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Krise bei Henkel: Anleger und Analysten wenden sich ab

Henkel macht 2018 weniger Umsatz und prognostiziert für 2019 eine Verringerung der Marge. Die Jagd nach immer höheren Renditen scheint damit beendet, Anleger wenden sich ab, Analysten werden immer skeptischer. Die Aktie fällt auf ein neues Vierjahrestief. Ihr erneuter Kurssturz markiert damit die vorläufige Spitze eines sich schon seit längerem gefährlich hoch auftürmenden Eisbergs.

BÖRSE am Sonntag

Henkel macht 2018 weniger Umsatz und prognostiziert für 2019 eine Verringerung der Marge. Die Jagd nach immer höheren Renditen scheint damit beendet, Anleger wenden sich ab, Analysten werden immer skeptischer. Die Aktie fällt auf ein neues Vierjahrestief. Ihr erneuter Kurssturz markiert damit die vorläufige Spitze eines sich schon seit längerem gefährlich hoch auftürmenden Eisbergs. 

Positive Dividendensignale – im laufenden Jahr will Henkel 30 bis 40 statt wie bislang nur 25 bis 35 Prozent seines Gewinns an die Aktionäre ausschütten – und ein insgesamt wieder etwas freundlicherer Gesamtmarkt dürften unter der Woche aus Sicht des Düsseldorfer Konsumgüterherstellers schlimmeres verhindert haben. Allerdings dürfte ein Kursverlust von rund 15 Prozent innerhalb von vier Tagen auch schon als schlimm genug gelten. Vor allem, da Einbrüche dieser Art für Henkel-Aktionäre ein Novum darstellen. Seit 2009 schließlich lief kaum eine Aktie so sicher, geradlinig und schnurstracks nach oben wie die des Persilherstellers. Wer rechtzeitig eingestiegen war konnte im Hoch aus dem Juni 2017 bei rund 128 Euro eine Rendite von sage und schreibe 590 Prozent einfahren. Und das mit einem klassischen Konsumgüter-, keinem Tech-Wert. Doch seit jenem Hoch hat die Aktie nun bereits 35 Prozent an Wert verloren, allein von letztem August bis heute steht ein Minus von 26 Prozent zu Buche. Mit einem Kurs von 84,50 Euro – am Freitag erholte sich die Aktie leicht – notieren die Titel so tief wie letztmals Ende 2014.

Auf einmal steckt Henkel finanz- wie realwirtschaftlich in einer Krise, die kaum einer vorhersah. Weder Anleger noch Analysten. Wie sonst ließen sich der abrupte Kurssturz zu Wochenbeginn und die nicht weniger plötzlichen, dafür aber umso deutlicheren Herabstufungen mit Blick auf das Henkel-Papier erklären?

Ära steigender Margen geht zu Ende

Jahrelang haben die Düsseldorfer an der Börse von gesundem Wachstum bei stetig steigenden Margen gelebt. Dazu kamen meist annehmliche KGVs und Dividendenrenditen. Letzteres dürft erst einmal so bleiben, sich angesichts der Kursverluste und der angekündigten Ausschüttungserhöhung sogar deutlich verbessern, doch ersteres, die so wichtige Jagd nach immer höheren Renditen, scheint vorerst beendet. 2019, so kündigte es Vorstandschef Hans Van Bylen an, soll das Ebit nur irgendwo zwischen 16 und 17 Prozent liegen. Und damit nicht nur deutlich niedriger, als noch im vergangenen Jahr (17,6 Prozent), sondern überhaupt nur in etwa auf dem Niveau von 2015. Für Henkel eine Art Zeitenwende. Von 2009 an schließlich war es Jahr um Jahr angestiegen.

Der Konsumgüterriese steht also vor einem Umbruch, es braucht neue Strategien, auch um in einem stark umkämpften Markt weiter konkurrenzfähig zu bleiben. Und das heißt auch: Henkel muss investieren. 300 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr sollen 2019 zuvorderst in Innovation und Marketing fließen. „Wir wollen unser nachhaltig profitables Wachstum fortsetzen und attraktive Erträge erzielen.“, gibt van Bylen die Richtung vor.

Wachstum durch Investition

Wachstum durch Investition also. Das erscheint als richtiger und notwendiger Schritt, schließlich machte Henkel 2018 mit 19,9 Milliarden 100 Millionen Euro weniger Umsatz als noch 2017. Schuld daran waren unter anderem eine schwächelnde Kosmetik- und eine unter dem schwachen Dollar leidende Waschmittelsparte. Die sollen nun mithilfe eines Aktionspaketes aufgepimpt werden, ebenso wie die dritte im Bunde, das Klebstoffgeschäft. Und darunter leidet freilich die Marge.
Doch wäre die Aktie bei ihren derzeitigen Kursen dann nicht mittel- bis langfristig gesehen ein schönes Schnäppchen? Vielleicht ja, doch Investoren scheinen sich doch um mehr zu sorgen, als allein um eine wohl für mindestens ein Jahr sinkende Marge.

Analysten senken Kursziele

Höhere Investitionen bei unveränderten mittelfristigen Zielen, schrieb Commerzbank-Analyst Andreas Riemann, das sei auch ein Zeichen des zunehmenden Wettbewerbsdrucks. Die geplanten Investitionsmaßnahmen seien darüber hinaus fade und kämen zu spät, konstatierte Andrew Wood vom US-Analysehaus Bernstein Research. Auch wenn die Aktie nun günstig sei, die frühere Zuverlässigkeit des Unternehmens sei nicht mehr gegebenen. Sein Kursziel senkte Wood von 101 auf 86 Euro. Das tat auch Merrill Lynch-Analyst Guillaume Delmas, mit einer Abstufung von 120 auf 104 Euro allerdings auf höherem Niveau. Seine Begründung klang ähnlich: Mit einem Abschlag von 22 Prozent zur Branche bleibe die Aktie zwar attraktiv bewertet, doch das schwer vorhersagbare Gewinnwachstum werde den Kurs belasten. UBS-Analystin Pinar Ergun schrieb: Das Management von Henkel habe zwar die richtigen Schritt eingeleitet, eine baldige Verbesserung sei deshalb aber nicht garantiert. DZ-Bank-Experte Herbert Sturm bemängelte den Ausblick des Konsumgüterherstellers vor allem auch deshalb, da er „sehr deutlich unter den Markterwartungen“ liege.

Egal welche Bank, welches Analysehaus, welches Research-Institut: Alle senkten sie ihre Kursziele deutlich. Nur die Experten vom Bankhaus Metzler sehen in der Krise eine Einstiegschance. Und diese Chance ist freilich auch da, schließlich verkauft Henkel Produkte, die schlecht wegdigitalisiert werden können und auch in Zukunft in großen Mengen nachgefragt werden dürften, Beispiel Waschmittel. Der Konzern steht also auf einem vergleichsweise festen Fundament, doch mit Blick auf steigende Aktienkurse braucht es eben auch eine überzeugende Wachstumsstory. Und genau an der mangelt es Henkel nun. Aufgrund von strukturellen Problemen genauso wie einer zu schwächeln beginnender Weltwirtschaft. Es dürften schwierige Zeiten anbrechen für den verwöhnten Riesen. Doch es dürfte auch noch lange nicht zu spät sein, die richtigen Schritte einzuleiten, damit daraus in Zukunft wieder bessere werden. Und die wirklich positiven Ausschüttungssignale könnten dabei helfen zumindest einmal ein schwieriges 2019 ohne weitere und noch größere Blessuren zu überstehen.

Oliver Götz