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Unternehmen > Prognosekürzung

Airbus: Einstiegschance nach dem Crash?

(Foto: Coby Wayne / Shutterstock)

Der weltgrößte Flugzeugbauer schlägt Anleger mit einer überraschenden Gewinnwarnung in die Flucht. Die Hintergründe des zweistelligen Kursrutsches aber sprechen für eine Kaufgelegenheit.

Gänzlich unerwartet kam die Nachricht unter der Woche nicht. Das Ausmaß aber geriet dann doch überraschend. Statt der geplanten 800 Maschinen rechnet Airbus 2024 nur noch mit der Auslieferung von 770 Verkehrsflugzeugen. Auch das Ziel, bis 2026 monatlich 75 Einheiten aus der A320-Baureihe zu produzieren, muss der europäische Luftfahrtkonzern um ein Jahr nach hinten verschieben. Airbus kämpft schon länger mit Problemen in der Lieferkette und brachte bereits im Mai weniger Jets an seine Kunden als geplant. Eine Kappung des Auslieferungsziels wurde damit immer wahrscheinlicher. Dass diese aber nun deutlich über das laufende Jahr hinauswirkt, war nicht unbedingt erwartet worden. Und noch weniger die damit einhergehend veröffentlichte, deutliche Gewinnwarnung. Statt der ursprünglich veranschlagten 6,5 bis sieben Milliarden Euro rechnet Airbus 2024 nun nur noch mit einem Konzern-Ebit in Höhe von 5,5 Milliarden Euro. Das sind 20 Prozent weniger, als prognostiziert. Zudem bedeutet die Kürzung, dass das ausgegebene Gewinnziel für dieses Jahr nun sowohl unter dem Wert von 2023 als auch unter dem von 2022 liegt. Der Free Cashflow soll mit 3,5 Milliarden Euro ebenfalls deutlich unter dem Wert von 2023 (4,4 Milliarden Euro) liegen. Die erheblichen Belastungen rühren neben den Produktionsengpässen in weiten Teilen aus einer Abschreibung in der Raumfahrtsparte. Wie der Konzern mitteilen ließ, seien bei einer Prüfung von Programmen „wirtschaftliche und technische Herausforderungen“ entdeckt worden. Es gehe dabei besonders um „aktualisierte Annahmen zu Zeitplänen, Arbeitsbelastung, Beschaffung, Risiken und Kosten während der Laufzeit bestimmter Telekommunikations-, Navigations- und Beobachtungsprogramme“. Kostenpunkt: 900 Millionen Euro.

Airbus-Aktie

Es scheint, als wären die zuletzt so erfolgsverwöhnten Airbus-Aktionäre von diesen Nachrichten unter der Woche ziemlich überrumpelt worden. Die Aktie des weltgrößten Flugzeugherstellers jedenfalls ging nach Veröffentlichung der News zweistellig in die Knie, tags darauf folgte ein weiteres Kursminus von rund drei Prozent. Ausgehend von ihrem Rekordhoch im März bei knapp 173 Euro, hat die Aktie nun innerhalb von drei Monaten ein Viertel an Wert eingebüßt. Der aktuelle Kurs liegt bei etwas über 131 Euro. Von September 2022 bis März 2024 hatte sich der Wert der Papiere dagegen noch im Eiltempo verdoppelt. Nun sind zumindest die Gewinne seit Herbst 2023 futsch. Darüber hinaus rutschte der Kurs unter die 200-Tage-Linie. Diese gilt Investoren als Maß für den langfristigen Trend.

Airbus ist für über elf Jahre ausgebucht

Dabei war Airbus in den vergangenen Monaten von Anlegern zunehmend als sicherer Hafen angefahren worden. Die Material-Probleme bei Boeing haben den Europäern eine exponierte Marktstellung eingebracht. 2023 nahm Airbus so viele Aufträge entgegen wie nie zuvor. Insgesamt lag der Auftragsbestand zum Jahresende bei fast 8.600 Maschinen. Damit ist Airbus bei der aktuellen Produktionsgeschwindigkeit in etwa auf elf Jahre ausgebucht. Das schafft Sicherheit, aufgrund von planbaren Umsätzen. Anleger erhofften sich stabiles, konservatives Wachstum, womöglich garniert mit leicht steigenden Dividenden und einem solide performenden Aktienkurs.

Nun aber soll plötzlich der Gewinn einbrechen. Und statt wie versprochen die Produktion spürbar hochzufahren, muss CEO Guillaume Faury nun feststellen: „Wir laufen hoch, aber langsamer als erwartet.“ Nach den Zahlen zum ersten Quartal 2024 hatte Faury die Prognose für das Gesamtjahr übrigens noch bestätigt. Nun, kurze Zeit später, muss er berichten: „Das ist eine neue Situation, die wir nicht erwartet hatten.“

Berenberg-Analyst Philip Buller sieht die Markterwartungen an Airbus deshalb für viele weitere Jahre beeinträchtigt. Mit einem Kursziel von 119 Euro liegt er noch unter dem aktuellen Kurs. Entsprechend empfiehlt er die Aktie des Luftfahrtkonzerns zum Verkauf.

Schlechte Nachrichten bereits eingepreist?

Mit diesem Pessimismus ist Buller allerdings bislang allein. Milene Kerner, Analystin bei Barclays, passte ihr Kursziel zwar von 191 auf 176 Euro leicht nach unten an, sieht damit aber ausgehend vom aktuellen Kurs deutliches Aufwärtspotenzial. Auch 2025 dürfte Airbus ihrer Meinung nach nicht an die Auslieferungszahlen von 2019 herankommen, der Aktienkurs sich entsprechend nur langsam wieder erholen, schätzt Kerner. Die Bewertung allerdings sei nun niedrig, schrieb die Expertin. JP Morgan-Analyst David Perry beließ die Airbus-Aktie mit einem Kursziel von 172 auf „Overweight“. Die neuen Jahresziele seien größtenteils eingepreist, so Perry und verweist auf eine günstige Einstiegsgelegenheit für Investoren, die längerfristig anlegen. Die Probleme lägen schließlich in der Produktion, nicht in einer stockenden Nachfrage, so der Experte.

„Wir haben jetzt Gegenwind, wir müssen in den sauren Apfel beißen“, hatte Airbus-CEO Faury in Folge der Gewinnwarnung erklärt. Vielleicht ist es das, was auch Anleger tun müssen. Airbus hätte aufgrund der starken Nachfrage ein goldenes Jahrzehnt mit stetem Wachstum hinlegen können. Daraus wird nun wohl erst einmal nichts. Wesentlich problematischer aber wäre es, wäre diese Nachfrage nicht vorhanden. Die Lieferkettenprobleme blieben für Anleger frustrierend, kommentierte RBC-Analyst Ken Herbert die gegenwärtige Situation. Sie taugen aber wohl kaum als Abgesang auf den größten Flugzeughersteller der Welt. Wer keine schnellen Gewinne sucht und ein bisschen Kurslethargie ertragen kann, der könnte mit der Airbus-Aktie weiterhin gut bedient sein. Wer sie noch nicht hat, hat jetzt eine mögliche Einstiegschance.

 

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