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Ist Lufthansa dramatisch unterbewertet?

Die Aktie hat tief korrigiert, doch die Zahlen aus dieser Woche sind prächtig. Analysten wittern eine Großchance auf steigende Kurse. Doch wie wirken sich die steigenden Ölpreise aus? Commerzbank optimistisch, Citigroup skeptisch.

BÖRSE am Sonntag

Die Aktie hat tief korrigiert, doch die Zahlen aus dieser Woche sind prächtig. Analysten wittern eine Großchance auf steigende Kurse. Doch wie wirken sich die steigenden Ölpreise aus? Commerzbank optimistisch, Citigroup skeptisch.

Die Nachrichten sind nicht gut, sie sind prächtig. In dieser Woche legte die Lufthansa die neuen Verkehrszahlen vor, und danach beförderte die Fluggesellschaft alleine im August insgesamt 13,8 Millionen Passagiere - das war ein Plus von zehn Prozent zum Vorjahresmonat. In den ersten acht Monaten dieses Jahres zählten die Airlines des Konzerns insgesamt rund 94,8 Millionen Fluggäste an Bord (plus 11,2 Prozent). Die angebotenen Sitzkilometer lagen im August um 8,2 Prozent über dem Vorjahr, wobei der Absatz um 8,7 Prozent stieg. Die Auslastung der Maschinen, der Sitzladefaktor, erhöhte sich hier um 0,5 auf 86,4 Prozent. Das Frachtangebot stieg um 3,6 Prozent.

Damit wächst bei zahlreichen Analysten der Optimismus. Die Gewinnschätzungen werden nach oben korrigiert. Schon die jüngst veröffentlichten Zahlen für das zweite Quartal haben Hoffnung genährt, dass die Lufthansa wieder an Auftrieb gewinnt. Trotz der hohen Integrationskosten, steigender Treibstoffpreise und immer mehr Flugverspätungen sowie -ausfällen wuchs der operative Gewinn um 3,2 Prozent auf 983 Millionen Euro an. Das übertraf deutlich die Erwartungen der Analysten, die nur 946 Millionen Euro erwarteten. Der Nettogewinn betrug 734 Millionen Euro, während die Nettokreditverschuldung gegenüber dem Jahresbeginn um 11,4 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro sank. Der Free-Cash Flow ging allerdings aufgrund massiver Investitionen um 53,3 Prozent auf 977 Millionen Euro zurück. Der Umsatz fiel mit 9,3 Milliarden Euro zwischen April und Juni etwas schlechter aus als erwartet – die Analysten rechneten mit 9,4 Milliarden Euro. Dass die Erlöse trotz der starken Expansion nur um 0,4 Prozent stiegen, liegt allerdings an einer neuen Bilanzierungsvorschrift, nach der passagierabhängige Flughafengebühren und Steuern nicht mehr als Erlöse gebucht werden. Ohne diese wäre der Umsatz um 5,8 Prozent geklettert.

Die Gewinnschätzungen führen dazu, dass die Aktie nun mit einem niedrigen KGV von gerade einmal 6 für 2019 bewertet wird. Damit zählt Lufthansa zu den günstigsten Aktien im DAX und auch innerhalb des Airline-Sektors. Die Analysten der Commerzbank raten daher nun zum Kauf. Die Aktie habe nicht bloß Erholungspotential, geht es nach den Commerzbank-Experten dann könnte Lufthansa sogar ein gewaltiger Kurssprung bevor stehen. Der faire Wert der Aktie sei 32,00. Damit könnten Anleger einen Kursgewinn von 40 Prozent erhoffen. CoBa-Analyst Malte Schulz verweist darauf, dass die jüngsten Verkehrszahlen die Wachstumsambitionen des DAX-Konzerns unterstrichen haben. Er betont, dass sich auf den Kurzstrecken die positiven Effekte des Marktaustritts von Rivalen wie allen voran Air Berlin immer noch bemerkbar machen. Er stuft die Lufthansa-Anteile deshalb klar mit „Buy“ ein.

Skeptiker hingegen erinnern an die Ereignisse des vergangenen Jahres. Da war die Lufthansa-Aktie mit einem Rekordgewinn von knapp drei Milliarden Euro und einem satten Plus von 150 Prozent an der Börse absoluter Champion im DAX. Für die Kranich-Aktien ging es im Januar dieses Jahres auf das Rekordhoch von 31 Euro nach oben. In der Bilanz war vom „erfolgreichsten Jahr in der Geschichte der Lufthansa Group“ zu lesen. Doch in der Folgezeit blieb von dieser Euphorie wenig übrig. Der Aktienkurs setzte beim Rekordhoch zum Sinkflug an und kratzte im Juli gar an der 20-Euro-Linie. Flugausfälle, Verspätungen, Fluglotsenstreiks und Probleme mit Sicherheitskontrollen an Flughäfen – all das schlug sich für die deutsche Premium-Airline in hohen Kosten nieder.

Besonders schwer ins Gewicht fallen aber die deutlich gestiegenen Preise für Öl und Kerosin. Die Treibstoffkosten dürften sich in diesem Jahr für die Lufthansa auf sechs Milliarden Euro belaufen, und sich somit um 850 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr verteuern. Von diesem Problem sind allerdings alle Branchenteilnehmer betroffen und so rückt die internationale Luftfahrtindustrie von ihrem im Dezember prognostizierten Rekordergebnis von 38,4 Milliarden Euro für 2018 ab, wie der Chef des Branchenverbandes IATA, Alexandre de Juniac, mitteilte. Erwartet werden demnach zwölf Prozent weniger – nunmehr 33,8 Milliarden. „Sollten sich die Öl- und Kersoinpreise weiter so dynamisch nach oben bewegen, dann würden die schönen Gewinne rasch wieder dahin schmelzen“, warnt ein Händler in Frankfurt. Die Aktie sei damit einem spekulativen Rohstoff-Risiko ausgesetzt.

Neben diesem branchenspezifschen Problem hat die Lufthansa allerdings noch mit hauseigenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Übernahme von Teilen der Air Berlin und Brussels Airline und die Integration in die Billigtochter Eurowings hat der Lufthansa viel Geld gekostet. „Wir haben in den letzten Monaten Wachstum vor Profitabilität stellen müssen, um Marktanteile zu sichern", gab Lufthansa-Chef Carsten Spohr auf der Hauptversammlung im Mai offen zu. Eurowings, das zuletzt schnell und stark zugelegt hat, braucht fortan erstmal Zeit, um die Flugbetriebe zu integrieren und zu harmonisieren. Neue Zukäufe soll es demnach zunächst keine geben. Die Integration von Air Berlin – 78 Flugzeuge wurden übernommen – soll 170 Millionen Euro kosten. Eurowings blickt für das erste Halbjahr 2018 auf einen operativen Verlust in Höhe von 199 Millionen Euro zurück, auch fürs Gesamtjahr rechnet die Billigtochter mit roten Zahlen.

Die US-Bank Citigroup hat daher Lufthansa von "Buy" auf "Sell" abgestuft und das Kursziel von 32,50 radikal auf 19,90 Euro gesenkt. Deutlich steigende Kapazitäten setzten etwa ein Viertel des Geschäfts der Kranichlinie unter Preisdruck, schreibt Analyst Mark Manduca in einer am Freitag vorliegenden Studie. Er ist zudem weniger optimistisch für den deutschen Markt als die meisten Experten. Mittelfristig dürften wegen der Konkurrenz durch Ryanair, Easyjet und Wizz Air auch hier die Preise sinken. Zudem sei die Lufthansa weitaus weniger anlegerorientiert als andere Airlines. Das US-Analysehaus Bernstein Research hat in dieser Woche dagegen die Einstufung für Lufthansa auf "Outperform" mit einem Kursziel von 29 Euro belassen. Trotz verbesserter Fundamentaldaten lägen die aktuellen Bewertungen im Luftfahrtsektor deutlich unter jener der vergangenen Dekade. Wim Weimer