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Thyssen-Krupp: Nichts für schwache Nerven

Das Bollwerk bröckelt. Die Beteiligung der Krupp-Stiftung ist unter die Sperrminorität gesunken. Der Aktienkurs brach innerhalb eines Tages um neun Prozent ein. Oft reicht ein Blick auf den Kurvenchart einer Aktie, um zu sehen, in welchem Fahrwasser sich ein börsenotiertes Unternehmen gerade befindet. Für das DAX-Flaggschiff ThyssenKrupp sieht es überhaupt nicht gut aus.

BÖRSE am Sonntag

Das Bollwerk bröckelt. Die Beteiligung der Krupp-Stiftung ist unter die Sperrminorität gesunken. Der Aktienkurs brach innerhalb eines Tages um neun Prozent ein.
 
Oft reicht ein Blick auf den Kurvenchart einer Aktie, um zu sehen, in welchem Fahrwasser sich ein börsenotiertes Unternehmen gerade befindet. Für das DAX-Flaggschiff ThyssenKrupp sieht es überhaupt nicht gut aus. Die Aktie startete am Montag mit 19,25 Euro, zu Handelsschluss notierte das Papier bei 17,47 Euro – ein regelrechter Absturz von mehr als neun Prozent. Auslöser des Einbruchs war die auf Samstag vorgezogene Bilanzpressekonferenz. ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger hatte die Aktionäre erneut auf schwierige Zeiten eingestimmt und gesagt, dass es „keine Befreiungsschläge“ geben werden. Vielmehr werde es noch einige Zeit dauern, den Konzern aus der Misere zu führen. Mittwochmorgen erreichte die Aktie ihren vorläufigen Tiefpunkt bei 16,83 Euro, Freitagmorgen stand sie bei 17,20 Euro.
 
Diese Woche war wahrlich keine gute Woche für den altehrwürdigen Stahlkonzern. Der finanziell arg gebeutelte Konzern wusste keinen anderen Ausweg mehr als sich mit einer Kapitalerhöhung Luft zu verschaffen. Knapp 900 Millionen Euro sammelte ThyssenKrupp ein. Nach Unternehmensangaben seien die Aktien überwiegend bei langfristig orientierten Investoren platziert worden. Unklar war bis dato noch, ob sich auch der schwedische Großaktionär Cevian an der Kapitalerhöhung beteiligte. Cevian war jüngst mit 6,1 Prozent an dem Konzern beteiligt und damit zweitgrößter Aktionär hinter der Krupp-Stiftung. Die Schweden hatten eine Aufstockung ihres Anteils nicht ausgeschlossen.
 
Die mächtige Krupp-Stiftung galt über lange Zeit als Bollwerk gegen feindliche Übernahmen. Doch das ist nun Geschichte. Die Beteiligung der Stiftung ist auf 22,99 Prozent und damit unter die Sperrminorität gesunken. Bislang war die nach dem Tod von Alfred Krupp testamentarisch verfügte Stiftung in der Lage gewesen, mit einer Beteiligung von zuletzt 25,3 Prozent wichtige Beschlüsse der Hauptversammlung zu blockieren.
 
Experten schätzen die Lage so ein, dass ThyssenKrupp im Kampf gegen den immensen Schuldenberg von fünf Milliarden Euro mit der Kapitalerhöhung Zeit gewonnen habe. Wie das Drama ausgeht, ist noch ungewiss. Im vergangenen Geschäftsjahr (Ende September) stand per Saldo ein Verlust von 1,5 Milliarden Euro. Die Eigenkapitalquote sackte auf 7,1 Prozent ab. Durch die Kapitalerhöhung soll nun das Eigenkapital wieder deutlich ansteigen.
 
Nachdem die schlechten Geschäftszahlen und die Kapitalerhöhung gegen Mitte der Woche halbwegs verdaut waren, gab es die nächsten schlechten Nachrichten: Das Unternehmen verlor am Donnerstag auch bei der letzten großen Ratingagentur den Investmentstatus. Fitch stufte die Bonität von „BBB“ auf „BB+“ herunter. Damit notiert ThyssenKrupp nun bei allen drei international wichtigen Ratingagenturen auf Ramschniveau. Soll heißen: Die Bonitätsexperten sehen ein erhöhtes Ausfallrisiko bei Anleihen des Konzerns. Dies dürfte nicht gerade hilfreich für die künftige Geldbeschaffung über Unternehmensanleihen sein. Bei Standard & Poor’s hat der Konzern schon seit 2009 Ramschniveau-Status, bei Moody’s seit Beginn dieses Jahres.

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Die Fitch-Experten begründeten ihren Entschluss unter anderem mit dem aus ihrer Sicht überraschend niedrigen Erlös beim angekündigten Verkauf des Stahlwerks im US-Bundesstaat Alabama. Außerdem monierten sie, dass das Unternehmen auf dem Werk in Brasilien sitzen bleibe. Das Werk sei der eigentliche Verlustbringer in der Übersee-Stahlsparte.
 
Für die Aktionäre stellt sich nun die Frage, ob ThyssenKrupp nun das Gröbste hinter sich hat oder ob die Talfahrt weiter geht. Die Kapitalerhöhung sehen einige Experten als Chance, den Konzern wieder auf Kurs zu bringen. Die Analysten jedenfalls sind sich nicht einig, welche Richtung der Aktienkurs einschlagen wird. Bei den Kaufempfehlungen sind derzeit in etwa genau so viele Experten zu finden wie bei den Verkaufsempfehlungen. Der überwiegende Teil stuft das Papier mit „Halten“ neutral ein.
 
Etwa auch die Analysten der Citigroup, die das Kursziel bei 17,60 Euro sehen. Der Verbleib des Stahlwerks in Brasilien sowie die Rückkehr zum Edelstahlgeschäft brächten neue Risiken für die Ergebnisse des Stahlkonzerns, so Analyst Michael Flitton. Die Umwandlung des Unternehmens pausiere, was die Aktie belasten könne. Der Experte senkte seine Prognose für das operative Ergebnis (EBIT) im Geschäftsjahr 2014 um 25 Prozent. Auch die Experten aus dem Hause HSBC sehen die Lage bei ThyssenKrupp kritisch, aber nicht hoffnungslos. Laut dem Analysten Thorsten Zimmermann sei der Verkaufspreis für das Stahlwerk in den USA niedriger als gedacht. Auch verzögere sich der Unternehmensumbau. Andererseits habe der Stahlkonzern zum vierten Geschäftsquartal starke Zahlen vorgelegt, der Ausblick liege aber unter seinen sowie den Erwartungen des Marktes. HSBC sieht das Kursziel bei 20 Euro und rät dazu, das Papier zu halten.
 
Damit es wieder aufwärts gehen soll, müsste ThyssenKrupp so schnell wie möglich aus den negativen Schlagzeilen kommen. 2013 wird jedenfalls als rabenschwarzes Jahr in die Geschichte des Industrieriesen eingehen. In der jüngsten Vergangenheit war der Konzern in zahlreiche Kartelle verwickelt. So sorgten unerlaubten Absprachen im Edelstahlsektor und bei Rolltreppen für einen Eklat. ThyssenKrupp wurde dieses Jahr zu hohen Strafen verurteilt. Allein beim Schienenkartell verhängte das Bundeskartellamt gegen ThyssenKrupp Bußgelder in einer Gesamthöhe von 191 Millionen Euro.
 
Ob das Unternehmen die Krise irgendwann überwindet, steht noch in den Sternen. Etwas anderes ist hingegen sicher: Das Aktie des einstigen Bollwerks ist nichts für schwache Nerven.

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