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Airline-Aktien im Sinkflug

Der globalen Luftfahrt-Branche geht es gut wie nie zuvor. Ein Passagier- und Auslastungsrekord jagt den nächsten. Die Prognosen für die Zukunft sind beeindruckend. Die Aktienkurse großer Airlines jedoch fallen seit Monaten. Die Lufthansa hat seit Beginn des Jahres 30 Prozent ihres Börsenwertes verloren. Woher rührt diese Flugangst? Sollten Anleger nicht stattdessen allmählich einsteigen?

BÖRSE am Sonntag

Der globalen Luftfahrt-Branche geht es gut wie nie zuvor. Ein Passagier- und Auslastungsrekord jagt den nächsten. Die Prognosen für die Zukunft sind beeindruckend. Die Aktienkurse großer Airlines jedoch fallen seit Monaten. Die Lufthansa hat seit Beginn des Jahres 30 Prozent ihres Börsenwertes verloren. Woher rührt diese Flugangst? Sollten Anleger nicht stattdessen allmählich einsteigen?

Von Oliver Götz

2017 mit einem Kursplus von 140 Prozent noch die Nummer Eins im Dax, geriet der Flug durch die ersten fünfeinhalb Monate des laufenden Jahres für die Deutsche Lufthansa zu einem turbulenten. Und das ganz und gar im negativen Sinne. Gegenüber dem Rekordhoch bei 31,07 Euro aus dem letzten Dezember hat die Aktie des europäischen Branchenprimus 30 Prozent an Wert verloren. „In diesem Jahr ist aus dem Überflieger ein Tiefflieger geworden“, bringt es HSBC-Experte Jewgeni Ponomarev metaphorisch auf den Punkt. Zwischenzeitlich fiel der Kurs unter die 23 Euro-Marke, inzwischen hat er sie wieder durchbrochen und steht bei 23,79 Euro.

Dabei läuft es eigentlich hervorragend für Europas umsatzstärkste Airline. 2017 war nicht weniger als das erfolgreichste Jahr der Konzerngeschichte. So steigerten die Kölner ihren Umsatz um 12,4 Prozent auf 35,6 Milliarden Euro und ihr Ergebnis sogar um 33,1 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro. Der Gewinn pro Aktie lag damit bei 5,03 Euro, das KGV bei einem Wert von 6,1, was dem niedrigsten im Dax entsprach. Hinzu kam dann noch eine Erhöhung der Dividende auf 80 Cent.

Und auch mit Beginn des neuen Jahres ging es erfolgreich weiter. Lufthansa-Chef Carsten Spohr rechnet zwar mit einem gleichbleibenden Gewinn, die die Fluggastzahlen jedoch sollen neue Höchststände erklimmen. Und bislang spricht vieles dafür. Im Mai stieg die Zahl der Passagiere im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um elf Prozent auf 12,9 Millionen, die Sitzauslastung verbesserte sich um 0,4 Punkte auf insgesamt 79,4 Prozent. Auch alle Lufthansa-Töchter verzeichneten Passagier-Zuwächse. Eine negative Trendwende ist nicht in Sicht.

Dabei profitiert die Kranich-Airline nicht zuletzt von der voranschreitenden Branchenkonsolidierung. Und dürfte diesbezüglich auch weiterhin eine aktive Rolle spielen, schrieb Bernstein Research-Analyst Daniel Roeska in seiner Studie. Mit Alitalia und Norwegian brachte er auch gleich zwei mögliche Übernahmekandidaten ins Spiel.

Gerade mit Blick auf die großen Airlines, zu denen die Lufthansa zweifelsohne gehört, schreit das beinahe nach goldenen Zeiten. Die Branche fliegt derzeit quasi auf „Wolke Sieben“. Den Zahlen der internationalen Luftfahrtvereinigung IATA nach, waren im vergangenen Jahr mehr als vier Milliarden Menschen mit einem Flugzeug auf Reisen. 4,7 Prozent mehr als 2016. Vor allem in Asien steigt die Nachfrage nach Flügen mit hohem Tempo. Die Asien-Pazifik-Region ist inzwischen für rund ein Drittel des globalen Passagieraufkommens verantwortlich, liegt damit vor den USA und Europa. Egal ob Auslastung, Passagierzahlen oder verkaufte Tickets, überall stehen Rekordwerte zu Buche. Darüber hinaus soll sich bis zum Jahr 2036 die Zahl der zurückgelegten Passagierkilometer noch einmal verdoppeln.

Anleger jedoch scheinen für den Moment all dem kaum Wert beizumessen. Nicht nur die Lufthansa-Aktie befindet sich im Sinkflug, auch die Kurse von Delta und dem Branchenprimus American Airlines sind mit Blick auf das Chartbild seit längerem auf einer Reise gen Süden. Waren die Papiere der US-Fluggesellschaften im Januar noch 58,50 und 60 Dollar wert, sind inzwischen nur noch 43,50 beziehungsweise 54,40 Dollar übrig. Was also versteckt sich da hinter der bislang noch so eifrig glitzernden Fassade?

Zunächst einmal etwas spätestens auf den zweiten Blick recht offensichtliches. Aufgrund der massiv gestiegenen Ölpreise verteuert sich freilich auch das Flugbenzin Kerosin. Die Ausgaben für Treibstoff dürften in diesem Jahr um 26,1 Prozent auf 188 Milliarden Dollar steigen, schätzt die IATA. Diese Summe entspräche dann insgesamt rund 24 Prozent der operativen Kosten. 2017 waren es 21,4 Prozent gewesen. Sowohl Delta- als auch American Airlines kürzten daher ihre Gewinnprognosen. Und das kann Anlegern freilich nicht gefallen. Global gesehen, so schätzt die IATA, sollen die Gewinne in diesem Jahr auf 33,8 Milliarden Dollar zurückgehen. 2017 lagen sie am Ende bei 38 Milliarden Dollar.

Nun wird an der Börse aber ja bekanntlich meist die Zukunft gehandelt, womit kurzfristige Kostensteigerungen und Gewinneinbrüche, die noch dazu durch einen externen Faktor wie den Ölpreis beeinflusst sind, nicht der alleinige Grund für die schlechte Performance der Airline-Aktien sein können. Und so sind es eher der Handelsstreit der USA mit China und Europa, die unklare Situation um den Brexit und ganz bestimmt nicht zuletzt die Angst vor einer baldigen Konjunkturverlangsamung, was Anlegern Sorge bereitet.

Mit Blick auf den ersten Punkt geht es zuvorderst um mögliche negative Auswirkungen auf den Frachtverkehr. Schon jetzt läuft der bei vielen Airlines nicht zufriedenstellend, bei der Lufthansa hat sich die Auslastung ihrer Fracht-Maschinen im Mai um vier Punkte auf 63,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum verschlechtert. Auch der Brexit könnte für Deutschlands größte Airline aufgrund möglicherweise höherer Gebühren noch zum Problem werden. Und ein Abflauen der Weltkonjunktur ist wohl für einen jeden größeren Konzern kein gutes Zeichen. Für Deutschland korrigierte das DIW erst vor kurzem seine Wachstumsprognose von 2,4 auf 1,9 Prozent nach unten.

Im konkreten Fall der Lufthansa kommt noch ein weiterer Punkt hinzu. Oder besser gesagt eine Frage. Nämlich die nach der Nachhaltigkeit der Wettbewerbsvorteile, die die Airline derzeit noch genießt. Ob nun Umsatz, Passagiere oder Streckennetz, die Deutschen sind die europäischen Luftraumkönige. Dazu überzeugen sie mit hoher Qualität, können so im Vergleich deutlich höhere Preise durchsetzen. Darauf ist die Lufthansa allerdings aufgrund ebenfalls hoher Kosten auch angewiesen. Und die Billigfliegerkonkurrenz wird immer größer.

Fazit

Auch der jüngste Sinkflug der Lufthansa-Aktie hat damit seine Gründe. Vor allem nach dem beinahe unheimlich starken Jahr 2017. Dennoch könnten einige Anleger auch zu früh den Fallschirm ausgepackt haben. Langfristig gesehen bieten das Kranich-Papier wie auch viele weitere Airline-Aktien aus genannten Gründen noch viel Potenzial. Das sieht auch die Mehrheit der Analysten so. Mit Blick auf die Lufthansa raten derzeit 19 von ihnen zum Kauf der Aktie, drei dazu sie zu halten, nur zwei würden verkaufen. James Hollins, Analyst bei der französischen Investmentbank Exane BNP Paribas, senkte sein Kursziel zwar von 40 auf 35 Euro ab, glaubt aber weiterhin an die deutsche Fluglinie. Die Papiere der Lufthansa blieben weiterhin sein bevorzugter Wert in der europäischen Luftfahrtbranche, schrieb er in einer Studie. Zum einen seien die Titel sehr werthaltig, zum anderen stütze eine hohe Rendite auf den freien Barmittelzufluss die Dividendenausschüttung.

Vielleicht könnte es sich also ausnahmsweise einmal lohnen auf ein sinkendes Schiff oder – um im Bilde zu bleiben – Flugzeug, aufzuspringen. Vielleicht.