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Geld verdienen schwer gemacht

Die US-Konkurrenz enteilt. Der Gewinn bricht weiter ein. Im Investmentbanking ist man nur noch ein Schatten seiner selbst. Mit Christian Sewing als neuem Chef soll nun die Wende her. Doch nur mit einem Wechsel an der Konzernspitze ist es nicht getan. Deutschlands größtes privates Geldhaus braucht eine Runderneuerung. Denn nicht nur Anleger fragen sich: Wo und wie soll in Zukunft eigentlich Geld verdient werden?

BÖRSE am Sonntag

Die US-Konkurrenz enteilt. Der Gewinn bricht weiter ein. Im Investmentbanking ist man nur noch ein Schatten seiner selbst. Mit Christian Sewing als neuem Chef soll nun die Wende her. Doch nur mit einem Wechsel an der Konzernspitze ist es nicht getan. Deutschlands größtes privates Geldhaus braucht eine Runderneuerung. Denn nicht nur Anleger fragen sich: Wo und wie soll in Zukunft eigentlich Geld verdient werden?

Ein wenig verhält es sich mit der Deutschen Bank in der Finanzwelt so, wie mit dem Hamburger Sportverein in der des Fußballs. Seit Jahren dümpelt der Verein im unteren Feld der Bundesliga-Tabelle vor sich hin, wechselt Saison um Saison den Trainer, gleitet ein ums andere Mal haarscharf am Abstieg in die zweite Liga vorbei. In diesem Jahr ist es besonders eng, die beiden letzten Spieltage im Mai werden über die Zukunft des einst so stolzen Hamburger Clubs entscheiden, der vor nicht allzu langer Zeit noch als sicherer Europa-League-Kandidat und ernstzunehmender Aspirant auf die Champions-League-Plätze galt. Gut möglich, dass es wieder in die Relegation geht, in zwei Alles-Oder-Nichts-Spiele. Und gut möglich, dass man es schafft, den Kopf einmal mehr noch gerade so aus der Schlinge zu ziehen. Viel ändern würde es wohl nicht. Die glorreichen Zeiten scheinen vorbei. Andere und neue Player haben im deutschen Fußball das Ruder übernommen. Solche, mit besseren Bilanzen, klareren Strukturen und zukunftsfähigeren Strategien.

Steckten in dieser Zusammenfassung nicht so viele Begrifflichkeiten aus dem Fußball, sie würde auch die Situation der Deutschen Bank recht treffend beschreiben. Nun erscheint es durchaus weit hergeholt einen milliardenschweren Konzern wie die Deutsche Bank mit einem wenn überhaupt mittelgroßen Fußball-Verein zu vergleichen, doch die Parallelen sind erstaunlich und nicht wegzudiskutieren.

Seit der Finanzkrise 2008 hat die Deutsche Bank dreimal einen Wechsel an der Vorstandsspitze unternommen. Auf Josef Ackermann folgten zunächst Anshu Jain und Jürgen Fitschen, ehe John Cryan für knapp drei Jahre das Ruder übernahm, um es nun an Christian Sewing abzugeben. Der bisherige Privatkundenchef ist also schon der vierte Manager, der die Bank zurück ins ruhige Fahrwasser rudern soll. Oder – je nachdem wie man es nimmt – ins schnellere. Die Konkurrenz aus Übersee nämlich enteilt. Goldman Sachs oder J.P. Morgan fahren längst wieder hohe Gewinne ein, die Deutsche Bank dagegen kämpft, um überhaupt in die schwarzen Zahlen kommen. Im ersten Quartal des laufenden Jahres brach der Gewinn um sagenhafte 80 Prozent auf 120 Millionen Euro ein. Und mit 575 Millionen war er im Vergleichszeitraum des Vorjahres nicht gerade hoch gewesen.

Die Mehrzehl Analysten hatten mit deutlich besseren Zahlen gerechnet. Vor allem im Investmentbanking brachen die Erträge weg. Die Sparte verbuchte im ersten Quartal 2018 ein Minus von 13 Prozent. Auch der Konzernumsatz sank. Um fünf Prozent auf sieben Milliarden Dollar. Grund waren wie schon in den Quartalen zuvor hohe Kosten, schrumpfende Einnahmen und Probleme im Geschäft mit Aktien, Anleihen und Währungen. Man könnte dies nun auf den schwierigen und von hoher Volatilität geprägten Jahresstart der Märkte schieben, doch die großen US-Institute profitierten sogar von den Schwankungen.

Man muss sich also an die eigene Nase fassen. Für Christian Sewing scheinbar kein Problem. Die aktuellen Renditen seien für Aktionäre „schlicht nicht akzeptabel“, sagte er nach Vorlage der Zahlen. Um sie wieder akzeptabel zu machen, will er das Investmentbanking-Geschäft deutlich zusammenstutzen. Vor allem in den USA. Aber auch in Asien. Überhaupt soll der globale Aktienhandel der Bank auf seine Ertragskraft hin überprüft werden. Und Sewing will sich wieder mehr auf die europäischen Wurzeln der Bank konzentrieren: „Hier wollen wir Unternehmen und institutionellen Kunden weltweite Finanzierungslösungen anbieten“, so der Vorstandsvorsitzende. Zudem will er das Privatkundengeschäft stärken. „In der Privat- und Firmenkundenbank und bei der DWS setzen wir auf Wachstum“, sagte Sewing.

Sewing ist nach Anshu Jain und John Cryan eigentlich schon die dritte letzte Chance der Deutschen Bank. Doch auch dieses Mal wird ein Wechsel an der Konzernspitze kaum ausreichen, um in die Erfolgsspur zurückzukehren und die Anleger wieder von sich zu überzeugen. Ähnlich der Situation beim HSV bleiben auch mit neuem „Trainer“ die alten Probleme bestehen. Und die Investoren verhalten sich wie enttäuschte Fans. Nach dem x-ten Neuanfang scheinen sie die Hoffnung auf Besserung allmählich aufzugeben. Die Folge von Sewings Ankündigungen in Sachen Konzernneuaufstellung war ein Minus von knapp fünf Prozent. Seit Jahresbeginn ist der Aktienkurs der Bank um fast 30 Prozent gefallen, mit 11,36 Euro ist er nicht mehr weit von seinem bisherigen Rekordtief aus dem Herbst 2016 entfernt. Anlegern scheint bei Deutschlands größter Privatbank zuletzt zu viel versprochen und zu wenig gehalten worden zu sein. Das Vertrauen ist weg. Auch bei vielen Analysten.

Die Investmentbank UBS warnt sogar vor der neuen Strategie. Durch sie drohe das Geldhaus noch anfälliger gegenüber externen Ereignissen zu werden, die sie nicht beeinflussen kann, so die Schweizer Experten. Auch die Citigroup sieht die angedachten Kürzungen im Investmentbanking kritisch, sieht die Gefahr von „unerwarteten Nebenwirkungen“, wie zum Beispiel, dass mehr Ertrag wegbricht, als Kosten eingespart werden können. Auch viele Hedgefonds trauen der Bank nicht mehr über den Weg. Den Daten des Informationsdienstes IHS Markit nach, laufen derzeit Leerverkaufs-Wetten im Wert von 3,2 Prozent des gesamten ausgegebenen Aktienkapitals gegen die Bank. Bei keinem anderen Wert im Dax sind es mehr.

Hedgefonds, Analysten, Privatanleger. Alle dürften sie sich vor allem eine Frage stellen: Mit was will die Deutsche Bank in den nächsten Jahren ihr Geld verdienen? Wie will sie sich in  einem globalisierten Finanzsystem in Zukunft noch von der Konkurrenz unterscheiden?

Eine Frage, die sich die Bank wohl erst einmal selbst beantworten muss. Derzeit steckt man „zwischen den Stühlen fest“. Einerseits will man globale Investmentbank sein, andererseits Anlaufstelle für Privatkunden. Eine klare Strategie fehlt. Daran ändern auch Sewings jüngste Vorstöße den Investmentbanking-Bereich verkleinern zu wollen nichts. Denn auch die dürften wohl nur an der Oberfläche kratzen und nicht wesentlich etwas ändern. Ein Neuanfang, eine klare Positionierung oder vielleicht sogar ein innovativer Gegenentwurf zum bisherigen Geschäftsmodell sieht anders aus. Geht es im Wesentlichen so weiter bisher, wird es schwer für die Bank. Kostensenkungen und Konzernverschlankung werden allein kaum für bessere Ergebnisse sorgen. Die US-Konkurrenz macht vieles schlicht und einfach besser.

Und ihren früheren Glamour-Status, oder anders ausgedrückt ihren Image-Vorsprung gegenüber vielen anderen europäischen Instituten hat die Bank längst eingebüßt. Die Champions-League – um im Bilde zu bleiben – ist weit entfernt. Viel mehr wird man darum kämpfen müssen in Zukunft überhaupt noch international eine Rolle zu spielen. Sonst droht der Abstieg in die nationale Bedeutungslosigkeit. Und das kann, wie allein schon nur jedes Jahr gegen ihn anzukämpfen, nicht der Anspruch der Deutschen Bank sein. Und ganz bestimmt nicht der ihrer Kunden und Aktionäre. Die gehen sonst auf die Suche nach einer neuen Bank. Hier hört er nämlich auf, der Vergleich mit dem Fußball. Fan-Treue können Sewig und Co. wohl kaum erwarten. Oliver Götz