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Geheimtipp Gerresheimer?

Der im MDax gelistete Spezialverpackungshersteller konnte Umsatz und operativen Gewinn im dritten Quartal überraschend deutlich steigern. Die konzerneigene Prognose für das Gesamtjahr bleibt aber konservativ. Für Anleger könnte darin eine Chance liegen.

(Foto: Gerresheimer / Picture Alliance_Associated Press)

Der im MDax gelistete Spezialverpackungshersteller konnte Umsatz und operativen Gewinn im dritten Quartal überraschend deutlich steigern. Die konzerneigene Prognose für das Gesamtjahr bleibt aber konservativ. Für Anleger könnte darin eine Chance liegen.

Gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen lohnt sich manchmal der Blick in einen Nebenwerteindex. In Deutschland ist das der MDax. Er listet die mittelgroßen börsennotierten Unternehmen der Bundesrepublik. Darunter findet sich auch die Aktie von Gerresheimer, einem Hersteller von speziellen Verpackungen, insbesondere für die Pharma- und Kosmetikindustrie. Schielt man auf den Kursverlauf der Aktie, ist man geneigt den Blick gleich wieder abzuwenden. Sei November 2020 ist das Papier von fast 100 Euro auf 55 Euro gefallen, ein Minus von 55 Prozent. Allein in diesem Jahr ging es um 35 Prozent nach unten.

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere zeigt einen bis 2020 intakten, jahrelangen Aufwärtstrend. 2009 kostete die Aktie 15 Euro. Damit hat sie sich ihr Wert in den vergangenen Jahren vervielfacht. Der heftige Kurssturz, der Ende 2020 einsetzte, hat zudem zwei Gründe, die von der eigentlichen Geschäftsentwicklung der Düsseldorfer losgelöst sind. Zum einen war der Kurs zu Beginn der Corona-Pandemie emporgeschossen, weil Gerresheimer auch Fläschchen für Covid-Impfstoffe produzierte. Hier hatte sich entsprechend eine Menge Fantasie im Kurs angesammelt. Dass die Aktie dieses Kursniveau nicht würde halten können und früher oder später konsolidiert, war abzusehen. Anfang 2022 kam dann der Russland-Schock. Die Verpackungsherstellung ist energieintensiv, Gas zur Produktion von Glas für Gerresheimer essentiell. Nicht überraschend, dass Anleger die Papiere aus dem Depot warfen.

Starke Nachfrage, starke Marktposition

Die eigentlichen Geschäftsaussichten aber sind bei Gerresheimer weiter gut. Mit Blick auf das aktuell herausfordernde Umfeld womöglich sogar sehr gut. Die jüngsten Quartalszahlen jedenfalls fielen stark aus. Im dritten Quartal steigerte Gerresheimer den Umsatz um 17,4 Prozent auf 473 Millionen Euro. Rechnet man die vor allem wechselkursbedingten positiven Sondereffekte mit ein, wuchs das Unternehmen um CEO Dietmar Siemssen sogar um 23,8 Prozent. Das operative Ergebnis stieg im Vorjahresvergleich um rund 20 Prozent auf 90,5 Millionen Euro. Gerresheimer selbst sprach von einer starken Kundennachfrage als Treiber. Zudem wären bislang höhere Beschaffungspreise, wie beispielsweise im Bereich Verpackungsglas, noch nicht weitergegeben worden. Damit wäre also noch Luft nach oben. Gerresheimer dürfte sich diesbezüglich relativ leicht tun, da die Spezialverpackungen für bestimmte Medikamente auch in einer Rezession notwendig sind und nicht von heute auf morgen von anderen Firmen bereitgestellt werden können.

Das dritte Quartal 2022 war überdies keine Eintagsfliege. Auch im von April bis Juni waren die Geschäfte bereits stark gelaufen. Der Wachstumstrend ist intakt. Damit einhergehend investiert Gerresheimer weiter kräftig in den Ausbau der Produktionskapazitäten. Erst vor kurzem wurde eine Werk im US-Bundesstaat Ohio fertiggestellt. Im Konzern blickt man optimistisch in die Zukunft. Die Jahresziele werden mit hoher Sicherheit erreicht. Das heißt: Der Umsatz steigt um ein Zehntel und das Betriebsergebnis um eine hohe einstellige Prozentzahl. Hierbei seien noch keine Preiserhöhungen berücksichtigt, sagte Konzernchef Siemssen. Aus Vorsicht wolle er die Prognose aber dennoch nicht erhöhen.

Mutig sein, während andere vorsichtig sind?

Darin könnte die Chance für langfristig orientierte Anleger liegen. Der Kurs der Aktie scheint einiges dieser Vorsicht eingepreist zu haben. Einige Analysten sehen die Aktie unterbewertet. Ein Nachfrageeinbruch ist nicht abzusehen. Gerresheimer könnte die Jahresprognose übertreffen, glaubt JPMorgan-Analyst David Adlington.

Für dieses Jahr hat sich Gerresheimer den Gasbezug dazu noch preislich abgesichert, die Risiken für das nächste sind mit dem beschlossenen Gaspreisdeckel der Bundesregierung kleiner geworden. Ein Ausbleiben von Gas erscheint inzwischen zudem immer unwahrscheinlicher, da Deutschland beim Erschließen neuer Lieferantenbeziehungen vorankommt. Zudem gelte Gerresheimer als systemrelevant und würde im Notfall bevorzugt beliefert, schreibt die DZ-Bank.

JP-Morgan-Experte Adlington sieht bei Gerresheimer ein „Missverhältnis zwischen fundamentalen Verbesserungen und Bewertung“. Dies mache die Düsseldorfer zum Übernahmekandidaten, so Adlington weiter. Tatsächlich wäre es im Frühjahr fast so weit gewesen. Doch Gerresheimer lehnte das Angebot des Finanzinvestors Bain Capital ab. Für Anleger ist aber vor allem die von Adlington ausfindig gemachte Lücke zwischen Kurs und fundamentaler Stärke von Interesse. Für langfristig orientierte Investoren schließlich ist das eigentlich ein Kaufsignal.

OG

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