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Braunkohle-Demonstrationen belasten RWE

Ein Stopp der Braunkohleförderung am Tagebau Hambach wegen des Erhalts des Hambacher Forstes käme den Stromkonzern RWE sehr teuer. Die Aktie reagiert auf die Auseinandersetzungen mit teils kriminellen Demonstranten fühlbar negativ.

BÖRSE am Sonntag

Ein Stopp der Braunkohleförderung am Tagebau Hambach wegen des Erhalts des Hambacher Forstes käme den Stromkonzern RWE sehr teuer. Die Aktie reagiert auf die Auseinandersetzungen mit teils kriminellen Demonstranten fühlbar negativ.

Eigentlich waren RWE-Aktien nach Jahren des Anleger-Leidens 2018 wieder auf einem guten Erholungskurs. Von den Tiefstwerten bei gut 15 Euro Anfang Februar konnte sich der Titel auf Notierungen von mehr als 22 Euro kontinuierlich steigern - und das in einem eher schwachen Marktumfeld. Die Versorger-Aktien hätten erstmal seit 2014 wieder die Chance auf eine klar bessere Wertentwicklung als der Gesamtmarkt, lautete nicht nur die Überzeugung der Analysten bei Morgan Stanley. 

Doch nun kommen die Auseinandersetzungen um die Rodung des Hambaches Forstes. RWE rückt plötzlich wieder in negative Schlagzeilen, denn das Thema droht zu einem neuen Symbol der Öko-Bewegung zu werden. Und zu einem kostspieligen Risiko für RWE. “Ein Stillstand des Hambacher Forstes ad hoc würde 4 bis 5 Milliarden bedeuten", warnte Konzernchef Rolf Martin Schmitz am Donnerstag in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner“. Tatsächlich meinte Schmitz damit die Gesamtkosten, wie zum Beispiel für Personal- und Sozialleistungen, und entgangene Wertschöpfung im Konzern, sollte der Tagebau nicht wie geplant bis Mitte des Jahrhunderts laufen, wie das Unternehmen im Nachgang der ZDF-Sendung zu beschwichtigen versuchte. "Es ging um eine rein theoretische Frage, welche Kosten ein sofortiger und endgültiger Stopp des Tagebau Hambach verursachen könnte", erklärte RWE. Es handele sich dabei "um eine rein hypothetische Betrachtung“. Der Schaden für die Aktie aber war da. Die RWE-Notierungen bröckeln.

Der Versorger streitet seit längerem schon mit Umweltschützern und Braunkohlegegnern um die Rodung des Waldstücks am Tagebau, das Aktivisten besetzt haben. Die Räumung ist nach dem tragischen Tod eines Journalisten vorerst gestoppt. Schmitz bedauerte den Tod, der ihn tief betroffen mache. Dennoch sei der Erhalt des Waldes eine Illusion. Selbst wenn danach keine Braunkohle mehr abgebaut würde, müssen seinen Worten nach die Bäume weichen. "Wir brauchen die Flächen dort, um die Böschungen zu stabilisieren", erklärte Schmitz. Der Forst "ist wirklich nur ein Symbol".
Der Vorstandsvorsitzende musste sich während der Sendung schwere Kritik einer lokalen Braunkohlegegnerin und von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter anhören. "Man macht etwas doppelt Falsches", sagte Hofreiter. Man zerstöre gute Natur und verfeuere am Ende Braunkohle, was die Lebensgrundlagen auf der Erde zerstöre.RWE besteht darauf, die Bäume schlagen zu müssen, um den Tagebau weiter vorantreiben zu können. Ein Treffen zwischen Schmitz und Umweltverbänden hatte jüngst kein Ergebnis gebracht. Die Umweltschützer lehnten ein Kompromissangebot des Unternehmens ab, die Rodung bis Mitte Dezember zurückzustellen. Dann soll die Kohlekommission ihre Arbeit abschließen.

Die Umweltverbände wollen das Waldstück hingegen in Gänze erhalten und sehen in ihm ein Symbol für den Kampf gegen den Klimawandel. Bei der Verfeuerung von Braunkohle zur Stromerzeugung wird besonders viel klimaschädliches CO2 freigesetzt. Der Energieversorger verfügt über die nötigen Genehmigungen zur Abholzung. Spätestens am 14. Oktober wird ein Gericht einen letzten Einspruch prüfen. Wird die vorhergehende Rechtsprechung bestätigt, könnte RWE die Kettensägen anwerfen lassen.
Möglicherweise beeinflussen die tagelangen Protestaktionen im Hambacher Forst auch die Diskussion um die Zukunft des Tagebaus. Laut einem Bericht des "Spiegel" soll Ronald Pofalla, einer der vier  Vorsitzenden der Kohlekommission, 2035 bis 2038 als Enddatum für die den Betrieb der Kohlekraftwerke vorgeschlagen haben. RWE und die Gewerkschaft IG BCE gehen gegen diese Pläne auf die Barrikaden.

Holger Fechner, Analyst der NORD LB, rät in einer aktuellen Aktienanalyse trotzdem zum Kauf der Aktie und erhöht das Kursziel von 23,50 auf 27 Euro. Man müsse die längerfristige Geschäftsentwicklung im Blick behalten. Der Essener Versorger habe die relativ gute Unternehmensentwicklung grundsätzlich auch im ersten Halbjahr 2018 fortsetzen können, so der Analyst in einer heute veröffentlichten Studie. Angesichts langfristiger Lieferverträge habe RWE zwar noch unter rückläufigen Stromgroßhandelspreisen gelitten, deren Talsohle jetzt allerdings durchschritten sein sollte. Nach dem erfolgreichen Börsengang von innogy habe sich der finanzielle und strategische Handlungsspielraum durch die Rückerstattung der Kernbrennstoffsteuer nochmals deutlich verbessert. Zusätzlich werde sich der finanzielle Ausgleich für Investitionen in Atomkraftwerke, die durch den beschleunigten Kernenergieausstieg im Jahre 2011 wertlos geworden sein, positiv auswirken. Die mit E.ON angekündigte Neuordnung der Stromkonzerne schreite planmäßig voran. Dabei wolle sich RWE als Stromerzeuger positionieren, der das Wachstum bei den erneuerbaren Energien optimal mit der Versorgungssicherheit aus konventionellen Kraftwerken und dem Energiehandel kombiniert. Die zukünftige Beteiligung E.ON wolle sich dagegen auf das Geschäft mit Energienetzen und Dienstleistungen rund um Energie konzentrieren. Vorbehaltlich der Zustimmung der zuständigen Kartellbehörden für die angestrebte Transaktion erwarte Fechner weitere positive Impulse für RWE.

Auch die britische Investmentbank HSBC bleibt bei RWE optimistisch und hat die Aktie von "Reduce" auf "Buy" hochgestuft und das Kursziel von 18 auf 25 Euro angehoben. Dank des knapperen Kohlestromangebots seien die europäischen Strompreise mit einer überraschenden Dynamik am Steigen, schrieb Analyst Adam Dickens. Innerhalb des Sektors ziehe er er Aktien von einfach strukturierten Versorgern jenen der in Schwellenländern aktiven Konglomerate vor. Für die RWE-Papiere sprächen zudem die verbesserten Aussichten für das Geschäft mit Erneuerbaren Energien. Das französische Bankhaus BNP Paribas lässt die Einstufung für RWE hingegen auf "Neutral" mit einem deutlich pessimistischeren Kursziel von 23,60 Euro. Die meisten Analysten gehen offenbar davon aus, dass die Demonstrationen rund um den Hambaches Forst sich schon beilegen lassen werden.