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Muss die Commerzbank den DAX verlassen?

Die Spannung für die Commerzbank-Aktionäre steigt, noch ist Geduld gefragt. Aber bereits Anfang September entscheidet die Deutsche Börse über den Verbleib im deutschen Leitindex. Mit Wirecard könnte ein Fintech-Unternehmen aus dem MDAX nachrücken, ein mögliches Zeichen nicht nur des Wandels sondern der Disruption im Finanzdienstleistungssektor.

BÖRSE am Sonntag

Die Spannung für die Commerzbank-Aktionäre steigt, noch ist Geduld gefragt. Aber bereits Anfang September entscheidet die Deutsche Börse über den Verbleib im deutschen Leitindex. Mit Wirecard könnte ein Fintech-Unternehmen aus dem MDAX nachrücken, ein mögliches Zeichen nicht nur des Wandels sondern der Disruption im Finanzdienstleistungssektor.

Von Christian Bayer

Wieder einmal versuchen die Bullen, die Abwärtsspirale beim Finanzkonzern Commerzbank zu beenden. Bereits im Mai dieses Jahres haben sich die Kurse kurzfristig stabilisiert. Knapp unterhalb des 50-Tage-Durchschnitts setzten allerdings wieder Verkäufe ein und die Bären gewannen die Oberhand. Jetzt hat das Papier erneut mit der Charttechnik zu kämpfen und es ist mehr als fraglich, ob das Kaufinteresse groß genug ist, um hier eine nachhaltige Wende zu schaffen. Der dominante Abwärtstrend, ausgehend vom 52-Wochen-Hoch bei 13,82 Euro, verläuft aktuell bei 9,18 Euro. Mit einem aktuellen Commerzbank-Kurs von 8,45 Euro ist ein baldiger Angriff auf diesen Abwärtstrend unwahrscheinlich geworden. Denn der Kursverlust in Höhe von 3,5 Prozent am 10. August hat die Commerzbank-Aktie wieder deutlich unter die 50-Tage-Linie katapultiert. Der Kursverlauf zeigt klar: Bei der Commerzbank überwiegen derzeit die schlechten Nachrichten.

Baissekandidat

„Die Werte sind ausgehend von mehr als 13 Euro seit etwa März auf weniger als neun Euro gefallen. Dies sind Abschläge in Höhe von gut 30 Prozent, womit sich die Ausgangssituation nun deutlich verschlechtert hat. Dabei ist unterhalb von 8,50 Euro ein kleines Comeback nach oben gelungen. Dies jedoch ist noch keine endgültige Erleichterung. neun Euro erwiesen sich zuletzt als zu hohe Hürde. Insofern sind die Notierungen weiterhin auf dem Weg nach unten. Zehn Euro wären eine Grundvoraussetzung dafür, um zumindest eine Chance auf die Trendwende zu erhalten. Vorsicht“, erläutert Analyst Frank Holbaum. Technische Analysten hielten den Wert derzeit für einen Baisse-Kandidaten. Die Aktie sei in allen zeitlich maßgeblichen Dimensionen unterhalb ihrer jeweiligen wichtigen gleitenden Durchschnittskurse. Dies gelte als klares Zeichen für wahrscheinlich fallende Notierungen. Damit liege ein Verkaufssignal vor.

Lynx rät aktuell zum Abwarten: „Ein nachhaltiger Aufwärtstrend kann nur dann eintreten, wenn sich die Kurse eine Zeit lang über dem 50-Tage-Durchschnitt halten können – idealerweise mehr als zwei Handelswochen. Ein kurzfristiger Sprung nach oben hat noch nichts zu bedeuten und kann wieder abverkauft werden. Es bedarf also noch etwas mehr als nur einer kurzen Zwischenrallye.“ Ein Absturz aus dem DAX wäre ein weitreichendes Signal. Denn Wirecard, ein Fintech-Unternehmen, könnte nachrücken. Damit wäre der tiefgreifende Umbau der Bankenlandschaft auch im DAX angekommen.

Konzernchef Martin Zielke verbreitet trotz der schwierigen Lage Optimismus: „Wir wachsen und machen Fortschritte bei der Vereinfachung und Digitalisierung. Es wird natürlich noch dauern, bis unsere Wachstumsinitiativen ihre volle Wirkung entfalten.” Für 2018 rechnet die Bank nun sogar mit etwas höheren Kosten (rund 7,1 Mrd. Euro) als bisher veranschlagt. Dies führte ebenso zu Unmut unter den Investoren wie die gesunkene Kernkapitalquote. Die Ursachen für die gestiegenen Kosten sah Finanzchef Stephan Engels unter anderem in höheren Bankenabgaben, Kosten im Vorfeld des Verkaufs der Sparte EMC, die auch die ETF-Tochter ComStage umfasst, an die Société Générale sowie höheren Investitionen bei Comdirect.

Ergebnisverdoppelung

Bis 2020 sollen nun die Kosten auf 6,5 Milliarden Euro reduziert werden. Über die Realisierung der Ziele herrscht jedoch Skepsis. „Investoren werden über das revidierte Kostenziel (für 2018) enttäuscht sein, weil es sich dabei um den wichtigsten Bereich handelt, den das Management kontrollieren kann“, erklärten die Analysten der Citibank. Allerdings seien die Erwartungen an die Bank schon „unglaublich gering.“

Im zweiten Quartal konnte die Commerzbank ihr operatives Ergebnis im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 389 (Vorjahreszeitraum: 179) Millionen Euro mehr als verdoppeln. Unter dem Strich wurden mit einem Gewinn von 272 Millionen Euro die Erwartungen der Analysten übertroffen. Konzernweit hat die Commerzbank ihre Erträge im zweiten Quartal um acht Prozent auf 2,2 Milliarden Euro gesteigert. Nach Rückgängen im ersten Quartal 2018 sowie im Gesamtjahr 2017 zweifellos eine positive Entwicklung, die vorrangig der Entwicklung im Privatkundengeschäft geschuldet war. Exakt ein Jahr zuvor hatten die auf einen Schlag verbuchten Kosten für den Abbau Tausender Stellen ein tiefes Loch in die Quartalsbilanz gerissen: Rund 640 Millionen Euro Verlust standen seinerzeit in den Büchern. Bis 2020 will die Bank die Zahl der Vollzeitstellen um 7.300 auf 36.000 verringern. Ende des ersten Halbjahres 2018 gab es in der Bank noch 41.300 Vollzeitstellen.

Auf Kundensuche

Bei den Kundenzahlen konnte die Commerzbank weiter zulegen - wenn auch nicht so kräftig wie erhofft. Im ersten Halbjahr gewann das Institut in seinem Privatkundensegment 145.000 zusätzliche Kunden. Seit Vorstellung der neuen Strategie im Herbst 2016 wuchs die Kundenbasis somit um mehr als 780.000. „Wir wollen in diesem Jahr, die Marke von netto einer Million neuer Kunden knacken. Das wird nicht einfach. Aber ich bleibe zuversichtlich”, sagte Privatkundenvorstand Michael Mandel den Nachrichtenagenturen dpa und dpa-AFX. Im zweiten Quartal konnte die Bank mit rund 70.000 gewonnen Neukunden jedoch nicht überzeugen „Da hatten wir uns natürlich mehr vorgenommen“, räumte Mandel ein. „Die WM-Kampagne hat wegen des frühen Ausscheidens der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nicht so gewirkt wie bei früheren Turnieren. Darum wollen wir mit gezielten Kampagnen das Kundenwachstum im zweiten Halbjahr ankurbeln.”

Die Commerzbank hat die Werbekampagne mit Bundestrainer Joachim Löw und der deutschen Nationalmannschaft nach dem unerwartet frühen Aus zeitiger beendet als geplant. Beim deutschen WM-Sieg 2014 lief die Kampagne sogar noch nach Ende der Weltmeisterschaft weiter, was der Commerzbank damals Scharen von Neukunden einbrachte. Im zweiten Quartal 2018 gingen etwa zwei Drittel der Neukunden auf das Konto der Tochter Comdirect. Als Sponsor setzt der Onlinebroker auf Volleyball statt Fußball. Immerhin ein gelungener Fall von Risikostreuung!

Harter Preiskampf

Durch gestiegene Kundenzahlen würden die Belastungen durch die EZB-Zinspolitik inzwischen mehr als wett gemacht, so Mandel. Die Großbank mit aktuell 12,9 Millionen Privat- und Unternehmenskunden in Deutschland will im Rahmen seiner Strategie „Commerzbank 4.0“ bis zum Jahr 2020 zwei Millionen zusätzliche Privatkunden anlocken. Davon verspricht sich das Unternehmen auf lange Sicht mehr Gewinn. Weiteres Potential sieht Mandel im Ratenkreditgeschäft, das mittlerweile wieder zulegt. Auch Baufinanzierung sei mit rund 250 Millionen Euro Neugeschäft pro Woche weiterhin sehr gefragt. „Aber der Preiskampf ist nach wie vor hart”, erläutert Mandel. Insgesamt jedoch sei die Bank auf Wachstumskurs: „Ich bin mit dem ersten Halbjahr für das Privatkundengeschäft eigentlich ganz zufrieden, auch wenn nicht alles so funktioniert hat wie erhofft.”

Das Firmenkundengeschäft der Commerzbank wird nicht nur durch den Umbau belastet. Die Verschmelzung von Investmentbanking und Großkundengeschäft mit der Mittelstandsbank hat zu Friktionen geführt. Im Firmenkundengeschäft bekommt die Bank aber auch zudem den harten Wettbewerb um den deutschen Mittelstand zu spüren. Der anstehende Brexit erhöht die Attraktivität der Finanzplätze in Kontinentaleuropa, verstärkt aber auch den Kampf um die Firmenkunden. Aufgrund der schwierigen Entwicklung hat die Commerzbank die Prognose für die Sparte nach unten revidiert: Statt mit steigenden Erträgen rechnet sie in diesem Bereich für das Gesamtjahr nun mit geringeren Erträgen als 2017. Das operative Ergebnis in diesem Bereich ging im zweiten Quartal um neun Prozent auf 212 Millionen Euro zurück. Damit kann die Commerzbank mit dem Status quo der einst erfolgreichen Sparte alles andere als zufrieden sein. Ein Fünkchen Hoffnung bietet die Tatsache, dass das Minus nicht mehr so stark ausfällt wie im ersten Quartal (minus 46 Prozent). Die avisierte Trendwende der Sparte in diesem Jahr musste die die Commerzbank daher auf später verschieben.

Die Vorgänge laufen eher im Verborgenen ab. Experten zufolge gibt es Planungen der Commerzbank, zusammen mit ihrer polnischen Tochter mBank eine Onlinebank zu gründen, die international ausgerichtet ist und europaweit Kunden binden könnte. Die Umsetzung von „Copernicus“, so der Name des Projekts, steht noch in den Sternen. Finanzchef Engels gibt selbst zu, dass noch keine Entscheidungen getroffen wurden. Klar ist aber auch, dass bereits Vorbereitungen für eine Umsetzung getroffen wurden. Ende 2017 wurde von der Commerzbank die Copernicus Germany GmbH gegründet. Zwei Geschäftsführer und drei Prokuristen wurden ernannt, die sich laut Handelsregister um die „Vorbereitung der Gesellschaft auf die künftige Erbringung von Bankgeschäften“ kümmern sollen.

Ausschüttung geplant

Für das laufende Jahr will die Commerzbank ihren Aktionären nun eine Dividende von 20 Cent bezahlen, sagte Zielke und konkretisierte damit bisherige Ankündigungen. Es wäre – nach dem Geschäftsjahr 2015 – erst das zweite Mal, dass die Aktionäre nach der staatlichen Rettung der Bank in der Finanzkrise eine Ausschüttung erhalten. Die Aussicht auf eine – wenn auch vergleichsweise magere – Dividende dürfte Balsam für die gebeutelten Aktionäre sein: Das Papier der Commerzbank zählt mit einem Verlust von gut 30 Prozent in diesem Jahr zu den größten Verlierern unter den Standardaktien. Mit einem Börsenwert von derzeit nur noch elf Milliarden Euro droht dem DAX-Gründungsmitglied im September der Rauswurf aus dem deutschen Leitindex. Deswegen können sich die Sorgenfalten auf den Anlegerstirnen noch nicht glätten. Kurzfristig ist der Abstieg aus dem DAX zwar ein Albtraum für Investoren, der noch in diesem Jahr wahrwerden könnte. Langfristig könnte eine Regenerationsphase in der zweiten Reihe allerdings wieder Aufwärtspotential bieten.