Cisco - Ein Weltmarktführer wankt
Internet ohne Cisco ist ungefähr so wie Autofahren ohne Reifen. Nicht nur eine holperige Angelegenheit, sondern fast unmöglich. Doch das Unternehmen, das sich die letzten beiden Silben des Gründungsorts San Francisco zu eigen gemacht hat, hat offenbar eine Reifenpanne.

Cisco ist der weltweit größte Netzwerkausrüster. Doch aktuell läuft es nicht so gut wie gewöhnlich. Die Zahlen des ersten Geschäftsquartals, es lief bis Ende Oktober, sind alles andere als berauschend. Der Umsatz stieg nur um zwei Prozent, im Vorjahr und im letzten Quartal waren es noch jeweils sechs Prozent. Am Ende ergibt dies für Q1 einen Umsatz von knapp 12,1 Milliarden US-Dollar nach neun Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum.
Besonders der asiatische Markt mit Fokus auf China und Japan bereitet den Amerikanern Sorge. Die NSA-Affäre habe einen negativen Einfluss in China gehabt, räumte CEO John Chambers ein. In APJC – Asia Pacific, Japan, China – sind die Umsätze am stärksten zurückgegangen und die chinesischen Wettbewerber Huawei und ZTE holen mächtig auf. Huawei konnte nebst China besonders in Schwellenländern wie Brasilien, Indien, Mexiko und Russland Aufträge gewinnen, die Cisco schon sicher für sich gewonnen zu haben glaubte. Netzwerke der chinesischen Wettbewerber sind wiederum in den Vereinigten Staaten wegen Sicherheitslücken sehr unbeliebt.
Doch das war noch nicht alles. Bei Cisco, so räumte Konzernchef Chambers ein, sei nicht nur der Gewinn im abgeschlossenen Quartal rückläufig gewesen. Auch die Wachstumsraten lägen unter den eigenen Erwartungen. Infolgedessen wurden auch die Wachstumserwartungen für das nächste Quartal nach unten korrigiert. Das sahen Anleger wohl ähnlich, sodass der Aktienkurs daraufhin um fast zwölf Prozent fiel. Es war der größte prozentuale Tagesverlust seit mehr als zwei Jahren. Aktuell steht das Papier bei rund 15,90 Euro. Bis zu dieser Woche lief die Cisco-Aktie noch recht rund, im letzten Monat war die Tendenz steigend. Bis zum Mittwoch lag der Kurs sogar bei 17,78. Viele Experten glauben Cisco sei auf dem Parkett „stark unterbewertet“ und doch knallte es diese Woche in der kalifornischen Metropole. Selbst eine Aufstockung des ohnehin laufenden Aktienrückkaufs konnte die Aktionäre nicht begeistern. In der Regel führt allein schon die Ankündigung solcher Maßnahmen zu Kurssprüngen. Doch in diesem Fall überwiegen die Eindrücke der negativen Quartalszahlen.
Etwas mehr Licht als Schatten
Cisco Systems Kerngeschäft ist die Herstellung und der Vertrieb von Geräten für den Datenverkehr, also Router und Switcher über zertifizierte Partner. Davon gibt es allein in Deutschland 2.500. Diese beiden Bereiche machen über 50 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Hinter den meisten Firmen-Netzwerken steckt in irgendeiner Weise Cisco-Technik. Doch das Geschäft kommt aktuell nur schleppend voran. Um zu einer „langsamen wirtschaftlichen Erholung“ beizutragen, verkündeten die Kalifornier im Sommer, dass das Unternehmen fünf Prozent aller Arbeitsplätze streichen werde. 4000 Stellen würden weltweit wegfallen. Als diese Nachricht Mitte August dieses Jahres lanciert wurde, stürzte das Cisco-Wertpapier ähnlich stark ab, wie es in der vergangenen Woche der Fall war – um zehn Prozent rauschte der Kurs damals nach unten. Nach zwei Wochen ging es aber wieder aufwärts. Das könnte den Anlegern auch in der aktuellen Lage Hoffnung für die Zukunft machen.
Adnaan Ahmad von der Privatbank Berenberg stellte in einer Analyse von letzter Woche fest, dass Cisco Marktanteile bei den Routern für den Datenverkehr an den kalifornischen Wettbewerber Juniper Networks und den französischer Hersteller Alcatel-Lucent verliere. Der Analyst begrüßte zwar, dass es der Cisco-Führung gelungen sei, die Bruttomargen bei 60 Prozent oder darüber zu halten, warnte aber, dass Cisco mittel- oder langfristig aufgrund des stärker werdenden Wettbewerbs unter Druck geraten könnte. Dementsprechend sprach Ahmad sich für den Verkauf der Cisco-Aktien aus und senkte das Kursziel drastisch auf 16,00 Dollar, das entspricht knapp zwölf Euro.
Ganz so düster sehen dies aber nicht alle Börsianer. Ein New Yorker Händler sagte vergangene der Woche, dass er zuversichtlich sei, dass Cisco bald wieder auf die positive Welle der IT- und Onlineunternehmen aufspringen würde, deren Trends nun seit Monaten aufwärts zeigen. Besonders Cloud-Dienste (Börse am Sonntag berichtete darüber in einer Analyse zu SAP) sind sehr gefragt. Ciscos Sparte „Cloud Computing“ profitiert sehr davon. Und eine für 2013/14 erwartete Dividende von 0,50 Euro je Aktie, also eine Rendite von 2,87 Prozent, ist recht erfreulich für Aktionäre.
Die 1984 gegründete Firma setzt sich für die weiterführende Vernetzung von Menschen, Prozessen, Daten und Dingen ein und nennt dies „Internet of Everything“. Im Unternehmensprofil wirbt Cisco damit, dass die Vernetzung dieser vier Faktoren Unternehmen helfen könne, Prozesse zu optimieren und Ressourcen effizienter zu nutzen als bisher. Das Geschäftspotenzial liegt nach eigenen Angaben bei insgesamt 14,4 Billionen US-Dollar.
Doch bei den Wörtern Vernetzung von Daten von Menschen schwingen dieser Tage negative Assoziationen dank des NSA-Skandals mit. Genau dies war auch im Quartalsbericht anhand diverser Zahlen festzumachen. Seit der NSA-Enthüllung Anfang Juni hat die Cisco-Aktie 15 Prozent eingebüßt. Es ist womöglich überinterpretiert einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen den Snowden-Veröffentlichungen und den 15 Prozent zu knüpfen, aber Fakt ist, dass US-Datentechnologie seitdem einen schweren Stand hat und zuweilen kritisch beäugt wird.
Fazit
Cisco veröffentlichte Quartalszahlen, die unter den Erwartungen der Analysten lagen. Umsatzeinbußen und schlechtere Wachstumsaussichten hatten einen Absturz des Aktienkurses von elf Prozent zur Folge. Besonders in Schwellenländern nehmen chinesische Konkurrenten dem Weltmarktführer Cisco die Aufträge weg. Überdies setzte die NSA-Affäre dem amerikanischen Unternehmen zu, wie auch der Geschäftsführer Chambers bestätigte. Insgesamt ist die Branche aber auf einem sehr gewinnbringenden Weg, sodass sich auch Cisco womöglich bald wieder an der regelrechten Aktienrallye beteiligen kann und zurecht mit folgendem Slogan werben kann: Tomorrow starts here. WCW