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Daimler, VW und die Kultur der Bevormundung

Dieselfahrern stehen harte Zeiten bevor. Ist das Dieselfahrverbot erst der Anfang vom Ende des Privatautos? Die Bundesrepublik wird immer mehr zu einer Verbotszone, wo immer weniger erlaubt ist. Freiheit geht anders. Berlin regiert zwischen Verbotswahn und neuer Wankelmütigkeit. Doch diese Ambivalenz kann dem Bürger nicht schmecken. Wir brauchen eine neue Protestkultur gegen die schwarz-links-grüne Bevormundungsrepublik. Eine bedenkenswerte Kritik des scheinbaren Gutmenschentums von Stefan Groß.

BÖRSE am Sonntag

Dieselfahrern stehen harte Zeiten bevor. Ist das Dieselfahrverbot erst der Anfang vom Ende des Privatautos? Die Bundesrepublik wird immer mehr zu einer Verbotszone, wo immer weniger erlaubt ist. Freiheit geht anders. Berlin regiert zwischen Verbotswahn und neuer Wankelmütigkeit. Doch diese Ambivalenz kann dem Bürger nicht schmecken. Wir brauchen eine neue Protestkultur gegen die schwarz-links-grüne Bevormundungsrepublik.

Von Stefan Groß

Sind die angedrohten Dieselfahrverbote in München und Stuttgart nur eine „List der Vernunft“, die einer höheren Dialektik entspringen, und die wir daher nicht verstehen, oder sind sie neue Imperative der Macht, die die Handlungsfreiheit des Einzelnen limitieren? Odysseus jedenfalls, der Held von Troja, hätte an den Beschlüssen unserer schwarz-links-grünen Bundesregierung seine wahre Freude gehabt. Denn in Deutschland wird ein Trojanisches Pferd nach dem anderen durchs Dorf getrieben.

Nach Außen gibt man sich liberal und republikanisch, als offene Gesellschaft, die die Selbstbestimmtheit zum Markenzeichen erklärt und die Aufklärung als Triumphzug der Moderne reklamiert; im Inneren allerdings birgt ein Zuviel an Freiheitszuweisungen auch gewisse Risiken, die schwer abzuschätzen und daher am besten mit Verbotsschildern zu versehen sind.

Die Bundesrepublik mutiert so peu à peu zu einer Oase, wo zwar noch vieles erlaubt, immer mehr aber verboten, oder unter das berühmte Kuratel – nicht der Vernunft, sondern der Politik gestellt wird. Statt demokratischer Teilhabe und liberalem Weltbürgerstaat treten staatlich verordnete Sanktionen, die das Staatsvolk blass aussehen lassen.

Der Obrigkeitsstaat als Leviathan

Ob bei der Flüchtlingskrise, bei der Klima-Hysterie, bei der Diskussion um die Abschaffung des Bargeldes, bei Heiko Maas’ Fabebook-Maulkorb oder nun bei den Dieselverboten – die großen Entscheidungen obliegen der Staatsgewalt, die dogmatisch über das Wohl und Wehe ihrer Bürger entscheidet. Dem Bürger bleibt in Zeiten von Gesinnungsethik und apokalyptischem Ökoterror das Nachsehen. Den richtungsweisenden Entscheidungen, als dem Imperium und Imperativ des Richtigen, kann er sich nur resigniert unterwerfen. Gegen den Staat als das theologisch aufgeblasene einzig wahre Faktum zu rebellieren, erscheint fast sinn- und zwecklos. Was einzig richtig ist und sich ziemt, was dem Staatsbürger schickt, obliegt der Staatsgewalt, die dann apodiktisch über wahr und falsch, über Gebote und Verbote entscheidet. Wahrheit, so lässt sich daraus schließen, ist wieder zu einer politischen Größe geworden. Die vernünftige Aufklärung feiert ihren Abgang von der Bühne und der Leviathan richtet sich als mächtiger Übervater auf.

Die Zeiten demokratischer Entscheidungsprozesse scheinen allenthalben vorbei. Derzeit regiert der absolute Staat, der sich nicht nur in alles einmischt, sondern der sich auch anmaßt, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das Instrument, dessen er sich dabei bedient, ist eine Logik, in der sich gesellschaftliche Herrschaft und Bevormundung mit einer pseudo-ökologisch-rationalen Vernunft verschwistern und ein apokalyptisches Zukunftshorrorszenario entwerfen. Die Natur sei derart bedroht und stehe geradezu vor einem endzeitlichen Kollaps, heißt es nun, dass nun allein eine richtungsweisende Kompetenz Rettung verspricht. Diese ist mit dem angedrohten Verbot von Dieselautos gekommen und wölbt sich wie eine dunkle Gewitterwolke über die 13 Millionen deutschen Dieselenthusiasten. Waren diese einst Vorreiter für die Grüne Revolution, werden sie dafür nun abgestraft, weil der Feinstaub und nicht mehr das Kohlendioxid zum Politikum geworden ist. Doch gegen alle Hysterie steigen auch die Feinstaubimmissionen nicht, sondern diese sinken.

Der Diesel – reif für das Endlager?

Bis 2107 galt der Diesel als der Musterknabe, wenn es um die Senkung des CO2-Ausstoßes ging. Er wurde von der Umwelt-Lobby und den Politikern gleichermaßen frenetisch gefeiert und als Alternative zum Benzinmotor angepriesen. Deutschland war Dieselland und die Erfindung von Rudolf Diesel der Verkaufsschlager. Klimakritiker und Alarmisten waren befriedet, die Umsetzung der Klimaziele rückte in greifbare Reichweite. Doch das einst gepriesene Sparauto – samt 3-Liter-Verbrauchsmotor – wird jetzt plötzlich zum Umwelt-Sünder abgestempelt und stigmatisiert. Wer Diesel fährt, fährt gegen die Zukunft, ist letztendlich ein perfider Geselle, dem Natur und Feinstaub egal sind.

Der Rollback ist vollzogen, die neuen Alternativen sind der alte Benziner und die Glorifizierung des Elektroantriebes. Die Politik hat sich – wieder einmal muss man sagen – wie einst beim Atomausstieg von ihrer einstigen Direktive verabschiedet. Unverhofft und überraschend. Und vor allem unlogisch. Denn um den in Paris ratifizierten Klimaschutzplan zu realisieren, gibt es derzeit für den Diesel keine Alternative, es sei denn, man verschenkt das gepriesene Elektroauto an alle Betroffenen. Doch das fährt bekanntlich immer noch mit dreckiger Energie und ist bislang auch kein Klimarenner, wenn man über die geringen Reichweiten mal nicht reflektiert.

Abschaffung wäre Sabotage des Klimaschutzplans

Den sparsamen Motor mit Direkteinspritzung also auf das kalte Abstellgleis zu schieben, käme einer „Sabotage des Klimaschutzplanes“ gleich. Wenn man in Berlin oder Stuttgart allseits gegen die postfaktische Unvernunft polemisiert, die jenseits der Faktenlage Propaganda macht, dann stehen zumindest beim Diesel und seinen Millionen Fahrern die Fakten diesmal nicht nur ganz beim Verbraucher, sondern auch beim Klima – zumal sich viele Pendler, einkommensschwache und kinderreiche Familien den Ökologieluxus gar nicht leisten können und durch teure Neuanschaffungen finanziell ausgeblutet werden.

Doch in Deutschland hat die Hütchenspielerpolitik immer wieder und spätestens dann einen konjunkturellen Aufschwung, wenn es um die Sicherung der Macht geht. So hat die Bundeskanzlerin den Diesel im Superwahljahr kürzlich verteidigt. Wohlgemerkt nur die Kanzlerin, Grüne und Sozis bleiben auf altem Kurs. „Für den Klimaschutz“, so Merkel, „ist das Dieselauto heute genauso ein gutes Auto wie es das gestern und vorgestern war.“ Und an die Adresse der Grünen, jüngst noch favorisierter Koalitionspartner einer möglichen rot-schwarzen Regierung, gerichtet: „Ich finde es perfide von den Grünen und zum Teil auch den Sozialdemokraten, dass jetzt so getan wird (…), als wäre all das, was wir den Menschen gesagt haben, falsch.“ Merkel geht damit ganz gezielt bei den Autofahrern auf Wahlfang. Die positive Dieseloffensive ist verlockend – zumindest für Wähler, die die Union bislang noch nicht auf dem Wahlzettel hatten.

Aber Versprechungen im Wahlkampf haben eine ebenso lange Haltwertzeit wie fangfrischer Fisch in der Sonne. Das Verfallsdatum ist begrenzt. Und in der Politik gilt noch oft das Seehofersche Prinzip: Was interessieren mich meine Entscheidungen und Versprechungen von gestern?

Die neue Dialektik von Wankelmütigkeit und Bevormundung

Genau diese Wankelmütigkeit der politischen Entscheidungen, der Zick-Zack-Kurs, das ewige Hin-und Her, das Vor- und Zurück, die Entscheidungsunfähigkeit einerseits und die rigide Verbotskultur andererseits, das Hase und Igel-Spiel – gepaart mit der Handlungsunfähigkeit der politischen Entscheider –, all dies scheint eines der neuen Markenzeichen des Regierens geworden zu sein. Erst vor Kurzem hatte Robin Alexander in seinem Buch „Die Getriebenen“ akribisch und detailliert nachgewiesen, wie es in Deutschland mit der Verantwortungslosigkeit beim Ausbruch der Flüchtlingskrise 2015 stand, wie die Entscheidungsunfähigkeit mit wankelmütiger Hand regierte, wo die rechte nicht wusste, was die linke tat. Getriebene sind zumindest eins nicht, verlässliche Entscheider.

Ob die neue Wankelmütigkeit im Bundeswahlkampf als politisches Programm taugt, mag der Wähler entscheiden. Wankelmütigkeit einerseits und normativer Bevormundungsstaat andererseits zeugen jedenfalls von einer politischen Schizophrenie in der Berliner Republik. Aber vielleicht lässt sich die Wankelmütigkeit und Entscheidungsschwäche nur mit Bevormundung und rigider Überwachung à la Heiko Maas kompensieren. Vielleicht ist das die neue postfaktische Dialektik, die je nach Gusto ins Gegenteil schwenkt und deren Alternativlosigkeit sich genau darin zeigt, über die Fakten, die 13 Millionen Dieselfahrzeuge, einfach hinwegzugehen.

Wann werden wir endlich mündige Bürger?

Und so könnte das geplante Dieselfahrverbot erst der Anfang einer neuen ökologischen Umerziehungswelle sein, an deren Ende der gänzliche Verzicht auf das private Automobil steht und verordnet wird. Damit jedenfalls würde der letzte Hort individueller Freiheit ein weiteres Opfer des allmächtig-wankelmütigen Leviathans. Die Alternative zum Autoverbot sind Busse, S- und U-Bahnen. Doch die sind so etwas wie die Turbos in Sachen Feinstaub.

Mit der Stimmungsmache gegen den Diesel hat der Kampf gegen das Auto an sich jedenfalls begonnen. Und die Bundesbürger sollten endlich mal wieder Protest lernen, eine demokratische Protestkultur entwickeln und nicht wie die Kaninchen vor der Schlange kuschen und sich dabei von den selig machenden Klimaaktivisten in Berlin oder Stuttgart ins Bockshorn jagen lassen. Bislang zumindest lässt sich der Deutsche noch zu viel gefallen. Bislang.

Stefan Groß, als Philiosoph doppelt promoviert, ist Chefredakteur des Debatten-Magazins The European.