Chinesen greifen nach deutschem Mittelstand
Der chinesische Staatskonzern Chemchina hat offenbar ein neues Übernahmeziel in Europa ausgemacht: Die Chinesen verhandeln über den Kauf einer wichtigen Sparte des jahrelang kriselnden Graphitproduzenten und Autozulieferers SGL Carbon, der auch an BMW liefert; sie sind aber nicht die einzigen Interessenten. Die Aktie von SGL Carbon geht prompt durch die Decke. – Beim Augsburger Roboterbauer Kuka vertiefen sich dagegen dagegen Sorgenfalten auf Anlegerstirnen. Es ist unverkennbar: Chinesische Investoren sind auf Einkaufstour in Deutschland.
Chinesische Investoren haben nach dem Roboterbauer Kuka offenbar ein neues Übernahmeziel in Europa ausgemacht: Der Staatskonzern Chemchina verhandelt über den Kauf einer wichtigen Sparte des Graphitproduzenten und Autozulieferers SGL Carbon – ist aber nicht der einzige Interessent. Die Aktie von SGL Carbon geht prompt durch die Decke und legt allein am 27. Mai um knapp 25 Prozent auf einen Stand von über 13 Euro zu. Bei Kuka wachsen derweil die Sorgen.
Die Wiesbadener SGL Carbon verhandelt mit mehreren Interessenten über die Übernahme ihres Geschäfts mit Graphitelektroden. Die Finanzinvestoren triton und Apollo sollen im Rennen sein, Branchenkreisen zufolge ist der wahrscheinlichste Käufer jedoch der chinesische Staatskonzern Chemchina; ein Börsenblatt wittert bereits den „nächsten Übernahmehammer“.
Graphitelektroden für die Stahlproduktion sind bisher der größte Geschäftsbereich von SGL. Die Hessen leiden aber unter der Abschwächung in der Stahlindustrie, die zu massivem Preisdruck führt. Eine Übernahme des gesamten Unternehmens, von Spiegel Online als „Klattens Krisenfirma“ bezeichnet, steht aber laut Unternehmenskreisen nicht zur Diskussion. SGL gehört zu 27,3 Prozent der Unternehmerin und BMW-Großaktionärin Susanne Klatten. Weitere 18,3 Prozent hält BMW, auch Volkswagen und Voith halten Anteile. BMW hat mit SGL Carbon 2009 ein Joint Venture zum Aufbau einer Kohlefaserproduktion für die Autoindustrie aufgebaut, was logisch ist, denn die Familie Klatten hält an BMW ein milliardenschweres Aktienpaket.
Kuka-Anleger befürchten „Katastrophe“
Midea heißt der Interessent, die in Augsburg anklopft. Ein chinesischer Hausgerätehersteller, der bislang hierzulande nur Insidern bekannt ist. Zehn Prozent der Anteile an Kuka hält Midea bereits, für mehr als vier Milliarden Euro wollen sie das ganze Unternehmen kaufen. Doch bei der Hauptversammlung des Roboterbauers Kuka in Augsburg hielte sich die Investoren des chinesischen Hausgeräte-Herstellers Midea zunächst im Hintergrund.
Doch viele haben auch Sorgen. „Ich hoffe, dass sich das nicht zu einer Katastrophe für den Standort Deutschland entwickelt“, sagte Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. In den USA und wahrscheinlich auch in China sei es schwer vorstellbar, dass sich ein ausländischer Konzern so eine Schlüsseltechnologie sichere. Das Management solle mit den Großaktionären mit Hochdruck auch nach Alternativen zu dem Midea-Angebot suchen.
Positives Signal aus China
Ein Kleinaktionär kritisierte: „Auch die deutsche Industrie hat geschlafen.“ Schließlich hätten sich zum Beispiel die Autohersteller in den vergangenen Jahren zu Spottpreisen eine Sperrminorität bei Kuka sichern können. Natürlich wissen alle, dass die mögliche Übernahme sensibles Gelände berührt. Kuka spielt in der Industrie 4.0, also der Digitalisierung der Produktion, eine Schlüsselrolle. China wiederum gilt in der Automatisierung als wichtigster Wachstumsmarkt.
Der Umsatz von Kuka stieg, auch wegen der Übernahme der Schweizer Swisslog, im Jahre 2015 um 42 Prozent auf erstmals drei Milliarden Euro. Auch im laufenden Jahr soll es weiter aufwärts gehen. „Kuka hat sich zu einer atemberaubenden Erfolgsgeschichte entwickelt“, frohlockte Aufsichtsratschef Bernd Minning. Das nächste Kapitel werden nun womöglich die Chinesen schreiben. Handelsblatt / Axel Höpner / Markus Fasse / sig