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Der Kauf von Bayer-Aktien bleibt ein Risiko

Durch einen milliardenschweren Vergleich glaubt Bayer die Rechtsstreitigkeiten um Glyphosat so gut wie beigelegt. Dabei sind die Risiken nur kurzfristig beseitigt. Vielmehr droht eine jahrelange Fortsetzung der bisherigen Hängepartie – auch an der Börse.

Bayer werden Klagen rund um Glyphosat trotz Vergleich noch länger begleiten. (Foto: Lukassek / Shutterstock).

Durch einen milliardenschweren Vergleich glaubt Bayer die Rechtsstreitigkeiten um Glyphosat so gut wie beigelegt. Dabei sind die Risiken nur kurzfristig beseitigt. Vielmehr droht eine jahrelange Fortsetzung der bisherigen Hängepartie – auch an der Börse.

Am Ende werden es wohl knapp elf Milliarden Dollar sein. Damit soll dann aber auch alles endgültig vom Tisch sein, was sich über die vergangenen Jahre so angesammelt hat an Klagen rundum den Unkrautvernichter Roundup, dessen Wirkstoff Glyphosat in Verdacht steht krebserregend zu sein. Das Unternehmen wird 8,8 bis 9,6 Milliarden Dollar zahlen, um die aktuellen Roundup-Fälle beizulegen. Darin enthalten ist eine Pauschale, mit der Ansprüche abgedeckt werden sollen, die noch nicht beigelegt sind. Für mögliche zukünftige Fälle stellen die Leverkusener dann noch einmal 1,25 Milliarden Dollar bereit. Das ist viel Geld. Bei 125.000 eingereichten und drohenden Klagen, ist es aber wohl gut investiert. Vorstandschef Werner Baumann nannte die Einigung „wirtschaftlich sinnvoll“ angesichts der „erheblichen finanziellen Risiken eines fortgesetzten langjährigen Rechtsstreits sowie den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf unsere Reputation und unser Geschäft“. Der Vergleich sei für Bayer „der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt, um eine lange Periode der Unsicherheit zu einem Ende zu bringen“.

Das klingt nach Befreiungsschlag. Auch, da es den Bayer-Anwälten gelang, die Klagen gegen das Pflanzenschutzmittel Dicamba und die Chemikalie PCB gleich mit aus dem Weg zu räumen. Entsprechend sieht Michael Leuchten, Analyst bei der Schweizer Großbank UBS, in dem Vergleich eine umfassendere Lösung als allgemein eingeschätzt. Dies, so der Experte weiter, mache den Blick frei für die fundamentale Lage und die günstige Bewertung.

Allein, an der Börse scheint man davon bislang nicht allzu überzeugt. Anleger, die zuvor wohl auf eine solche oder zumindest ähnliche Vergleichslösung gesetzt hatten, verkauften ihre Anteile in den Tagen nach der Entscheidung getreu dem Motto „sell on good news“. Und so hat der Kurs der Bayer-Aktie ausgehend von seinem Corona-Tief zwar rund 40 Prozent an Wert zugelegt, in den vergangenen Tagen aber fast acht Prozent verloren. Entsprechend läuft die Aktie nun dem Dax hinterher, der seit seinem Crash-Tief schon fast 50 Prozent hinzugewonnen hat. Dabei hätte die Aktie eine ganze Menge mehr aufzuholen als Deutschlands Leitindex. Der Kurs schließlich hatte sich in Folge der Glyphosat-Prozesse schon vor Corona fast halbiert.

Warum die Aktie nicht aus dem Kram kommt

Doch das Gegenteil ist der Fall. So wirklich will die Aktie des Pharma- und Agrochemiekonzerns derzeit keiner haben, was daran liegen könnte, dass die Risiken für Bayer im Zusammenhang mit Glyphosat nicht verschwunden sind. Sie mögen erheblich kleiner geworden sein, aber sie sind nicht beseitigt. Ob das Herbizid nun Krebs verursacht oder nicht, ist weiter unklar und bedarf somit weiterer Aufklärung, um künftige Klagen über die Vergleichsvereinbarung hinaus zu verhindern. Und diesbezüglich haben sich die Leverkusener auf eine riskante Wette eingelassen.

Um die Frage abschließend zu klären, soll eine Gruppe künftiger Kläger und ein unabhängiges Wissenschaftsgremium eingerichtet werden, welches innerhalb von vier Jahren zu einer Entscheidung kommen soll – krebserregend ja, oder nein. An diesen Beschluss will sich Bayer binden. Sollte das Wissenschaftsgremium beschließen, dass es keinen Kausalzusammenhang gibt, wird es den Mitgliedern der Gruppe verwehrt sein, in künftigen Verfahren gegen das Unternehmen das Gegenteil zu behaupten. Ist das Gegenteil der Fall, könnte Bayer die nächste Klagewelle drohen. Die Leverkusener hoffen also schlicht darauf, dass die Wissenschaft, auf der die eigenen Erkenntnisse basieren, am Ende die der Kläger aussticht. Bis dato lässt sich in die eine oder andere Richtung jedoch nichts mit Sicherheit sagen. Das ist riskant, legt doch die Einigung auf den Vergleich schon nahe, dass man sich in Leverkusen der Unbedenklichkeit von Glyphosat vielleicht doch nicht zu 110 Prozent sicher ist.

Der Bayer-Aktie wird weiter ein latent erhöhtes Risiko anhaften

So droht dem Konzern, besonders aber seinen Anlegern, eine Fortsetzung der Hängepartie um mindestens vier weitere Jahre. In dieser Zeit dürfen die Kläger zwar keine Schadenersatzforderungen mehr geltend machen, doch was hilft das schon, wenn die Wissenschaftler am Ende gegen Bayer entscheiden. In diesem Fall gilt zudem als wahrscheinlich, dass dem Konzern  die Zulassung für Glyphosat in den USA entzogen würde. In Europa erhält das Mittel zur Schädlingsbekämpfung unabhängig davon ab 2023 keine Zulassung mehr – stand jetzt.  

Bayer hat sich zunächst also vor allem eine ordentliche Portion Luft und Zeit verschafft. Wirklich gelöst ist im Fall des Unkrautvernichters wenig bis nichts. Die Reputation von Bayer dürfte dazu schon längst ihren Schaden genommen haben. Und solange nicht endgültig bewiesen werden kann, dass von Glyphosat keine gesundheitsschädigende Wirkung ausgeht, dürfte das auch so bleiben. Für die Aktie verheißt das nichts gutes. Vor dem Hintergrund des Wirecard-Skandals dürften Anleger erst recht vorsichtig geworden sein, was Beteiligungen an Unternehmen angeht, die sich mit undurchsichtigen Risiken schmücken.

OG

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