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Unternehmen > Banking in Deutschland

BaFin vs. Neobanken: Wenn Culture clasht

(Foto: Rodion Kutsaiev auf Unsplash)

Zwischen Finanzmarkt-Aufsehern und Neobanken kracht es. Ist die deutsche Aufsichtsbehörde zum Standortrisiko für junge Finanz-Start-ups geworden?

Mal wieder gibt es Stress. Diesmal im Fokus von Verbraucherschützern und der BaFin: Trade Republic. Die Berliner Neobank, gegründet vor zehn Jahren, lockt Kunden mit hohen Zinsen. Derzeit bietet die Vollbank immer noch 2,75 Prozent auf Cash. Das kommt so gut an, dass die Kundenzahl 2024 auf acht Millionen stieg, also verdoppelte sich die Schar im Vergleich zum Vorjahr. Ärger macht nun die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Die sagt: Trade Republic lege seine Anlagestrategie nicht transparent genug offen. Nun wurde Klage gegen die Neobank eingereicht. Auch die BaFin schaut genauer hin. Konkret gibt es Kritik an der Einlagensicherung. Es geht darum, wo das Geld der Kunden angelegt wird und ob das Versprechen, dass Einlagen pro Konto und Kunde mit bis zu 100.000 Euro geschützt sind, tatsächlich stimmt. Während jene bei Partnerbanken durch die Einlagensicherung sicher sind, gilt das für Geldmarktfonds nicht. Aber genau dort liegt ein Teil der Kundengelder von Trade Republic. Hören wir doch mal nach.

Von der Bank heißt es dazu: „Die Produkte entsprechen den strengen Regularien der BaFin“. So sagt es ein Sprecher von Trade Republic sehr allgemein. Dazu gehöre weiter auch die volle Weitergabe der EZB-Zinsen auf das gesamte Guthaben und die Einbindung der Partnerbanken und Geldmarktfonds. „Der laufende Austausch mit der BaFin zu unseren Produkten und Innovationen beschreibt die normale Aufsichtspraxis“, heißt es aus der Hauptstadt. Die BaFin möchte sich zu diesem Vorgang nicht äußern, betont aber, dass sie „innovativen Geschäftsmodellen offen gegenüberstehe“ und diese eng begleite. Aha.

Also alles halb so wild? Wohl kaum. Vertrauen ist eines der wichtigsten Güter von Banken. Es leidet, wenn Aufseher oder Verbraucherschützer sich öffentlich beschweren – oder sogar klagen. „Aus Sicht der BaFin sind essenzielle Verbraucherschutzvorgaben nicht verhandelbar und immer einzuhalten“, macht ein Sprecher der Behörde dann doch deutlich. Was der BaFin-Truppe wichtig ist: Transparenz gegenüber den Kunden. „Hier würde die BaFin auch Aufsichtsmaßnahmen ergreifen“, sagt man. Ob es sich bei Trade Republic um eine Sonderprüfung handelt und ob Kunden um die Sicherheit ihrer Gelder fürchten müssen, möchte die BaFin nicht beantworten, sagt aber: „Kundengelder auf Treuhandsammelkonten unterliegen grundsätzlich der Einlagensicherung bis zu einem Betrag von 100.000 Euro pro Institut. Bei Geldmarktfonds besteht hingegen ein Kursrisiko bis zum theoretischen Totalverlust, wobei das Risiko des Totalverlusts als überschaubar eingeschätzt wird.“ Wie genau das Geld bei Trade Republic verwaltet wird und in welchem Umfang, entscheidet die Neobank selbst. Dem stimmen Kunden vertraglich zu. Kurzum: Kunden tragen ein theoretisches Risiko. Laut BaFin sei das aber eben „überschaubar“. 

BaFin, don’t kill my growth

Auch N26 musste schmerzlich spüren, welch Macht die deutsche Aufsichtsbehörde besitzt. Im November 2021 verfügte die BaFin, dass jenes Geldhaus monatlich nur bis zu 50.000 neue Kunden aufnehmen dürfe. Hintergrund: Das Start-up hatte einzelne Geldwäsche-Verdachtsfälle zu spät gemeldet und Mängel im Risikomanagement aufgewiesen. Daraufhin hatte die deutsche Behörde einen Sonderbeauftragen geschickt, der sicherstellen sollte, dass alles sauber läuft. So passierte es, und die BaFin lockerte die Beschränkungen leicht: Im Dezember 2023 wurde die Grenze für Neukunden auf monatlich 60.000 angehoben.

Dem Tod von der Schippe gesprungen

Was heute easy klingt, hätte N26 fast gekillt. Denn Neobanken sind wie die meisten Start-ups auf schnelles Wachstum ausgelegt. Es geht um Größe, um eine Zukunftsstory, Gewinne sollen später kommen. Heute hat N26 etwa fünf Millionen Kunden und gewinnt allein in Deutschland mehr als 200.000 Neuanmeldungen pro Monat hinzu. Weshalb denn das? „Die Wachstumsbeschränkungen der BaFin wurden im Juni 2024 aufgehoben und der Sonderbeauftragte verließ das Unternehmen wie geplant zum Ende des Jahres, da alle Auflagen der BaFin vollumfänglich erfüllt wurden“, sagt ein Sprecher von N26 dazu. In diesem Jahr erwarte die Firma eine Umsatzsteigerung von 30 bis 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sogar ein Börsengang sei eine „spannende Option“.

Welchen Einfluss die BaFin auf das Wachstum deutscher Neobanken besitzt und ob die Behörde strenger ist als ihre ausländischen Pendants, möchte N26 nicht beantworten – verständlicherweise. Denn: Wer springt schon demjenigen in die Beine, der am längeren Hebel sitzt? Immerhin konstatiert der Sprecher dann doch: „Die Innovationskraft muss durch bessere Rahmenbedingungen weiter gestärkt und ungenutzte Potenziale müssen entfaltet werden.“ Es gelte, den Zugang zu Kapital und ausländischen Fachkräften zu erleichtern, bürokratische Hürden abzubauen und ein besseres Umfeld für Unternehmensgründungen zu schaffen. Nur so könne Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben. Trade Republic und N26 sind nicht die einzigen Neobanken, die Bekanntschaft mit der BaFin gemacht haben. Weitere prominente Fälle sind beispielsweise FlatexDegiro, C24 und Solaris. Letztere kämpft in diesen Tagen ums Überleben.

Nur ein Kulturkampf?

Die BaFin rechtfertigt ihr striktes Vorgehen so: „Manche junge Unternehmen müssen erst ein Verständnis dafür entwickeln, dass funktionierende Kontrollsysteme essenziell sind. Wir unterstützen sie dabei.“ Viele Fintechs und Neobanken seien zudem bestrebt, die Kosten niedrig zu halten. „Aber bei der Installation der notwendigen Prozesse und dem Aufbau von Ressourcen und Kontrollsystemen, die zweifellos viel Geld kosten, sollte niemand sparen.“ Alle Regeln würden für den traditionellen Sektor genauso wie für frische, innovative Unternehmen gelten. Das Problem: Junge Firmen stehen vor anderen Herausforderungen, als etablierte Player.

Konrad Greilich, Experte für Banking und Financial Services bei Bitkom, sieht die Herausforderungen für Neobanken im globalen Kontext. „Europäische Banken operieren in einem fragmentierten Markt mit unterschiedlichen nationalen Regularien, während US-Banken von einem größeren Heimatmarkt mit einem integrierten Kapitalmarkt, einheitlicher Regulierung und einer höheren Risikobereitschaft der Investoren profitieren.“ Dadurch könnten sie schneller wachsen und höhere Bewertungen erzielen. Ein US-Präsident Donald Trump dürfte den Abstand eher vergrößern als verkleinern, schließlich möchte er die Finanzmarktregulierung lockern. Erste Anzeichen gibt der Krypto-Markt. „Gleichzeitig könnte eine protektionistischere Handelspolitik europäischen Banken den Zugang zum US-Markt erschweren“, und „dadurch könnte sich der Abstand weiter vergrößern“, warnt Greilich.

Auch klassische Banken würden wohl von der Deregulierung profitieren. Und so schnellten die Aktien der großen Wallstreet-Banken bereits am Tag nach der US-Wahl in die Höhe. Dass es sich hierbei um mehr als um großspurige Ankündigungen im Trump-Stil handeln dürfte, liegt an der republikanischen Mehrheit im US-Kongress. Die Lehren der globalen Finanzkrise 2008? Würden dann geopfert. Damals gab die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers den Startschuss zu einem weltweiten Dominoeffekt. Viele Menschen verloren viel Geld. Regulierungen und Sicherheitsmechanismen waren die längst nötige Konsequenz, damit sich eine vergleichbare finanzielle Katastrophe nicht wiederholt. Donald John Trump setzt hingegen auf die ungezügelte Freiheit. Ronnie Reagan würde es freuen. Am liebsten würde der US-Präsident auch die Kontrolle über die unabhängige US-Notenbank Fed übernehmen. Das wäre ein Tabubruch, aber es wäre nicht der erste.

Im internationalen Vergleich gilt die BaFin als eher konservativ, besonderes im Sujet  Lizensierung und Risikomanagement. „Die Aufsichtspraxis der BaFin setzt vor allem auf Risikovermeidung“, ordnet Experte Greilich die Richtung der Behörde ein. Zudem setze der deutsche Gesetzgeber europäisches Recht regelmäßig sehr streng um. Für Start-ups, die schnell skalieren wollen und Risikobereitschaft in ihrer DNS tragen, können sich diese Faktoren zu einem toxischen Cocktail entwickeln. Laut einer Bitkom-Umfrage fühlt sich mehr als die Hälfte der deutschen Fintech-Gründer gegenüber EU-Mitbewerbern benachteiligt. Und über 70 Prozent der Befragten fordern sogar ein harmonisiertes Lizensierungsverfahren innerhalb der EU.

Mehr Markt wagen?

„Um ein angemessenes Gleichgewicht zu finden und bürokratische Hürden abzubauen, sollte die Aufsicht auf ein gezielteren und institutionalisierten Dialog mit Fintechs und Neobanken setzten“, empfiehlt der Bitkom-Experte. Dazu kommt eine weitere Herausforderung für junge Banken: zu wenig Risikokapital in Deutschland. Innovative Unternehmen, auch im Krypto-Bereich, würden bereits abwandern, denn die Rahmenbedingungen für Fintechs und ihre Gründer seien in anderen Ländern – auch innerhalb Europas – teils attraktiver.

Auch Gunter Tillmann, Leiter Banken und Kapitalmärkte im Beratungshaus EY, blickt mit Sorge über den Atlantik. „Unsere halbjährliche Analyse der Marktkapitalisierung europäischer Banken im Vergleich zu der Marktkapitalisierung der größten Banken an den US-Kapitalmärkten zeigt, dass Europas Banken bereits heute weit hinter den amerikanischen Banken liegen. Die Ankündigung von Mr. Trump, den Bankensektor weiter zu deregulieren, Bürokratie abzubauen und den Klimaschutz hintenanzustellen, werde den Abstand weiter vergrößern.“ Doch was tun? Kapitalanforderungen maßlos lockern und damit einen Crash riskieren? Die BaFin ist wichtig, denn sie schützt das Geld der Anleger. Ohne sie könnten zwielichtige Geschäftspraktiken Schule machen. Gleichzeitig reguliert sie eisern, während amerikanische Banken immer größere Freiheiten bekommen. Dieses Gefälle birgt Sprengstoff.

„Mehr Transparenz, schnellere digitale Genehmigungsprozesse und feste Ansprechpartner könnten den Markteintritt und das Wachstum von Neobanken in Deutschland erleichtern“, sagt Experte Greilich. Bei Trade Republic gibt man sich bewusst entspannt: Einen engen und partnerschaftlichen Austausch mit der BaFin stünde auf der Tagesordnung. Hoffentlich guckt sich die BaFin bei dieser Gelegenheit ein bisschen Start-up-Mentalität ab. Denn eins ist klar: Die weltweiten Finanzmärkte warten nicht auf tiny Germany.

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