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Gerry Weber vor dem Abgrund

Insolvenzen sind die Chance für Spekulanten. Gerry Weber ist pleite, die Aktie ist daher binnen Jahresfrist von 8 Euro auf nunmehr 50 Cent abgestürzt. Ein Pennystock für Zocker. Die Mutigen haben derzeit ihre Freude. Wer am 25. März die Aktie für 24 Cent gekauft hätte, kann sie mittlerweile für mehr als das Doppelte verkaufen. Ob dieser Aufwärtstrend anhalten wird, ist jedoch fraglich.

BÖRSE am Sonntag

Insolvenzen sind die Chance für Spekulanten. Gerry Weber ist pleite, die Aktie ist daher binnen Jahresfrist von 8 Euro auf nunmehr 50 Cent abgestürzt. Ein Pennystock für Zocker. Die Mutigen haben derzeit ihre Freude. Wer am 25. März die Aktie für 24 Cent gekauft hätte, kann sie mittlerweile für mehr als das Doppelte verkaufen. Ob dieser Aufwärtstrend anhalten wird, ist jedoch fraglich.

Anfang April eröffnete das Amtsgericht Bielefeld das Insolvenzverfahren für den Mutterkonzern. Nun hat auch das Tochterunternehmen, die Gerry Weber Retail GmbH, einen Antrag gestellt. Der westfälische Modehersteller versucht sich jedoch wieder aufzurappeln – setzt auf ein umfassendes Sanierungskonzept. Innerhalb Deutschlands plant das Unternehmen daher 145 Vollzeitarbeitsplätze in der Verwaltung und 309 in den Filialen abzubauen. Somit sind 120 Stores und Verkaufsflächen von der Schließung betroffen. Europaweit stehen 180 Ladenschließungen mit der entsprechenden Anzahl an Mitarbeitern bevor. Eine Einigung mit den Arbeitnehmervertretern sei bereits unterzeichnet worden, verkündete das Unternehmen.

Diese Neuigkeiten verschafften der Gerry Weber Aktie an der Börse Aufwind, nachdem das Papier im vergangenen Jahr um rund 90 Prozent einstürzte. Der Betrag nähert sich wieder einem Euro an – vor Kurzem war die Aktie für weniger als 30 Cent zu haben. Blickt man auf die erfolgreichsten Zeiten des Modeherstellers zurück, war die Aktie 2014 knapp 40 Euro wert. Johannes Ehlen, Vorstandschef der Gerry Weber International AG, ist jedoch zuversichtlich: „Wir spüren, dass wir aufgrund der bereits ergriffenen Maßnahmen zur Neupositionierung insbesondere im Retail Rückenwind im Markt erhalten. Die Effekte aus den leider unverzichtbaren Sanierungsmaßnahmen werden diesen Rückenwind sicherlich verstärken.“

Trotz der Insolvenz soll der Geschäftsbetrieb der Modekette weiterlaufen. Ende Januar hatte zunächst nur die Gerry Weber International AG einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverantwortung gestellt. Anfang Februar folgte auch die hundertprozentige Tochtergesellschaft. Für die Gerry Weber Retail GmbH wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Anfang Mai erwartet. Durch ein Verfahren in Eigenverantwortung kann das Unternehmen seinen zukünftigen Kurs weitgehend selbst bestimmen. Der derzeitige Vorstand wird im Amt bleiben. Ziel soll eine Sanierung des Konzerns sein. Eine Finanzierung des Geschäftsbetriebs sei nach derzeitigem Stand zwar bis ins Jahr 2020 gesichert, dennoch bleiben Entlassungen und Schließungen nicht aus.

Neben der Kernmarke Garry Weber gehören auch Hallhuber, Samson und Taifun zu dem börsennotierten Unternehmen. Zu Beginn des Jahres verkündete das Unternehmen, dass es noch tiefer in die roten Zahlen gefallen sei als befürchtet. So wurde im Dezember vergangenen Jahres ein Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 148,1 Millionen Euro verkündet. Im Januar wurde der Fehlbetrag für das Geschäftsjahr 2017/2018 auf 192,2 Millionen Euro erhöht. Dieser Wertberichtigungsbedarf von rund 44 Millionen Euro ergebe sich aufgrund einer neuen Geschäftsplanung für Hallhuber sowie einer angepassten Bewertung der Geschäfte in Finnland und Norwegen, so Gerry Weber.

Hallhuber galt einst als Hoffnungsträger des Modekonzerns – eleganter, jünger, moderner. Umsetzten konnte das Unternehmen seine Ziele nicht. „Unsere Mode war zu bieder und altbacken“, räumte Gerry-Weber-Chef Ehling offen ein. Zu lange habe man einzig auf Stammkunden gesetzt und der Konzern habe sich nicht weiterentwickelt. Nun plant der Konzern den Verkauf von Hallhuber. Gerry Weber teilte mit, dass man einem Investor eine Kaufoption gewährt habe. Im Gegenzug sei eine Brückenfinanzierung in Höhe von 10 Millionen Euro vereinbart worden. Auf diesem Weg sei der laufende Geschäftsbetrieb bis auf weiteres sichergestellt, so der Modehersteller.

Gerry Weber ist nicht der einzige deutsche Modehersteller mit Problemen. Auch andere Mittelklasse-Marken haben zu kämpfen – etwa Tom Tailor oder Esprit. „Wir sind uns einig, dass die Marke Esprit für nichts steht. Die Marke hat an Energie verloren“, gab Esprit-Chef Anders Kristiansen zu. Während Esprit und Tom Tailor auf Sparmaßnahmen setzen, befindet sich Gerry Weber bereits mitten in der eigenverantwortlichen Insolvenz.

Für den Unternehmensgründer Gerald Weber zählt der Bau eines Logistikzentrums in Künsebeck mit zu den größten Fehler. Die Halle sei zu groß und zu teuer gewesen. Gerald Weber leitete das Unternehmen bis 2015, bevor er die Führung an seinen Sohn Ralf Weber abgab. Im Herbst vergangenen Jahres trat schließlich auch dieser zurück. Johannes Ehling, mit dem nun erstmals ein Externer an der Spitze des Modeherstellers steht, folgte ihm. Neben dem Bau der Halle, habe auch eine schlechte Positionierung das Unternehmen belastet, so der Gründer. Konkurrenten wie H&M oder Zara dominieren den Markt. Mit einer Expansionsstrategie und der Eröffnung zahlreicher Filialen sowie einem schwachen Digitalgeschäft kam der Modehersteller immer weiter in Schieflage.

Spekulanten können aus der Krise profitieren. Doch der Handel mit insolventen Unternehmen ist riskant. Konservative Anleger sollten daher besser die Finger davon lassen. Gerry Weber tritt dennoch selbstbewusst auf und versucht Anleger zu bestärken: „Wir sind zuversichtlich, dass wir GERRY WEBER auf dieser Grundlage zurück in die Erfolgsspur führen können“.

Von Caroline Bingenheimer