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Schott Pharma soll an die Börse

Der Mainzer Spezialglasproduzent Schott plant fest mit einem IPO seiner margenträchtigen Sparte für pharmazeutische Verpackungen, traut sich wegen des Marktumfelds bislang aber noch nicht. Dabei laufen die eigenen Geschäfte exzellent und die Aktien der Konkurrenz hausieren.

(Foto: SCHOTT Pharma)

Der Mainzer Spezialglasproduzent Schott plant fest mit einem IPO seiner margenträchtigen Sparte für pharmazeutische Verpackungen, traut sich wegen des Marktumfelds bislang aber noch nicht. Dabei laufen die eigenen Geschäfte exzellent und die Aktien der Konkurrenz hausieren. 

Biontech oder Moderna steht drauf – und ist auch drin. Schott Pharma steht nirgends, ist aber sozusagen drum herum. Der Spezialist für Injektionsverpackungen ist Inbegriff dessen, was gemeinhin gern als Hidden Champion bezeichnet wird. Die beiden Corona-Impfstoff-Hersteller kennt inzwischen wohl jeder, das mittelständische Unternehmen aus Mainz dürfte außerhalb von Expertenkreisen nur wenigen etwas sagen. Dabei hätten die Vakzine ohne die speziellen Fläschchen, Ampullen oder Spritzen, die die Hessen aus Glas und zum Teil aus Spezialkunststoff herstellen, gar nicht erst verabreicht werden können. Schott Pharma dominiert gemeinsam mit Gerresheimer und Stevanato aus Italien den Weltmarkt für pharmazeutische Verpackungen. In etwa 90 Prozent aller Glasumhüllungen aus dem Sektor, darunter die sogenannten Vials, in denen Impfstoffe transportiert und aufbewahrt werden, stammen von diesen drei Unternehmen. 13 Milliarden Gefäße kommen pro Jahr von Schott Pharma. Unter den Abnehmern finden sich, eigenen Angaben nach, die 30 größten Pharmakonzerne der Welt. „Rechnerisch erhalten jede Minute über 25.000 Menschen weltweit eine Injektion mit einem Medikament, das in eines der Produkte von Schott Pharma abgefüllt wurde“, wirbt das Unternehmen. 

Schott Pharma ist seit August vergangenen Jahres ein eigenständiges Tochterunternehmen der Schott AG. Der Stiftungskonzern stellt Spezialglas und Glaskeramik für Abnehmer aus verschiedensten Branchen, darunter die Hausgeräte-, Automobil-, Chip- und Luftfahrtindustrie her. Die Konzernumsätze lagen 2022 bei 2,8 Milliarden Euro und damit um zehn Prozent höher als im Jahr zuvor. Der Vorsteuergewinn betrug 422 Millionen Euro. Großen Anteil an den besonders vor dem Hintergrund der Energiekrise starken Zahlen – die Glasindustrie gehört in Deutschland zu den energieintensivsten Branchen mit sehr hohem Gasverbrauch – hat Schott Pharma.

Nach der Ausgliederung in die rechtliche Selbstständigkeit ist die erste Zahlenvorlage ein Ausrufezeichen. Die Umsätze stiegen im Geschäftsjahr 2022 um 27 Prozent auf 821 Millionen Euro. Rund 30 Prozent des Konzernumsatzes kommen also von Schott Pharma – Tendenz steigend. Das operative Ergebnis kletterte derweil um 33 Prozent auf 219 Millionen Euro. Die Ebitda-Marge liegt bei stolzen 26,7 Prozent.
„Wir wachsen schneller als der Markt und erwarten, dass das so bleiben wird“, lautet das entsprechend optimistische Fazit von CEO Andreas Reisse. Dabei wächst der Markt auch insgesamt zügig, nach Reisse „um sieben bis acht Prozent pro Jahr“. Immer mehr Medikamente werden inzwischen per Injektion verabreicht, in den USA ist das bereits bei über der Hälfte aller neu zugelassenen Arzneien der Fall. Schott Pharma scheint für den Moment sehr gut in diesem vielversprechenden Markt positioniert. „Wir haben unser Geschäft deutlich ausgebaut und gleichzeitig die Profitabilität gesteigert. Dank unserer strategischen Investitionen konnten wir von den schnell wachsenden Pharmatrends stark profitieren. Trotz eines herausfordernden Umfelds mit steigenden Energie- und Rohstoffkosten und hoher Marktvolatilität haben wir ein hervorragendes Ergebnis erreicht“, sagte Finanzchefin Almuth Steinkühler am Rande der Zahlenvorlage.

Die Tochter wächst also kräftig in einem vielversprechenden Umfeld, glänzt mit einer starken operativen Marge, und soll wohl auch deshalb zügig an die Börse. Die Voraussetzungen wurden mit der Erteilung der rechtlichen Eigenständigkeit im vergangenen Sommer geschaffen. Allein, das Marktumfeld wollte sich 2022 erst spät im Jahr aufhellen, womit der Sprung aufs Parkett erst einmal ausblieb. In diesem Jahr könnte es nun so weit sein. Das erste Börsenquartal verlief prächtig, der Dax klettert inzwischen munter in Richtung Rekordhoch. Die Verluste aus dem vergangenen Jahr sind beinah gänzlich aufgeholt.
„Der Vorstand der Schott AG wird das zeitnah mit uns und den Beratern diskutieren und im Frühjahr entscheiden“, sagte Vortsandschef Reisse jüngst der Deutschen Presse-Agentur. „Das Hauptthema bei einem Börsengang ist das Timing.“ Den perfekten Zeitpunkt dürfte es dabei nicht geben, doch die angespannte Lange rundum Russlands Krieg gegen die Ukraine, die Inflation und die steigenden Zinsen, machen es seit Beginn des vergangenen Jahres besonders schwierig. Daran ändert auch der freundliche Jahresstart an den Märkten nur wenig.

Im ersten Quartal 2023 hat sich das weltweite Emissionsvolumen einer Auswertung von Ernst & Young (EY) zufolge mehr als halbiert und ist somit auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren gefallen. Die Zahl der Börsengänge ist um acht Prozent auf 299 gesunken. In Deutschland gab es in den ersten drei Monaten des Jahres zwei IPOs, der des deutschen Webhosters Ionos und der der Investmentgesellschaft Neon Equity. Es herrscht also hierzulande und weltweit weiterhin große Zurückhaltung, was Börsengänge angeht. EY-IPO-Experte Martin Steinbach rechnet jedoch damit, dass sich die Stimmung aufhellt: „Die chinesische Wirtschaft fasst nach der Pandemie wieder Tritt, und die US-Konjunktur entwickelt sich recht stark, wovon auch europäische Unternehmen profitieren werden. Damit könnten sich die Rahmenbedingungen für IPO-Kandidaten in den kommenden Monaten verbessern, vor allem in der zweiten Jahreshälfte.“

Für Schott Pharma würde der Börsengang neue Finanzierungsmöglichkeiten eröffnen. Zwar steht das Unternehmen kerngesund da und wächst stark aus eigener Kraft. Doch vor dem Hintergrund des wachsenden Sektors dürfte der Kapitalbedarf weiter zunehmen. „Der bessere Zugang zum Kapitalmarkt durch den Börsengang wird vor allem interessant, wenn wir einmal eine Akquisition ins Auge fassen“, erklärt CEO Reisse. Zwar sei derzeit nichts konkret geplant doch „wenn es einmal eine gute Möglichkeit gibt, sind wir bereit“. Zudem verschlingen Investitionen in den Ausbau der Produktion viel Geld.
Die Konkurrenz um Gerresheimer und Stevanato ist bereits an der Börse. Und die Kursverläufe beider Aktien zeigen, wie angesagt die Branche aktuell bei Investoren ist. Die Papiere von Gerresheimer stehen auf Zwölfmonatssicht mit 35 Prozent im Plus, die von Stevanato mit 40 Prozent. Beide Aktien notieren nahe ihren Höchstständen von 103,70 Euro und 29,18 US-Dollar.

Das Geschäft mit Verpackungen für Injektionslösungen boomt und auch bei Schott weiß man: eigenständig an der Börse kann die Tochter mehr Wert freisetzen. Die Mehrheit der Anteile soll im Fall der Fälle aber bei der Mutter bleiben. Um die 70 Prozent sind im Gespräch, 30 Prozent sollen an die Investoren gehen.

Angesichts der Kursperformance der Konkurrenten scheint das Börsenumfeld zumindest für die Branche gerade alles andere als schlecht. Vielleicht geht es also bald ganz schnell. „Da ist dieses Jahr absolut noch was vorstellbar“, hatte Finanzchef Jens Schulte bereits Anfang Januar gesagt.

Oliver Götz

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