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Schimmel: Noch ist der Schlussakkord nicht gespielt

Völlig zu Recht hat Helge Schneider festgestellt, dass man zum Klavierspielen leider ein Klavier braucht. Und das sei schwer und teuer und man könne ja nicht immer zu Tante Gustav gehen, um zu üben, so der Musiker und Comedian. Er muss es wissen, schließlich wurde er 2008 zum Klavierspieler des Jahres gekürt. Die Wirtschaftskrise hat nicht gerade dazu beigetragen, den Verkauf dieser teuren Instrumente anzukurbeln, im Gegenteil. Dem Klavierbauer Schimmel droht sogar die Pleite.

BÖRSE am Sonntag

Der Finanzkrise sind schon viele traditionsreiche Unternehmen zum Opfer gefallen, und das Braunschweiger Unternehmen könnte ebenfalls bald dazugehören. Ende Juli musste die Firma beim Amtsgericht Braunschweig Insolvenz beantragen, nachdem die Aufträge um bis zu 40% zurückgegangen waren. Schuld war vor allem das schwache Geschäft in den USA, einem wichtigen Exportmarkt für das Unternehmen. Medienberichten zufolge hat die Krise den Klavier- und Flügelhersteller zwei Drittel seines US-Geschäfts gekostet. Aus Unternehmenssicht wurden die Probleme nicht durch das operative Geschäft verursacht, sondern durch die gesamtwirtschaftliche Lage. Daher strebe man die Planinsolvenz an, um der Klavierfabrik und den Arbeitsplätzen am Standort eine Zukunft zu geben, teilte Schimmel damals mit. Auch weiterhin darf die für ihren von Stars wie Udo Jürgens oder Prince gespielten „gläsernen Flügel“ berühmte Firma hoffen: Wie es kürzlich hieß, spreche der vorläufige Insolvenzverwalter, Joachim Schmitz, mit möglichen Investoren. Er hoffe, dass es in den nächsten Wochen zu einer Entscheidung komme. Zugleich werde allerdings auch am Insolvenzplan gearbeitet. Den Angaben zufolge werden wohl nicht alle der 144 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz behalten können, die verbleibenden Beschäftigten müssen längere Arbeitszeiten in Kauf nehmen. Die Traditionsfirma Wilhelm Schimmel Pianofortefabrik GmbH wurde bereits 1885 von Wilhelm Schimmel in Leipzig gegründet. Schimmels Instrumente verkauften sich gut, auch im Ausland. Sogar zu Hoflieferanten des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach und des Königs von Rumänien stieg Schimmel auf. Unter der Leitung seines Sohnes Wilhelm Arno, der 1927 die Firma übernahm, erfolgte der Umzug nach Braunschweig. Nur zwei Jahre später hatte der Klavierbauer mit einer weltweiten Wirtschaftskrise zu kämpfen, ausgelöst durch den Zusammenbruch der US-Börse im Oktober 1929. Außerdem eroberte ernsthafte Konkurrenz in Form von Radios und Grammophonen die Wohnzimmer, sodass Musikgenuss bequem und vergleichsweise preiswert zu haben war. Während des Zweiten Weltkriegs musste die Produktion eingestellt werden, erst ab 1949 wurden wieder Flügel und Klaviere gebaut. Dafür umso erfolgreicher: Die folgenden Jahrzehnte standen im Zeichen von Expansion, ab 1961 unter der Führung von Nikolaus Wilhelm Schmidt. Braunschweig gilt übrigens als wichtiges Zentrum für den Bau von Musikinstrumenten. Mit Grotrian-Steinweg und Zeitter & Winkelmann waren hier zwei weitere auf Klaviere und Flügel spezialisierte Unternehmen ansässig. Während Grotrian-Steinweg bis heute existiert, gehörte Zeitter & Winkelmann seit den 1960er-Jahren zur Seiler Pianofortefabrik mit Sitz im unterfränkischen Kitzingen.

Krise sorgt für Molltöne

Auch Seiler bekam die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die zunehmende Konkurrenz asiatischer Unternehmen zu spüren: 2008 musste die Firma Insolvenz anmelden und wurde schließlich von Samick Musical Instruments, einem koreanischen Unternehmen, übernommen. Schimmel ist hingegen bis heute ein Familienbetrieb. Mit Hannes Schimmel-Vogel, der seit 2003 das Unternehmen leitet, ist mittlerweile die vierte Generation am Zuge. Und das soll wohl auch so bleiben: „Die Familie Schimmel möchte auch in Zukunft unternehmerische Verantwortung übernehmen“, ließ der Unternehmenschef wissen. Die Produktion und das operative Geschäft laufen bei Schimmel indes weiter. Im Oktober zeigte das Unternehmen seine Instrumente auf der internationalen Musikmesse Music China 2009 in Shanghai. Auf den chinesischen Klaviermarkt, der als der größte der Welt gilt, setzt nicht nur Schimmel große Hoffnungen.