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Bayer-Aktie taumelt im Crash-Modus

Der Leverkusener Konzern hat sich durch die Rekordübernahme von Monsanto enorme Risiken eingekauft. Eine teure Klagewelle rollt. Die Börse sorgt seither für ein Kursmassaker. Ist das nicht übertrieben? Erste Analysten empfehlen bereits den Einstieg.

BÖRSE am Sonntag

Der Leverkusener Konzern hat sich durch die Rekordübernahme von Monsanto enorme Risiken eingekauft. Eine teure Klagewelle rollt. Die Börse sorgt seither für ein Kursmassaker. Ist das nicht übertrieben? Erste Analysten empfehlen bereits den Einstieg.

Es ist das Dax-Kurs-Massaker des Jahres. Die Übernahme von Monsanto wirkt für die Bayer-Anleger wie ein Alptraum. Bayer-Aktien liegen auf Jahressicht nun 40 Prozent unter dem Hoch von 118,04 Euro. Was war passiert? Ein Gericht in San Francisco sprach Dewayne Johnson, der als Hausmeister jahrelang Glyphosat-Pestizide von Monsanto versprüht hatte, 289 Millionen Dollar Schmerzensgeld zu. Johnson ist Mitte 40, dreifacher Vater, unheilbar an Krebs erkrankt und hat nur noch wenige Monate zu leben. Die Schuld daran gibt er Monsanto. Und weil der US-Agrarkonzern seit Juni nun zu Bayer gehört, traf das Glyphosat-Urteil die Aktie mit voller Wucht.

Weitere Klagen sind nun unterwegs, und zwar tausende. Glyphosat wird damit für Bayer zur Gefahr. Bayer hatte im Juni Monsanto endlich voll integriert und muss nun für alle Rechtsfolgen haften - und die könnten in die Milliarden gehen. Dabei hatte der Leverkusener Konzern schon für den Einstieg 63 Milliarden Euro bezahlt. Noch nie wagte Bayer, wagte überhaupt ein deutsches Unternehmen eine so große Übernahme. Bayer wollte damit "erheblichen Wert" schaffen. Bisher ist die teure Wette nicht aufgegangen. Der Chemieriese hat sich schwer kalkulierbare Risiken ins Haus geholt.

Dabei müsste Glyphosat eigentlich ein Selbstläufer sein. Das Mittel ist der weltweit meistverkaufte Unkrautvernichter. Drei Milliarden Dollar Umsatz macht Monsanto jährlich damit. Doch nun drohen Klagen das Geschäft zu zerstören. Bei seiner Verteidigung setzt Bayer auf empirische Belege. 800 Studien hätten gezeigt, dass Glyphosat keinen Krebs hervorrufe, beteuert Baumann. Weltweit würden Bauern Glyphosat seit mehr als 40 Jahren anwenden. "Wir sind zuversichtlich, dass sich die Wissenschaft am Ende in diesen Fällen durchsetzen wird." Die US-Umweltbehörde EPA hat das Produkt tatsächlich als sicher eingestuft, wenn es gemäss der Bedienungsanleitung eingesetzt wird. Die Weltgesundheitsorganisation stufte Glyphosat 2015 dagegen als ein „wahrscheinliches humanes Karzinogen“ ein. Karzinogene können krebsfördernd wirken.

An der Börse jedenfalls wittert man Gift für die Aktie. „Mit weiteren Klagen ist zu rechnen“, heißt es dazu in einer Mitteilung des Konzerns. Bayer werde sich „in all diesen Verfahren entschieden zur Wehr setzen“.
Mittlerweile nährt der Crash aber den Crash. M it den kräftigen Verlusten seit Anfang August wurden wichtige Unterstützungen durchbrochen - der Verkaufsdruck dauert an. Alleine seit Anfang August haben die Papiere 25 Prozent an Wert verloren; Anleger sollten sich also darauf einstellen, dass der Abwärtstrend fortgeschrieben wird. Davon zeugt die stark fallende 200-Tagelinie.

Andererseits sind die grundlegende Geschäftszahlen von Bayer nicht schlecht. Im Zeitraum April bis Juni sei der Umsatz - erstmals inklusive Monsanto - um 8,8 Prozent auf 9,5 Milliarden Euro gestiegen. Das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen (EBITDA) sei um 3,9 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro geklettert. Wegen des Monsanto-Kaufs erwarte Bayer für 2018 nun einen Umsatz von mehr als 39 Milliarden Euro. Bisher habe der Pharma- und Agrarchemiekonzern Erlöse von weniger als 35 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Erste Optimisten sehen eine baldige Gelegenheit für einen Schnäppchen-Einstieg. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis sei inzwischen einstellig, die Rechtsrisiken würden aus Panik überbewertet. Bayer sei so gewinnstark, dass selbst erhebliche Schadenersatzzahlungen weg gesteckt werden könnten. Andererseits erinnerte sich viele Anleger an ähnliche Aussagen zu deutschen Versorgungsaktien als der Atomausstieg kam - die Verluste wurden nie wieder ausgeglichen.

Die britische Investmentbank Barclays hat das Kursziel für Bayer nach der enorm schwachen Kursentwicklung und "Stimmungskapitulation" nach den Ergebnissen des zweiten Quartals zwar von 105 auf 100 Euro gesenkt. Die Einstufung ließ Analyst Emmanuel Papadakis in einer Studie aber auf "Overweight". Er rechnet nicht mit einer schnellen Neubewertung. Für alle mit einem nicht so kurzen Zeithorizont böten die Papiere der Leverkusener aber momentan außerordentliche Chancen.

Auch die Deutsche Bank hat die Einstufung für Bayer auf "Buy" mit einem Kursziel von 127 Euro belassen. Mit einem Marktwertverlust von 26 Milliarden US-Dollar seit der negativen Glyphosat-Entscheidung im August hätten die Anleger inzwischen mehr Risiken eingepreist, als bei vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit zu zahlen gewesen sei, schrieb Analyst Tim Race in einer Studie. Ein Teil der Verluste sei aber wohl auch auf die Quartalsergebnisse, den Ausblick und die Unternehmenskommunikation zurückzuführen. Und auch die Privatbank Berenberg hat das Kursziel für Bayer zwar von 113 auf 107 Euro gesenkt, die Einstufung aber auf "Buy" belassen. Die Leverkusener hätten zuletzt mit ihrem Ausblick für 2018 enttäuscht, schrieb Analyst Alistair Campbell. Er passte seine Schätzungen nach unten an. Nun komme es auf die Ziele für das kommende Jahr an, die allerdings noch auf sich warten lassen dürften. Die Aktie hält Campbell aber weiter für deutlich unterbewertet.