Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Unternehmen >

Die doppelte Schnäppchenjagd

Die Aktien von Commerzbank und Kali+Salz haben Anleger entsetzt. Doch jetzt setzen sie zum Comeback an. Zwei Dax-Werte im Sommerschlußverkauf

BÖRSE am Sonntag

Schlimmer ging’s nimmer: Anleger der Commerzbank haben in den vergangenen Jahren 95 Prozent ihres Kurswertes verloren. Weder Dividende noch Perspektive bot das Papier, stattdessen immer neue Hiobsbotschaften. Von der Halbverstaatlichung über Mega-Kapitalerhöhungen bis zu Abschreibungsorgien war alles dabei. Wenn irgendwo ein Kreditproblem auftauchte – die Commerzbank schien dabei.
Dieses Commerzbankgefühl, dass so eine Kapitalblutung nie aufzuhören scheint, beschlich nun auch die Aktionäre von Kali+Salz. Die Angst vor einem globalen Preiskampf auf dem Kalimarkt hatte die Aktie des Kasseler Düngemittel- und Salzherstellers auf eine dramatische Talfahrt geschickt. Eine Verlaufswelle nach der anderen brandete an die deutschen Börsen. Nach einer milliardenschweren Kapitalvernichtung stand die Aktie plötzlich nur noch halb so hoch im Kurs wie vor wenigen Wochen. Und das bei einem Dax-Wert!
Bei beiden Titel warnten die renommiertesten Analysten: Finger weg! Tatsächlich aber zeigten beide Aschenputtel des Dax in dieser Woche ein spektakuläres Lebenszeichen. Fast klassisch sprangen die ausgebombten Werte an, als sich ein Hauch von guter Nachricht zeigte. Spekulative Anleger haben nun ihre helle Freude an beiden Aktien, denn wann kann man schon mal einen Dax-Konzern so günstig wie einen billigen Zocker-Nebenwert einsammeln?
„Es ist ein wenig wie beim Sommerschlussverkauf. Commerzbank und Kali+Salz werden als Schnäppchen betrachtet, die man sich auf dem Börsenwühltisch jetzt mal gönnt”, sagte ein Händler auf dem Frankfurter Parkett.

CommerzbanK: Silberstreif m Horizont

Auslöser eines sagenhaften Tagesgewinns von 15,75 Prozent bei der Commerzbank und weiterer Aufschläge am Freitag waren Quartalszahlen, die weniger schlimm ausfielen als befürchtet. Die Bank wies von April bis Juni einen Nettogewinn von 43 Millionen Euro aus – nach einem Verlust von 94 Millionen Euro zu Jahresbeginn. Vor allem das Investmentbanking lief gut. Hier gelang es, den operativen Gewinn auf 153 Millionen Euro mehr als verfünffachen. „Bei der Commerzbank wird jeder kleine Hoffnungsschimmer mit Erleichterung quittiert“, hieß es am Markt. Wie klein der Schimmer ist, zeigt auch ein Vergleich mit den Quartalszahlen im Jahr zuvor. Denn da meldete die Commerzbank noch 270 Millionen Euro Gewinn.Selbst Commerzbankchef Martin Blessing klingt verhalten: „Wir nehmen im Übergangsjahr 2013 in Kauf, dass einzelne Maßnahmen mit einmaligem Restrukturierungsaufwand oder höherer Risikovorsorge verbunden sind.“ Im Klartext: Es kommt immer noch dick für die Bank. Das Institut geht für dieses Jahr sogar von höheren Abschreibungen auf faule Kredite aus als 2012. Damals hatte die Bank 1,7 Milliarden Euro abgeschrieben. Grund seien neben dem beschleunigten Verkauf unerwünschter Portfolien „Einzelfälle“ im Kerngeschäft, doch die scheinen zahlreich: Allein im zweiten Quartal wurden neue Kreditausfälle über 537 Millionen Euro verbucht. „In Summe halten wir es für die zweite Jahreshälfte und auch für das Gesamtjahr wahrscheinlich, dass der Ertragsdruck aus Niedrigzinsumfeld, saisonalen Effekten sowie aus der ansteigenden Risikovorsorge die Erfolge aus der angestoßenen Weiterentwicklung unseres Geschäftsmodells überdecken werden“, hieß es diplomatisch im Zwischenbericht. Eine Enttäuschung.
Spekulative Käufer hören freilich etwas anderes. Sie wähnen die Bank am unteren Wendepunkt ihrer Krisengeschichte. Bestärkt werden sie darin durch offizielle Sätzen: „Damit schaffen wir die Basis, um die Profitabilität der Bank künftig weiter zu verbessern.“ Die Commerzbank sei auf dem richtigen Weg. Wenn die Bank nur überlebe und wieder profitabel werde, dann sei die extrem niedrige Aktie ein Kauf. Denn das ist die Wette: Die Commerzbank wird irgendwann allen Müll aus den Bilanzen eliminiert haben und dann sprunghaft in ihren Ergebnissen zulegen. Selbst wenn das noch ein Jahr dauere, müsse man die Aktie jetzt kaufen. „Es ist die ultimaitve Turnaroundspekulation. Keiner glaubt mehr an eine Pleite der Commerzbank, und die Spekulationen über einen neuen Großinvestor aus dem Ausland beflügeln die Fantasie obendrein”, heißt es bei einem amerikanischen Broker.
Freilich lag die Kernkapitalquote der Bank Ende Juni mit 8,4 Prozent nach dem künftigen Baseln-III-Standard immer noch unter den Ansprüchen des Kapitalmarkts, erst Ende 2014 sollen es neun Prozent sein.
Die Optimisten verweisen hingegen auf die Fortschritte des Konzernumbaus. In dessen Mittelpunkt stehe das Geschäft mit den elf Millionen Privatkunden. Die Commerzbank habe in den ersten sechs Monaten 100.000 Kunden gewonnen – bis 2016 sollen es eine Million werden. Das Wertpapiergeschäft und die Baufinanzierung sorgten im zweiten Quartal für einen höheren operativen Gewinn in der Sparte.
Die Pessimisten blicken dagegen mit Sorge auf das Ergebnis der Mittelstandsbank – sonst ein verlässlicher Gewinnbringer. Von April bis Juni brach der Gewinn wegen steigender Risikovorsorge um 44 Prozent ein. Außerdem: Das noch 136 Milliarden Euro schwere Geschäft mit Schiffs-, Immobilien- und Staatskrediten brachte im zweiten Quartal erneut fast 400 Millionen Euro Verlust. Doch auch hier scheint es Licht am Ende des Tunnels zu geben: Seit Jahresbeginn seien die Bestände aber um 20 Milliarden abgebaut worden, ist zu hören, bis Ende 2016 sollen sie deutlich unter 90 Milliarden Euro schrumpfen. In der Schiffsfinanzierung, die zurzeit von den Bankenaufsehern scharf unter die Lupe genommen wird, hätten die faulen Kredite zuletzt nicht mehr zugenommen.
Damit wächst die Hoffnung auf die tatsächliche Wende nach Jahren des Niedergangs. Diese Sehnsucht der Börse nährt Martin Blessing geschickt mit einer Metapher, über die sich viele Börsianer inzwischen lustig machen, die aber ihre psychologische Wirkung nicht verfehlt: Jeder, der schon mal eine Bergwanderung gemacht habe, kenne das Gefühl: „Ich kann das Gipfelkreuz schon sehen, weiß aber, dass der Weg bis dahin noch ganz schön anstrengend ist.“ So versuchte Blessing in dieser Woche mit einem Brief, seine Mitarbeiter zu motivieren. Ob ihm das gelungen ist, mag fraglich sein. Zeitungen witzeln, Blessing brauche schon ein verdammt großes Fernglas, um das Gipfelkreuz wirklich zusehen. Die Börsenspekulation hat er aber deutlich motiviert.

Kali+Salz: Haben die Anleger überreagiert?

Einen ähnlichen Stimmungsumschwung vollzieht auch die Kalit+Salz-Aktie, die am Dienstag bei Kursen von weniger als 15,50 offenbar ihren unteren Wendepunkt markierte. Denn seither gibt es massive spekulative Rückkäufe der Aktie. „Das Schlachtfest bei K+S war übertrieben, ja panisch. Dabei weiß noch kein Mensch, ob es überhaupt zu einem dauerhaften Preisverfall bei Kali kommt”, meinten erste Analysten.
Die Massenflucht der Anleger aus der Aktie hatte der russische Konkurrent Uralkali ausgelöst. Das Unternehmen steigt nach eigenen Angaben aus der Export-Allianz mit dem weißrussischen Branchenkollegen BPC aus und will seine Produkte über eine eigene Handelsorganisation in der Schweiz vermarkten. Uralkali-Chef Vladislav Baumgertner setzte noch eins drauf: Gegenüber Nachrichtenagenturen kündigte er eine Produktionsausweitung im kommenden Jahr an und sieht den Kalipreis auf unter 300 Dollar je Tonne fallen, umgerechnet 226 Euro. Das wäre ein Viertel weniger als derzeit gezahlt wird.
Inzwischen sind die Horrorszenarien auf dem Welt-Kalimarkt einer ruhigeren Betrachtung gewichen. Es verbreitet sich der Eindruck, dass die russischen Preisgerüchte und die Panikreaktion der Börse übertrieben gewesen sein könnten. Wenn sich das globale Kartell wieder halbwegs zusammenfindet, wie es seit Jahrzehnten immer der Fall gewesen ist, dann war die Panik bei den Kali-Aktien eine spektakuläre Bärenfalle. Vor allem erwarten manche Käufer auch Zwangseindeckungen der Baisse-Spekulanten. Es kursieren Gerüchte, dass russische Investoren mit sehr hohen Einsätzen ganz gezielt auf Baisse spekuliert hätten. “Die Leerverkäufer müssen sich nun eindecken”, heißt es, und das könnte das Comeback der Aktie beschleunigen.
Doch auch hier warnen Pessimisten, dass sich die Probleme nicht so schnell in Luft auflösen werden. Sollte nämlich doch ein globaler Preiskrieg ausbrechen – und danach sehe es immer noch aus – , dann würde das nach Ansicht von Börsianern die Geschäfte von K+S fatal belasten, vor allem, weil das neue Großprojekt in Kanada, Legacy, dann zu scheitern drohe. K+S treibt den Aufbau des neuen Kaliwerkes in der dortigen Provinz Saskatchewan voran. Der Bau von Legacy zieht sich allerdings in die Länge und wird unerwartet teuer. Das Investitionsbudget mußte auf 4,1 Milliarden kanadische Dollar, rund 3 Milliarden Euro, angehoben werden. Sollte nun der Weltmarktpreis deutlich sinken, könnte sich Kali+Salz mit Legacy genau zum falschen Zeitpunkt fatal überhoben haben. Andererseits: Beruhigt sich der Weltmarkt, dann wird genau dieses Werk K+S in die Weltspitze katapultieren. Das neue Werk wird die Ausgangsbasis für den Absatz in den aufstrebenden Wachstumsregionen in Asien und in Südamerika sowie auch in Nordamerika sein. Mit Legacy wird K+S der einzige Kaliproduzent mit großen eigenen Produktionsstandorten auf zwei Kontinenten sein.
Der kanadische Konkurrent von K+S, Potash-Chef William Doyle, geht davon aus, dass die wirtschaftliche Logik wieder die Oberhand gewinnen wird. „Ich kenne nicht viele Leute, die sich absichtlich selbst zerstören“, sagt er in einem Interview mit Seitenblick auf die russische Konkurrenz. Doyle sagte damit, was die spekulativen Käufer dieser Tage ebenfalls denken: das Preiskrieg-Drama könnte rasch wieder vorüber sein. Dann aber sollte man möglichst viele K+S-Aktien im Depot haben.

Fazit: Tatsächlich haben sich bei Commerzbank und Kali+Salz zwei selten spektakuläre Turnaround-Situationen aufgetan. Die breite Börse ist in den vergangenen Quartalen gut gelaufen. Hier aber gibt es zwei Dax-Werte zum vermeintlichen Schnäppchenpreis. Doch Vorsicht: Es gibt auch gute Gründe, warum die Kurse so stark gefallen sind. Bei der Commerzbank gab es schon mehrfach Bullenfallen, und bei Kali+Salz hängt alles davon ab, ob die Russen wieder zur Vernunft kommen. Spannende Spekulationen!