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Aufspaltung bei Continental – Teilbörsengänge geplant

Immer mehr Experten sind sich inzwischen einig: Die Automobilbranche steht vor dem größten strukturellen Wandel ihrer mehr als hundert Jahre alten Geschichte. Mit Blick auf E-Autos und E-Motoren könnten dabei besonders etablierten Zulieferern gigantische Herausforderungen ins Haus stehen. Bei Continental will man die nun annehmen, bevor es zu spät ist, und stellt sich als Holding neu auf.

BÖRSE am Sonntag

Immer mehr Experten sind sich inzwischen einig: Die Automobilbranche steht vor dem größten strukturellen Wandel ihrer mehr als hundert Jahre alten Geschichte. Mit Blick auf E-Autos und E-Motoren könnten dabei besonders etablierten Zulieferern gigantische Herausforderungen ins Haus stehen. Bei Continental will man die nun annehmen, bevor es zu spät ist, und stellt sich als Holding neu auf.

Die Aktie von Continental hat sich zuletzt nicht gerade gut entwickelt. Nach Erreichen eines neuen Rekordhochs bei 250,80 Euro im Januar ging es anschließend relativ ungebremst auf Talfahrt. Inzwischen kostet das Papier nur noch 199 Euro. Ein Minus von 21 Prozent. Damit folgte man recht zielstrebig dem Absturz der deutschen Autohersteller, die seit Januar im Schnitt ähnlich hohe Kursverluste einstecken mussten. Die Gründe dafür – Donald Trumps Handelspolitik und neue Abgasprüfverfahren, die die Produktion verzögern – dürften inzwischen einem jeden geläufig sein, wurden sie in den letzten Wochen und Monaten schließlich mit großer Ausdauer rauf und runter gebetet.

Den Anlegern fehlt derzeit das Vertrauen in die Auto-Konzerne. Es ist nicht besonders überraschend, dass es ihnen gleichzeitig in deren Zulieferer fehlt. Schließlich hängt deren wirtschaftlicher Erfolg schlussendlich von dem ihrer Abnehmer ab. Und der ist nun nicht nur kurz- bis mittelfristig durch Strafzölle, Abgasbetrug und Dieselkrise bedroht, sondern auch und vor allem langfristig von der immer zügiger voranschreitenden Fahrzeugelektrifizierung und Automatisierung. Diese wird derzeit zu großen Teilen in den USA, China, Südkorea und Japan vorangetrieben. Durch Hersteller wie Tesla oder BYD, aber auch durch Zulieferer – vor allem im Batteriebereich – wie CATL, Panasonic, Samsung SDI oder LG Chem. Die Auto-Nation Deutschland muss damit allmählich um ihre wertvolle Vormachtstellung bangen. Es wird Zeit, dass sich was dreht.

Und in Hannover wollen sie mit der Wende nun offenbar lieber früh als spät beginnen. Wobei es mit Blick auf die amerikanisch-asiatische Konkurrenz natürlich schon ziemlich spät sein dürfte. Aber besser jetzt, als nie. Unter den etablierten großen Automobilzuliefern der Welt ist man immerhin einer der ersten, der nun ernst zu machen scheint. So soll Continental in einem ersten Schritt zur Holding werden. Das war lange erwartet worden, seit dieser Woche nun ist es fix. Drei Säulen sollen den Konzern – ausgestattet mit deutlich mehr Eigenständigkeit – in Zukunft tragen. Das Reifen-Geschäft, der Zulieferer-Sektor, die Antriebssparte. Letztere soll darüber hinaus 2019 an die Börse. Auch wenn zunächst keine Option, könnte die Reifensparte in ein paar Jahren nachziehen.

Der Kapitalbedarf ist groß

Continental will mit dem Börsengang – oder je nachdem den Börsengängen – für den angestrebten Konzernumbau dringend benötigtes Geld einsammeln. Die Niedersachsen wollen in Strom- und Hybridmotoren investieren, zudem verlangen – weil es wiederum die Politik von ihnen verlangt – die Autohersteller schadstoffärmere Verbrennungsmotoren. Auch Zukäufe im Software- und Mobilitätsbereich will man wahrnehmen, sollten sich dazu Chancen eröffnen, kündigte Vorstandschef Elmar Degenhardt an. Hauptziel sei es jedoch durch den Umbau flexibler und agiler zu werden, um besser wachsen zu können, so Degenhardt weiter.

„Das ist ein gravierender Umbau, der viel Dynamik entfachen wird“, sagte NordLB-Analyst Frank Schwope, warnte aber gleichzeitig vor den hohen Kosten allein mit Blick auf den Powertrain-Börsengang, als dem der Antriebssparte. Sie sollen bei rund 400 Millionen Euro liegen. Dass die Entscheidung langfristig jedoch die richtige sein dürfte, daran zweifelt unter Analysten kaum einer. Mit dem Konzernumbau könne nun ein Prozess der strukturellen Wertsteigerung beginnen, schrieb Goldman Sachs-Analystin Gungun Verma in einer Studie. Sie empfiehlt die Conti-Titel daher mit einem Kursziel von 262 Euro weiter zum Kauf. So auch UBS-Analyst Patrick Hummel. Sein Kursziel liegt mit 245 Euro jedoch etwas niedriger. Aufgrund der Unsicherheit durch den Zollstreit und den neuen Prüfverfahren blickten viele Anleger zwar schon auf die zweite Jahreshälfte, das Ende Juni abgelaufene zweite Quartal dürfte aber zunächst gut verlaufen sein, schrieb er.

Ashik Kurian, Analyst bei Jefferies, warnte ebenfalls vor Produktionsrisiken im zweiten Halbjahr und stutzte sogar seine Gewinnerwartungen für die Branche bis 2020 zurecht, innerhalb der Branche jedoch zählt er die Aktie von Continental zu den vielversprechendsten und rät mit einem Kursziel von 230 Euro schlussendlich ebenfalls zum Kauf.

Langer Atem ist gefragt

Mit Blick auf den Konzernumbau der Niedersachsen empfiehlt sich aber wohl ohnehin ein längerfristiger Analagehorizont. Zunächst einmal schließlich kostet ein solcher Geld und belastet die Rendite. Später jedoch könnte er sich auszahlen. Wie immer dürften die Holdingstrukturen den Konzern manövrierfähiger machen. In der Antriebssparte soll in Zukunft die Produktion und Entwicklung von Verbrennern und E-Motoren vereint werden. Auch die eigene Herstellung von Batteriezellen ist im Gespräch. Ausgestattet mit deutlich mehr Eigenständigkeit kann sich die Sparte im globalen Wettbewerb womöglich besser behaupten. 2017 setzte sie insgesamt 7,5 Milliarden Euro um. 900 Millionen Euro blieben am Ende als Gewinn übrig. Ähnlich wie Siemens will Continental die Kontrolle an den einzelnen Sparten bei einem Börsengang zunächst nicht abgeben. Es werden also keine Konzernteile „abgeschoben“.

Anders als bei ThyssenKrupp wurde Continental nach eigenen Angaben nicht von Großinvestoren zu einer Aufspaltung gedrängt. Druck durch Investoren habe es nicht gegeben, betonte Vorstandschef Degenhardt. Die Initiative sei allein vom Vorstand ausgegangen. Das nährt die Hoffnung, dass es sich um eine wohlüberlegte Entscheidung zum Wohle des Konzerns, seiner Mitarbeiter und der Aktionäre handelt. Da die Aufspaltung wenig überraschend kam, kam der Kurs der Aktie zunächst kaum in Bewegung. Am Mittwoch dann ging es sogar um zwei Prozent nach unten. Natürlich sind die möglichen Handelsbarrieren und die unsichere Zukunft der deutschen Autoindustrie derzeit noch die bestimmenden Themen. Von letzterer – das erscheint logisch – hängt alles ab. Dass Continental seine eigene nun aktiver in die Hand zu nehmen scheint, dürfte da nicht schaden. Vielleicht bietet die jüngste schwäche das Papiers mit Blick auf die nun beschlossenen Umstrukturierungen zur Wertfreisetzung eine schöne Einstiegsgelegenheit. Mit einem für 2018 erwarteten KGV-Wert von 12,3 ist die Aktie nicht sehr hoch bewertet, darüber hinaus zahlten sie bei Continental zuletzt eine Dividende in Höhe von 4,50 Euro aus, was einer Dividendenrendite von zwei Prozent entspricht. Nicht ausgewöhnlich hoch, aber wohl hoch genug für einen zusätzlichen Kaufanreiz.

Oliver Götz