bis drei Jahre, so der Unternehmenslenker, könnte es noch zu schaffen sein. Reicht das für eine Kaufempfehlung zum jetzigen Zeitpunkt?

Wenn es nach Berenberg-Analyst Graham Renwick geht, dann ja. Nicht nur, dass er seine jüngste Kaufempfehlung mit „Superstar“ betitelte, er hob auch sein Kursziel auf 315 Euro an, was bei dem derzeitigen Kurs von 278 Euro noch einem Aufwärtspotenzial von 13 Prozent entspräche. Die Bewertung hält Renwick nicht für zu hoch. Im Vergleich zu Nike und der globalen Sportartikelbranche betrage der Abschlag noch immer 20 und zehn Prozent. Anders sieht das HSBC-Analyst Erwan Rambourg. Langsam sei das Potenzial ausgereizt, schrieb dieser in einer Studie. Trotz einer voraussichtlichen Anhebung der Ziele zur Halbjahresbilanz sehe er kaum noch positives Überraschungspotenzial für die „euphorischen Anleger“.  Auch Jaina Mistry, Analystin der Deutschen Bank, sieht die Aktien des Konzerns als inzwischen recht hoch bewertet an.

Die Meinungen unter Experten gehen also offenbar weit auseinander. Fakt ist, die Adidas-Aktie ist in der Tat teuer geworden, ganz große Sprünge wären in naher Zukunft eine Überraschung. Fakt aber ist auch: Adidas ist in der Tat „fit wie ein Turnschuh“. International sind Wachstumschancen weiter gegeben, für den europäischen Markt bastelt man an Lösungen und bislang ist es Rorsted auffallend erfolgreich gelungen in die richtigen Richtungen zu basteln. Mit neuer Ausrichtung ist ihm so auch für Europa die Wende zuzutrauen. Der Online-Handel und das Geschäft mit eigenen Läden haben dabei noch längst nicht ihren Peak erreicht. Mit Blick auf die Aktie überzeugt neben der Kursentwicklung auch die Dividende, die weiter steigen dürfte. Dazu dürfte Adidas als Konsumgüterkonzern weniger von einer sich abschwächenden Weltwirtschaft betroffen sein, weshalb die Aktie Anlegern für den Moment als vergleichsweise sicherer Wert gelten könnte.

Oliver Götz